Politik

Chaos in Brüssel: Dijsselbloem gegen Dijsselbloem

Nach einer verheerenden Interview-Aussage hat der neue Gruppen-Chef wenige Stunden später dementiert, was er gesagt hat. Das ist eine glatte Lüge – wurde die Botschaft, Zypern sei die Blaupause (template) für weitere Haircuts, doch von zwei Medien unabhängig voneinander verbreitet. Nun fragt man sich: Naivität oder Kalkül?
26.03.2013 02:01
Lesezeit: 2 min

Politiker-Aussagen haben traditionell keine besondere Haltbarkeit. Der neue Chef der Euro-Gruppe, der niederländische Finanzminister Jeroen Dijsselbloem, hat sich jedoch vermutlich einen Weltrekord aufgestellt: Nur wenige Stunden, nachdem zwei angesehene Medien – die Nachrichtenagentur Reuters und die Financial Times – gleichlautend von einem Interview mit ihm berichteten, behauptete Dijsselbloem, seine Aussage sei so nicht gefallen.

Dijsselbloem hatte gesagt, dass die Zwangsenteignung bei Banken ab nun zum Rettungs-Repertoire der Euro-Zone gehört. Auf die Frage der Reporter, ob nun auch Luxemburg und Malta mit einem ähnlichen Haircut rechnen müssten wie Zypern, sagte der Niederländer:

„Das bedeutet: Klärt das, bevor es zu Schwierigkeiten kommt. Stärkt Eure Banken, repariert die Bilanzen und seid Euch im Klaren darüber, wenn Banken in Probleme geraten, kommen wir nicht automatisch, um sie zu lösen.“

Darauf waren die Aktien für Finanzwerte weltweit auf Talfahrt gegangen.

Offenbar verfolgt in Brüssel jemand die Börsenkurse: Kurz nach dem Absturz meldete Bloomberg:

„EU Dijsselbloom Sprecherin: Dijsselbloem hat nicht gesagt, dass Zypern ein Template für Bank Restrukturierungen ist.“

Auf der Website der Euro-Gruppe war später zu lesen:

„Zypern ist ein besonderer Fall mit außergewöhnlichen Herausforderungen, welche die Bail-In Maßnahmen erforderten, auf die wir uns gestern verständigt haben. Makroökonomische Anpassungsprogramme sind für die betroffenen Länder maßgeschneidert und es werden keine Modelle oder Templates benutzt.“

Die Aussage des Niederländers hatte an den Märkten für Bestürzung gesorgt, bedeutet sie doch nichts anderes, als dass die EU Bank-Konten in anderen Ländern plündern wird, wenn es nicht mehr anders geht. Schon das Wort Bail-In ist in diesem Zusammenhang eine Irreführung: Die Bond-Holder in Zypern werden nicht zur Kasse gebeten, wohl aber die Konto-Inhaber.

Dijsselbloem hat sich damit innerhalb kürzester Zeit als würdiger Nachfolger von Jean-Claude Juncker erwiesen. Dieser hat mit zwei markigen Sprüchen die Grundsätze der EU-Politik umrissen: Man müsse lügen, wenn es ernst wird; und es sei Praxis der EU, etwas in den Raum zu stellen, dann zu sehen, ob es überhaupt jemand versteht oder Geschrei aufkommt – und dann zu marschieren.

Vor diesem Hintergrund ist unklar, ob Dijsselbloem aus Dummheit etwas gesagt hat, dessen Folgen er nicht bedacht hat. Das wäre schon recht unerfreulich für einen Mann in seiner Position.

Oder aber Dijsselbloem hat tatsächlich eine Marschroute bekanntgegeben, die die EU einschlagen will. Alle bisherigen Aktionen der EU und insbesondere ihres Schrittmachers Wolfgang Schäuble deuten darauf hin, dass der zweite Fall anzunehmen ist.

Die Zwangs-Enteignung in Zypern und die Aussage des Niederländers haben die Glaubwürdigkeit der Euro-Retter nicht erschüttert, sondern gestärkt: Endlich wissen alle, woran sie sind. Bank-Kunden wissen nun, dass das Geld auf ihrem Konto nichts anderes ist als Eigentum auf Abruf. Darauf kann man sich in der Tat einstellen, „bevor es zu Schwierigkeiten kommt“.

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