Deutschland

Piraten: „Kein Mensch braucht nationalistische Kackscheiße von der AfD“

Das Europa-Programm der Piraten ist ein einziges, armseliger Phrasen-Gestammel. Kritik an den sozialen Zuständen in der EU gibt es nicht. In einem Video blitzt dagegen der neue Europäer auf, wie er nach dem Ebenbild Herman Van Rompuys erschaffen wurde. Das ist ziemlich abstoßend.
10.05.2013 16:42
Lesezeit: 2 min

Die Piraten sind eigentlich eine erfreuliche Erscheinung: Junge Leute, die sich bisher nicht für Politik interessiert haben, engagieren sich und mischen die erstarrte politische Szene auf. Sie kommen aus der virtuellen Bürgerrechts-Ecke - und sind daher eine natürliche Bereicherung der politischen Landschaft. Denn die etablierten Parteien interessiert am Internet vor allem, wie sie es nutzen können, um die Bürger auszuspionieren.

Daher hat man eigentlich auf die Piraten gewartet.

Leider treten sie auch nach Jahren des Agierens auf der politischen Bühne als ein Haufen desorientierter, halbinformierter und auch ziemlich undemokratischer Wirtshaus-Politiker.

Gut zu erkennen ist das an den europapolitischen Positionen der Piraten: Während von links bis rechts in Europa Bewegungen entstehen, die sich gegen einen bürokratischen Zentralismus in Brüssel aussprechen, gegen eine unsoziale Schuldenpolitik kämpfen oder gegen die schleichende Machtübernahme durch die Lobbyisten kämpfen, erreichen die Grundsatzpositionen der Piraten allenfalls den Differenzierungsgrad der EU-Arbeitsblätter für die Grundschule, herausgegeben von der Bundeszentrale für politische Bildung.

So liest man auf der Website der Partei einige Absätze zu Europa, die nicht im mindesten politisch sind. Es gibt kein Vorschläge zur Verbesserung, keine Kritik, kein Problembewusstsein. Inhaltsleere Phrasen, noch schlimmer als die Sätze von Merkel und Steinbrück oder Trittin.

Das klingt dann so:

Zum Europatag erinnert die Piratenpartei Deutschland daran, dass der europäische Einigungsprozess fortgeführt werden muss.

Wir brauchen eine gemeinsame Verfassung, auf die sich alle Menschen in Europa berufen können. Diese Verfassung muss unter Beteiligung Aller entstehen! So schaffen wir den letzten Sprung auf dem Weg vom einfachen Binnenmarkt zu einer echten Union, die uns allen ein Zuhause ist. Die Krise zeigt uns gerade, wie unfertig das Konstrukt ist. Wirtschaft, Demokratie, Entwicklung usw., es ist noch viel zu tun.

Im Hinblick auf Demokratie ist vor allem bei den Piraten selbst viel zu tun. In einem Video haben die Herrschaften nämlich die Arbeit ausgelagert (das nennt man heute Crowdsourcing, weil man die Leute für die Arbeit nicht bezahlen will oder kann).

In dem Video äußern sich Piraten aus aller Herren Länder. Die Aussagen sind gehaltvoll und können auf den kurzen Nenner gebracht werden: „Wir sind für Europa, weil wir lieber Krieg als Frieden haben.“

Kein kritischer Ton aus Griechenland - trotz 64 Prozent Jugendarbeitslosigkeit.

Keine Kritik aus Spanien - 50 Prozent Jugendarbeitslosigkeit.

Italien, Frankreich, Irland - kein Wort, dass die EU in ihrer derzeitigen Verfassung das Leben von Millionen Europäern ruiniert.

Kein Wort über den Mangel an Demokratie in der EU.

Zypern verwechseln die Piraten vermutlich mit Zytronen.

Den Vogel schießt, wen wundert's, der deutsche Sprecher ab. Herr Markus Barenhoff jubiliert vor einem Bürokraten-Palast ganz selig:

Ich find's total geil, dass wir auf einem Kontinent leben, wo es so viele unterschiedliche Kulturen gibt (...). Wir haben jetzt das Internet, wir wachsen immer mehr zusammen  und kein Mensch braucht mehr nationalistische Kackscheiße wie von der AfD. Also lasst uns zusammen ein geiles Europa bauen.

Das ist also der neue politische Stil einer Generation, die angetreten ist, um die Politikverdrossenheit zu beenden: Hier sind Arroganz, Kritiklosigkeit und Ahnungslosigkeit in zwei Sätze zusammengefasst. Hier kann man ahnen, wie Menschen werden, wenn sie jahrelanger Gehirnwäsche unterzogen werden und dann per Hartz IV am Laufen gehalten werden.

Hier haben wir einen Blick in der Europäer der Zukunft, wie Brüssel ihn sich wünscht.

Genauso ist der EU-Bürger, wie ihn die gesichtslosen Euro-Bürokraten durch ihre Verordnungen und Kontrollen zu deformieren suchen. Er ist der Archetyp, nach dem der Mensch durch die Propaganda-Maschine der EU geformt werden soll: Von des Gedankens Blässe in keiner Weise angekränkelt; unkritisch, stumpf und fröhlich. 

Erschütternd.

Beruhigend nur, dass die Kommentare unter dem Artikel kritisch sind.

Noch beruhigender, dass es nur ganz wenige Kommentare gibt.

Offenbar existiert die Piraten-Partei gar nicht mehr.

Zumindest nicht als ernsthafte politische Größe.

Wenn sie wirklich nur so leer sind wie ihre Positionen zu Europa - dann ist es auch besser so, dass sie ausschließlich an ihren Computerspielen hängen. So können sie wenigstens keinen Schaden anrichten.

Die politische Arbeit müssen dann eben andere machen.

Schade.

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

DWN
Finanzen
Finanzen Trumps Krypto-Coup: Milliarden für die Familienkasse
30.06.2025

Donald Trump lässt seine Kritiker verstummen – mit einer beispiellosen Krypto-Strategie. Während er Präsident ist, verdient seine...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Streit um Stromsteuer belastet Regierungskoalition
30.06.2025

In der Bundesregierung eskaliert der Streit um die Stromsteuer. Während Entlastungen versprochen waren, drohen sie nun auszubleiben –...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft PwC: Künstliche Intelligenz schafft Jobs nur für die, die vorbereitet sind
30.06.2025

Künstliche Intelligenz verdrängt keine Jobs – sie schafft neue, besser bezahlte Tätigkeiten. Doch Unternehmen müssen jetzt handeln,...

DWN
Unternehmen
Unternehmen United Internet-Aktie unter Druck: 1&1 reduziert Prognose
30.06.2025

1&1 senkt überraschend seine Gewinnprognose trotz zuletzt guter Börsenstimmung. Der Grund: deutlich höhere Kosten beim nationalen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Inflation in Deutschland sinkt im Juni auf 2,0 Prozent: Energiepreise entlasten
30.06.2025

Die Inflation in Deutschland hat im Juni einen überraschenden Tiefstand erreicht – doch nicht alle Preise sinken. Was bedeutet das für...

DWN
Politik
Politik Trumps Schritte im Nahen Osten: Nur der Anfang eines riskanten Spiels
30.06.2025

Donald Trump bombardiert den Iran, erklärt die Waffenruhe – und feiert sich selbst als Friedensbringer. Experten warnen: Das ist erst...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Raucherpause im Job: Ausstempeln erforderlich?
30.06.2025

Raucherpause im Job – ein kurzer Zug an der Zigarette, doch was sagt das Arbeitsrecht? Zwischen Ausstempeln, Betriebsvereinbarung und...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Lufthansa sichert sich Anteile an Air Baltic – trotz Bedenken
30.06.2025

Die Lufthansa steigt bei der lettischen Fluggesellschaft Air Baltic ein – jedoch nicht ohne Bedenken der Kartellwächter. Was bedeutet...