Finanzen

Rechenfehler: Zypern Rettung muss neu aufgerollt werden

Lesezeit: 2 min
18.04.2013 11:59
Der Deutsche Bundestag hat der Zypern-„Rettung“ mit 478 Ja-Stimmen und 102 Gegenstimmen zugestimmt. Nun stellt sich heraus: Irgendjemand hat sich verrechnet. Zypern braucht 23 Milliarden Euro. Zehn Milliarden sind zuwenig.
Rechenfehler: Zypern Rettung muss neu aufgerollt werden

Mehr zum Thema:  
Europa >
Benachrichtigung über neue Artikel:  
Europa  

Am Mittwoch sprach EU-Kommissar Oli Rehn im Europaparlament davon, die Kommission wolle mehr „graduelle Anpassungen“ für Zypern erreichen. Was hinter dieser kryptischen Formulierung steckt, bedeutet im Klartext einen größeren „Bail-Out“.

Den Deutschen Bundestag haben die Ankündigungen nicht davon abgehalten, die Zypern-Rettung durchzuwinken. FDP, SPD und Grüne stimmten in bewährter Kritiklosigkeit mit CDU. Nur die Partei Die Linke stimmte gegen die 10 Milliarden Zahlung.

Nach dem großen Tohuwabohu der ersten Berechnungen der Kommission, der EZB und des IWF (kurz Troika), wurden für Zypern 17 Milliarden Euro für die „Zypern-Rettung“ veranschlagt. 10 Milliarden Euro „Hilfe“ standen als „Rettungspaket“ zur Debatte, wovon eine Milliarde Euro vom IWF kommen sollen. Die restlichen sieben Milliarden Euro sollte Zypern selbst aufbringen, durch den Verkauf der staatseigenen Goldbestände, durch „Einsparungen“ und Steuererhöhungen.

Hier im Einzelnen:

- Zwischen 6,5 und 12,5 weniger Gehalt für Staatsbedienstete,

- Rentenkürzungen um 3 Prozent,

- Zusätzliche Immobiliensteuern in Höhe von 70 Millionen Euro,

- Eine Erhöhung der Unternehmensteuer von 10 auf 12,5 Prozent,

- Erhöhung der Steuern für Tabak, Alkohol und Treibstoffe,

- Mehrwertsteuererhöhung von 17 Prozent auf 19 Prozent,

- Privatisierungen von Staatsbetrieben

In der vergangenen Woche stellt sich nun heraus, dass sich irgendjemand verrechnet haben musste. Zypern benötige nicht etwa 17 Milliarden Euro „Hilfe“, sondern insgesamt 23 Milliarden Euro.

Woher nun der „neue“ Differenzbetrag von sechs Milliarden Euro kommen soll, also insgesamt 13 Milliarden Euro Eigenanteil von Zypern, steht im wahrsten Sinn des Wortes „in den Sternen“.

Bei einem Fehlbetrag von insgesamt 13 Milliarden Euro hilft es bei weitem nicht, wenn EU-Kommissar Barroso in einem Brief dem zypriotischen Präsidenten seine persönliche Hilfe zusagt und 945 Millionen Euro aus dem versprochenen EU-Fonds früher als vorgesehen auszahlen will.

Die Zypern-Rettung wird nicht funktionieren, denn:

Die Insel hat bisher im Wesentlichen von ihrem hauseigenen Finanzsektor gelebt.

Der Lebensstandard der Zyprioten wird in absehbarer Zukunft drastisch sinken, die Arbeitslosigkeit massiv ansteigen.

Die Großbanken Laiki und Bank of Cyprus finanzierten bisher etwa 70 Prozent der zypriotischen Wirtschaft.

Die Schrumpfung der Wirtschaft von 5 bis 10 Prozent ist absehbar. Damit verbunden sind Einnahmeausfälle für den Staat Zypern. Olli Rehn hält sogar einen Schrumpfung um 15 Prozent für möglich.

Das hat auf Zypern den Effekt einer „Zombie-Wirtschaft“ zur Folge.

Denn ein alternatives Wirtschaftsmodell auf Zypern ist nicht in Sicht. Die Industrie hat einen Anteil an der Volkswirtschaft in Höhe von etwa 6 Prozent. Das bisherige Standbein „Finanzindustrie“ fällt ersatzlos weg. Dass der Tourismus den Niedergang der Wirtschaft kompensieren kann, steht außer Frage.

Im Umkehrschluss bedeutet es die Existenz einer Gesellschaft, die dauerhaft von Hilfsgeldern aus der EU und dem ESM-Rettungsschirm leben wird.

Während sich also Bundesfinanzminister Schäuble und die Abgeordneten heute im Bundestag die Situation in Zypern für das heimische Wahlvolk schön reden, so hat EU-Kommissar Oli Rehn die Wahrheit eher im Fokus, wenn er sagte:  „Die EU-Kommission will graduelle Nachbesserung für Zypern.“

Daraus ergibt sich die logische Schlussfolgerung: Der nächste  „Bail-Out“ kommt bestiimt, genauso wie in Griechenland. Wenn auch erst nach der Bundestagswahl.

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..


Mehr zum Thema:  
Europa >

DWN
Politik
Politik Verfassungsgericht stärken: Mehrheit der Parteien auf dem Weg zur Einigung?
28.03.2024

Das Verfassungsgericht soll gestärkt werden - gegen etwaige knappe Mehrheiten im Bundestag in aller Zukunft. Eine Einigung zeichnet sich...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Deutschlands maue Wirtschaftslage verhärtet sich
28.03.2024

Das DIW-Konjunkturbarometer enttäuscht und signalisiert dauerhafte wirtschaftliche Stagnation. Unterdessen blieb der erhoffte...

DWN
Politik
Politik Corona-Aufarbeitung: Lauterbach will RKI-Protokolle weitgehend entschwärzen
28.03.2024

Gesundheitsminister Karl Lauterbach hat angekündigt, dass einige der geschwärzten Stellen in den Corona-Protokollen des RKI aus der...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Brückeneinsturz in Baltimore trifft Importgeschäft der deutschen Autobauer
28.03.2024

Baltimore ist eine wichtige Drehscheibe für die deutschen Autobauer. Der Brückeneinsturz in einem der wichtigsten Häfen der...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft „Made in Germany“ ist wieder gefragt - deutsche Exporte steigen deutlich
28.03.2024

Der Außenhandel in Deutschland hat wider Erwarten zu Jahresbeginn deutlich Fahrt aufgenommen. Insgesamt verließen Waren im Wert von 135,6...

DWN
Finanzen
Finanzen Der Ukraine-Krieg macht's möglich: Euro-Bonds durch die Hintertür
28.03.2024

Die EU-Kommission versucht, mehr Macht an sich zu ziehen. Das Mittel der Wahl hierfür könnten gemeinsame Anleihen, sogenannte Euro-Bonds,...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Osterfreude und EM-Fieber: Hoffnungsschimmer für Einzelhandel
28.03.2024

Das Ostergeschäft verspricht eine Wende für den deutschen Einzelhandel - nach einem düsteren Februar. Wird die Frühlingshoffnung die...

DWN
Immobilien
Immobilien Immobilienkrise für Banken noch nicht überwunden
28.03.2024

Die deutschen (Pfandbrief-)Banken sind stark im Gewerbeimmobilien-Geschäft engagiert. Das macht sie anfällig für Preisrückgänge in dem...