Politik

Nabucco-Projekt von Anfang an stark belastet

Lesezeit: 3 min
26.06.2013 16:07
Die geplante Nabucco-Pipeline ist gescheitert. Sie konnte ohne iranisches Gas gar nicht gebaut werden, sagten Analysten von Anfang an. Die Abhängigkeit Europas von Russland wird nun weiter zementiert. Gerhard Schröder (Gazprom-Lobbyist) feiert einen späten Sieg über seinen Erzfreund Joschka Fischer (Nabucco-Lobbyist).
Nabucco-Projekt von Anfang an stark belastet

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Seit 2002 arbeitete ein Konsortium bestehend aus der deutschen RWE, der österreichischen OMV, der ungarischen MOL, der bulgarischen Bulgargaz, der rumänischen Transgaz und der türkischen Botas an der Planung des Megaprojekts, welches im Vollbetrieb 30 Milliarden Kubikmeter Erdgas pro Jahr nach Europa transportieren soll mit vor allem einem Ziel: die europäische Abhängigkeit von russischem Erdgas zu verringern.

Über Jahre wurden Pläne geschmiedet, wie Europas Abhängigkeit von russischem Gas endlich überwunden werden kann. Die nun gescheiterte Nabucco-Pipeline war zweifelsohne das Flaggschiff-Projekt für dieses Vorhaben.

Die fast 4.000 Kilometer lange Pipeline sollte ab 2017 Erdgas vom Kaspischen Meer durch die Türkei, Bulgarien, Rumänien und Ungarn bis zum Verteiler nach Wien und damit in das europäische Gasnetz bringen. Mindestens 30 Milliarden Kubikmeter Erdgas pro Jahr hätten durch die Leitung gepumpt werden müssen, um die Wirtschaftlichkeit des Projektes zu garantieren. Doch es mangelte an verlässlichen Zulieferstaaten.

Eines dieser Länder war der Iran. US-Sanktionen und die vorherrschende politische Stimmung aus Angst vor einer Uran-Anreicherung haben jedoch dazu geführt, dass Teheran von Anfang an von den Verhandlungen um die Volumina der Pipeline ausgeschlossen war.

Iran ist reich an natürlichen Erdgasvorkommen. Bereits 2010 erklärte der ehemalige deutsche Bundeskanzler Schröder, dass die Nabucco-Pipeline ohne iranisches Gas nicht realisierbar sei. Pikant: Für das Nabucco-Projekt war Schröders alter Buddy Joschka Fischer als Lobbyist unterwegs. So fanden sich die Spitzen der rot-grünen Koalition am Tisch eines der größten Energie-Pokers als Kontrahenten wieder.

Schröders Rolle im Pipeline-Gambling bestand vor allem darin, Gazprom bei dem Bau der Nord-Stream-Pipeline zu beraten, welche seit November 2011 bis zu 55 Milliarden Kubikmeter Erdgas über 1.224 Kilometer von Wyborg in Russland nach Lubmin bei Greifswald durch die Ostsee transportiert. Der Ex-Kanzler ist also bestens qualifiziert, wenn auch nicht ganz unbefangen, Aussagen über den Inhalt von Gas-Pipelines zu treffen.

Durch die mit der Nabucco Pipeline direkt konkurrierende South-Stream-Pipeline von Gazprom wird sich die europäische Abhängigkeit von russischem Gas deutlich erhöhen. Der türkische Energieanalyst Serdar Iskender bestätigte bereits im März 2012 die Vorahnung Schröders: Es sei logistisch nicht möglich, das von dem Konsortium angestrebte Volumen von 30 Milliarden Kubikmeter pro Jahr ohne den Input von iranischem Gas zu erreichen.

Joschka Fischer war auf weitgehend unbekanntem Terrain tätig. Denn die Partnersuche für Nabucco gestaltete sich schwierig. Auch Aserbaidschan, ein weiterer gasreicher Staat, stand als Gaszulieferer von Nabucco zur Debatte. Von dem Autokraten Aliyev als erweiterter Familienbetrieb geführt ist das Land enorm reich an Erdgas. Doch im Januar 2012 willigte Aliyev ein, das Volumen der bestehenden Gaslieferverträge mit dem russischen Gas-Giganten Gazprom um die Hälfte zu erhöhen. Wie viel Gas nach den dann drei Milliarden Kubikmetern für andere Pipelines übrig bleiben würden, war unklar.

Zudem bestehen Ungewissheiten über den völkerrechtlichen Status des Kaspischen Meeres. Zum Teil ist es auch diese Ungewissheit, die Russland zu nutzen weiß, um die vorherrschende Hegemonie in ihrem „Hinterhof“ auszubauen und die anderen Anrainerstaaten politisch unter Druck zu setzen.

Auch im Irak gibt es reichliche Erdgasvorkommen. Aufgrund der nach wie vor instabilen politischen Situation südwestlich des Kaspischen Meeres ließ sich aber auch auf diese Quelle nicht langfristig bauen.

Die europäische Energiesicherheitspolitik konnte also entscheiden zwischen der Cholera und der Pest. Aufgrund der teilweise scheinbar bedingungslosen außenpolitischen Konvergenz zwischen US-amerikanischen und deutschen Interessen, insbesondere bei der Energiepolitik, schien diese Wahl von Anfang an klar.

Nabucco-Fan Fischer befand sich in diesem Konflikt in einem besonderen Dilemma: Konnte er als Steinewerfer der 68er-Generation noch nichts Gutes an den Amerikanern finden, wurde er während seiner Tätigkeit als Außenminister zum glühenden Transatlantiker. Ob ausgerechnet der gewandelte Fischer gegen die Amerikaner antreten würde, bezweifelten Beobachter in Brüssel von Anfang an.

Fischer, der in Umfragen immer vor Schröder lag, zog auf dem harten Parkett der wirtschaftspolitischen Interessen beim Energie-Poker den Kürzeren gegen den Ex-Kanzler aus Hannover zieht. Fischers Engagement für Nabucco wurde zum Kampf gegen Windmühlen. Denn weil es dabei aber nicht um erneuerbare Energien ging, war auch seine einschlägige Expertise als Grüner nur von geringem Nutzen.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Halbzeit Urlaub bei ROBINSON

Wie wäre es mit einem grandiosen Urlaub im Juni? Zur Halbzeit des Jahres einfach mal durchatmen und an einem Ort sein, wo dich ein...

DWN
Technologie
Technologie Der Chefredakteur kommentiert: Kleiner Blackout - kein neuer Strom mehr in Oranienburg! Echt jetzt?
19.04.2024

Liebe Leserinnen und Leser, jede Woche gibt es ein Thema, das uns in der DWN-Redaktion besonders beschäftigt und das wir oft auch...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Städtereisen neu entdeckt: Easyjet läutet Renaissance der Rollkoffer ein
19.04.2024

Vor genau 20 Jahren eroberte Easyjet mit seinen günstigen Flügen das Festland der EU. Der Start in Berlin-Schönefeld begann...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft G7-Außenministertreffen: Israel-Iran Konflikt überschattet Agenda
19.04.2024

Nach israelischem Angriff auf Iran: G7-Außenministertreffen auf Capri ändert Agenda. Diskussionen zu China und Cyber-Sicherheit werden...

DWN
Politik
Politik Forsa-Zahlen: Die Grünen unterliegen den Fliehkräften der Abwärtsspirale
19.04.2024

Und schon wieder eine Etage tiefer. Der Sog verstärkt sich und zieht die Partei Bündnis 90/Grüne immer weiter hinab in der Wählergunst....

DWN
Technologie
Technologie Sehnsuchtsort Mond – Wettlauf um Macht und Rohstoffe
19.04.2024

Forscher, Technologiefirmen und ganze Staaten streben nach neuen galaktischen Ufern. Der Mond lockt mit wertvollen Rohstoffen und dient...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Trotz Exportbeschränkungen: Deutsche Ausfuhren in den Iran gestiegen
19.04.2024

Deutsche Exporte in den Iran trotzen geopolitischen Spannungen: Anstieg trotz EU- und US-Sanktionen. Welche Kritikpunkte gibt es in diesem...

DWN
Politik
Politik Ukraine-Krieg: So ist die Lage
19.04.2024

Nach neuen Angriffen: USA und NATO erhöhen Unterstützung für Ukraine, während Russland seinen Machtanspruch verstärkt.

DWN
Immobilien
Immobilien Wie viel Immobilie kann ich mir 2024 leisten?
19.04.2024

Wie günstig ist die aktuelle Marktsituation für den Erwerb einer Immobilie? Auf welche Haupt-Faktoren sollten Kaufinteressenten momentan...