Politik

Aktivist: „EU führt einen Krieg gegen die Bürger von Europa“

Die Bewegung „For a European Spring“ sieht die Demokratie langsam aus Europa verschwinden. Die EU vertrete nicht mehr die Interessen der Bürger, sondern nur noch die der multinationalen Konzerne. Um diese durchzusetzen, werden Polizei und Behörden mit immer weiter reichenden Befugnissen ausgestattet.
31.03.2013 00:43
Lesezeit: 3 min

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Aktivisten der Bewegung „For a European Spring“ besetzten am 14. März 2013 die Generaldirektion für Wirtschaft und Finanzen – Hauptsitz von Währungskommissar Olli Rehn. Dutzende Demonstranten wurden daraufhin festgenommen. Die Polizei nahm ihre Fingerabdrücke und handelte damit rechtswidrig (mehr hier).

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Mr. Sabido, Während der Proteste am 14. und 15. März in Brüssel wurden mehr als 30 Menschen verhaftet. Sie waren selbst dabei, wie haben Sie die Polizeiaktionen erlebt? 

Pascoe Sabido: Für uns war es eine böse Überraschung, zu sehen, dass ein friedlicher Protestmarsch von den Brüsseler Behörden gestoppt wird. Die brutalen Polizeiaktionen am 14. März gegen eine friedliche Demonstration zeigen auf, wie gering Bürgerrechte geschätzt werden. Wir haben friedlich die Generaldirektion für Wirtschaft und Finanzen (DG ECFIN) besetzt. In diesem Kommissionsgebäude wird die Sparpolitik beschlossen, es ist ein legitimes Ziel des Protests. Und wir sind wieder gegangen, als die Polizei das verlangte. Angesichts der scharfen Reaktion und der willkürlichen Verhaftungen müssen wir uns ernsthaft fragen, ob die Polizeikräfte wirklich im Interesse der Allgemeinheit handeln oder nur im Interesse der nicht gewählten EU-Kommission. Die Polizei hat willkürlich Menschen verhaftet, und wir fordern von den Verantwortlichen eine Entschuldigung dafür.

Wir haben außerdem nach den Protesten mit einigen beteiligten Polizisten gesprochen, viele teilen unsere Meinung und unterstützen unsere Aktionen. Viele leiden selbst unter den Folgen des Sparkurses - sie selbst oder Angehörige. Sie folgen nur den Befehlen von oben.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Was genau  fordert die Bewegung „For a European Spring“?

Pascoe Sabido: “For a European Spring” kritisiert das Elend, das die Sparpolitik Millionen Menschen auf dem Kontinent aufzwingt. Der Lebensstandard sinkt, Arbeitsplätze verschwinden, und grundlegende öffentliche Infrastrukturen werden ausgehöhlt und privatisiert. Die Sparpolitik tritt hart erkämpfte soziale, wirtschaftliche und ökologische Rechte mit Füßen, sie führt sie zu einer Umverteilung des Reichtums weg von normalen Bürgern hin zu multinationalen Konzernen und in die Finanzbranche.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Sie kritisieren den harten Sparkurs der EU. Aber ist das Sparprogramm nicht notwendig, um die Schuldenkrise in den Griff zu kriegen?

Pascoe Sabido: Der Sparkurs ist alles andere als notwendig, er ist ein politisch motivierter Schachzug, um den Neoliberalismus zu retten, der in Europa gerade vorherrscht. Er untergräbt demokratische Entscheidungsfindungen.

Mit dem Sparkurs werden die normalen, hart arbeitenden Leute gezwungen, für die Fehler der Banken zu zahlen. Außerdem versagt die Sparpolitik: Sie führt nicht zu Wachstum von Wohlstand oder Beschäftigung, sondern führt zu einem Aufstieg von rechtsextremen nationalistischen Parteien, wie in Griechenland oder in Ungarn, zu Arbeitslosigkeit, zu bitterer Armut. Mehr noch, sie führt zum Zusammenbruch der demokratischen Institutionen in Europa!

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Was soll sich in der EU ändern?

Pascoe Sabido: Wir fordern ein Ende der Sparverträge und ihrem schädlichen Einfluss auf die Demokratie. Die Sparpolitik muss ersetzt werden durch demokratische Entscheidungen, die von unten kommen und die Interessen der Bürger widerspiegeln, nicht die der Großunternehmen. Wir fordern eine Politik, die die Arbeitslosigkeit bekämpft, und eine ökologische Wende.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Sind diese Forderungen realistisch? Die Politiker werden nicht so schnell den Kurs ändern.

Pascoe Sabido: Diese Grundsätze sind vollkommen realistisch und erstrebenswert, aber sie werden nicht über Nacht Wirklichkeit werden. Um so eine Wende geschehen zu lassen, brauchen wir eine starke, dynamische Bewegung von unten in ganz Europa. Die Bürger im Norden und im Süden müssen sich gegenseitig unterstützen, um der Sparpolitik der Troika zu begegnen.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Sie kritisieren die Sparpolitik der EU und den Mangel an Demokratie in Europa. Was halten Sie von der Ursprungsidee Europas als ein Friedensprojekt? Ist das nicht eine gute und erstrebenswerte Vision?

Pascoe Sabido: Die Ursprungsidee der EU als Friedensprojekt ist eine noble, und ich denke wir alle teilen diese Idee. Aber die aktuelle Politik mit dem Sparkurs untergräbt alle früheren Bemühungen um Frieden indem sie darin versagt, den Bürgern zuzuhören. Die Politik übergibt die Macht den Großunternehmen.

Viele Menschen sind daher von Europa enttäuscht und wenden sich extremen, gewaltbereiten Parteien zu. Das sehen wir in Griechenland und Ungarn, aber auch im Vereinigten Königreich. Auch in Deutschland gibt es eine Anti-Europa-Partei.

Wenn man den Menschen solche Sparprogramme auferlegt, ist es kein Wunder, wenn sie nicht mehr glauben, dass Europa in ihren Interessen handelt. Oder, dass sie denken, sie seien nicht Teil des Friedens, von dem die EU spricht.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Letztes Jahr hat die EU ja sogar den Friedensnobelpreis bekommen.

Pascoe Sabido: Dass der EU der Friedensnobelpreis überreicht wurde, ist verblüffend, wenn man bedenkt, mit welcher Gewalt die EU Kommission den Bürgern die Sparmaßnahmen aufzwingt. Die Härte, mit der die Sparmaßnahmen durchgesetzt werden, spiegelt sich auch im harten Vorgehen der Polizei und staatlichen Institutionen gegen Kritiker wider, die eine andere Politik fordern.

Was als Friedensprojekt begonnen hat, entpuppt sich als Krieg gegen alle Bürger in Europa, nicht nur die Armen und Verwundbaren, nicht nur die peripheren Länder. Wenn die Europäische Union Europa zusammenhalten und ein einzigartiges Projekt wahrmachen will, muss sie die normalen Bürger, die lokale Wirtschaft und unsere Umwelt in den Mittelpunkt der Agenda stellen. Aber so verhöhnt sie alle, die an das Friedensprojekt Europa glauben, auch das Nobelpreiskomitee.

Pascoe Sabido ist Aktivist der Initiative „For a European Spring“ und arbeitet für den Think Tank Corporate Europe Observatory (CEO), einer Organisation, die die Aktivitäten der Konzerne und Lobbys in Brüssel überwacht. 

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