Politik

EU ein Monster: Präsident Schulz warnt vor „Frankenstein Europa“

Martin Schulz, SPD-Mann und Präsident des Europäischen Parlaments, hält die EU-Kommission für eine undemokratische Einrichtung. Sie handle wie eine Regierung, sei aber nicht vom Volk legitimiert. Es gäbe keine Gewaltenteilung, wodurch die EU zu einem „Frankenstein Europa“ werde.
06.03.2013 12:55
Lesezeit: 2 min

EU-Parlamentspräsident Martin Schulz hat bei einer Veranstaltung in Hamburg am Montag die übergroße Macht der EU-Kommission kritisiert: Es sei nicht hinnehmbar, dass die EU-Kommission das einzige Gremium in der EU sei, die Gesetze erlassen dürfe. In Europa sei die nationale Souveränität der Staaten auf einer Gewaltenteilung zwischen Gesetzgebung, Exekutive und Judikative aufgebaut. Es gäbe eine Regierung, die vom Parlament abgewählt werden könne, und die Justiz überwache, dass die Regeln eingehalten werden.

Schulz findet einem Bericht des EU-Observers zufolge, dass die Reformen in Europa nicht weit genug gehen: „Was wir jetzt machen, ist, dass wir Teile aus den Konzepten der nationalstaatlichen Demokratie herausbrechen und sie auf die EU-Ebene übertragen. Aber ohne auch die Übertragung der Gewaltenteilung ist das Resultat ein, wie ich es nenne Frankenstein Europa.“

Erschwerend komme hinzu, dass in der Kommission keine einheitliche Linie verfolgt werde. Schulz: „Es gibt Entwicklungen in der Kommission, die die Leute befremden. Es gibt zwei Denkschulen in der EU-Kommission. Die eine ruht nicht, bis nicht der letzte Friedhof in Europa privatisiert ist. Und die andere ist nicht zufrieden, bis wir nicht eine EU-Regulierung für Begräbnisse haben.“

Schulz will daher eine Fundamentalreform der EU, die die Rolle der Kommission und auch die der EU beschränke. Die EU solle sich auf die Themen Handel, Umwelt, Geldpolitik, Finanzregulierung und Migration beschränken. Schulz: „Dafür brauchen wir eine Regierung auf EU-Ebene, die vom EU-Parlament legitimiert ist.“ Andere Kompetenzen könnten an die Nationalstaaten zurückgegeben werden.

Der Hintergrund für Schulz‘ deutliche Worte ist indes nicht etwa, dass hier einer vom Saulus zum Paulus geworden ist. Schulz ist der sozialistische Top-Favorit für den Job für die Barroso-Nachfolge als EU-Präsident. Seine Ausführungen sind der Auftakt zum Schaulaufen für den begehrtesten Posten in der EU. Schulz hat einen sehr ausgeprägten Instinkt, von woher gerade der Wind weht. Nicht nur die Briten drängen aus der EU. Die Wahlen in Italien sind allen Politikern in die Knochen gefahren, weshalb in den kommenden Monaten mehr auf nationale Befindlichkeiten Rücksicht genommen werden soll.

Daher spricht Schulz die nationalen Regierungen an und will ihnen eine weniger mächtige EU-Kommission anpreisen. Zugleich richtet er sich ans EU-Parlament und verspricht den Abgeordneten mehr Macht.

Auf diesem Weg erreicht Schulz all jene, die am Ende darüber entscheiden, ob der Posten bekommt oder nicht. Der scheidende EU-Präsident José Manuel Barroso hat das Werben aufgegeben – schließlich hat er zehn Jahre regiert und geht ab September 2014 mit einer sehr erfreulichen Rente in den mehr als wohlverdienten Ruhestand. Daher beharrt er am Ende seiner Amtszeit auf seiner Erfahrung, dass der Zentralismus besser ist als der Föderalismus.

Der Kommissions-Präsident wird vom Europäischen Rat nominiert und vom EU-Parlament gewählt. Er verdient 24.874,62 Euro im Monat und amtiert fünf Jahre (laut EU-Dokument).

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