Politik

Hans-Werner Sinn: Deutschland ist kein Euro-Gewinner

Deutschland hat nicht von der Eurokrise profitiert. Nach der Einführung des Euros hatte Deutschland die niedrigsten Wachstumsraten in ganz Europa. Erst das Platzen der Kreditblase habe die Wirtschaft Europas aus dem Gleichgewicht gebracht. Die Krisenländer sollten kontrolliert aus dem Euro aus- und wieder eintreten dürfen.
23.07.2013 23:57
Lesezeit: 2 min

Der Präsident des Instituts für Wirtschaftsforschung (ifo) meldete sich in einem Artikel der FT zu Wort. Es sei falsch, Deutschland als Gewinner des Euros zu porträtieren, schreibt Hans-Werner Sinn. Die Behauptung, der Euro habe Deutschland geholfen, da Kapitalzuflüsse auf Kosten der südeuropäischen Länder in Deutschland zu Überschüssen geführt hätten, sei ein Trugschluss.

 „Diese Ansicht ist falsch. Die Ungleichgewichte in den Bilanzen entstehen durch Kapitalflüsse. Wenn das Kapital von einem Land A in ein Land B fließt, verlangsamt sich (das Wirtschaftswachstum in)  A und B erlebt einen Boom. Die Importe des boomenden Landes steigen, doch die steigenden Löhne dämpfen wiederum den Export."

In dem Land, aus dem das Kapital abgeflossen ist, laufe die Entwicklung in eine gegenteilige Richtung, schreibt Sinn. Hier sinken Importe und Löhne. Dies wiederum kann nach einiger Zeit das Wachstum und die Kapitalzuflüsse wieder ankurbeln.

Es sei daher „absurd zu behaupten, ein Land würde von Kapital-Überschuss profitieren oder ein Defizit erleiden“, so Sinn. Zudem war Deutschland zur Einführung des Euros der größte Kapitalexporteur in Europa und driftete in ein tiefes Loch. Nur ein Drittel des Ersparten wurde in Deutschland investiert. Daraus resultierten die niedrigsten Wachstumsraten in ganz Europa.

Stattdessen orientierten sich zahlreiche Investoren gen Südeuropa. Da die Risiken durch Wechselkurs-Schwankungen durch die Einführung des Euros sanken, verlangten die Investoren niedrigere Zinssätze für ihre Kredite, so Sinn. Die Folge waren Blasen wie die Immobilienblase in Spanien, die letztlich platzten.

Noch im Jahr 1995 habe Deutschland in Europa das zweigrößte BIP pro Kopf gehabt. Nun stehe Deutschland an siebter Stelle. Das sei keine Leistung eines „Euro-Gewinners“, so Hans-Werner Sinn.

Erst seitdem die Kreditblase in Südeuropa geplatzt sei, ginge es für Deutschland bergauf. Investitionen in den deutschen Immobiliensektor galten als sichere Geldanlage, verschärften aber das Ungleichgewicht in Europa.

Eine Vergemeinschaftung der Schulden sei aber der falsche Weg, um die Krise zu überstehen, schreibt Sinn. Das würde die Unterschiede in der Wettbewerbsfähigkeit nur verschärfen.

Man muss sich irgendwie durchschlagen. Das ist die einzige Lösung.“ Länder, die die Krise nicht überstehen, sollen die Möglichkeit bekommen, aus dem Euro auszuscheiden und später zu einem anderen Preis wieder einzutreten. In der Zwischenzeit könnten die Länder ihre Währung abwerten und Strukturreformen umsetzen. Das würde den Euro näher an das ehemalige Bretton-Woods-System heranführen, so Sinn.

Griechenland würde von einer solchen, „geordneten“ Lösung profitieren. Natürlich würde dies das Risiko für Investoren in die Höhe treiben. Aber das Risiko durch eine Vergemeinschaftung der europäischen Schulden sei „viel größer“. Aus welcher Perspektive man es auch immer betrachte, die Einführung von Eurobonds sei „unhaltbar“.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

DWN
Finanzen
Finanzen Trumps Krypto-Coup: Milliarden für die Familienkasse
30.06.2025

Donald Trump lässt seine Kritiker verstummen – mit einer beispiellosen Krypto-Strategie. Während er Präsident ist, verdient seine...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Streit um Stromsteuer belastet Regierungskoalition
30.06.2025

In der Bundesregierung eskaliert der Streit um die Stromsteuer. Während Entlastungen versprochen waren, drohen sie nun auszubleiben –...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft PwC: Künstliche Intelligenz schafft Jobs nur für die, die vorbereitet sind
30.06.2025

Künstliche Intelligenz verdrängt keine Jobs – sie schafft neue, besser bezahlte Tätigkeiten. Doch Unternehmen müssen jetzt handeln,...

DWN
Unternehmen
Unternehmen United Internet-Aktie unter Druck: 1&1 reduziert Prognose
30.06.2025

1&1 senkt überraschend seine Gewinnprognose trotz zuletzt guter Börsenstimmung. Der Grund: deutlich höhere Kosten beim nationalen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Inflation in Deutschland sinkt im Juni auf 2,0 Prozent: Energiepreise entlasten
30.06.2025

Die Inflation in Deutschland hat im Juni einen überraschenden Tiefstand erreicht – doch nicht alle Preise sinken. Was bedeutet das für...

DWN
Politik
Politik Trumps Schritte im Nahen Osten: Nur der Anfang eines riskanten Spiels
30.06.2025

Donald Trump bombardiert den Iran, erklärt die Waffenruhe – und feiert sich selbst als Friedensbringer. Experten warnen: Das ist erst...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Raucherpause im Job: Ausstempeln erforderlich?
30.06.2025

Raucherpause im Job – ein kurzer Zug an der Zigarette, doch was sagt das Arbeitsrecht? Zwischen Ausstempeln, Betriebsvereinbarung und...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Lufthansa sichert sich Anteile an Air Baltic – trotz Bedenken
30.06.2025

Die Lufthansa steigt bei der lettischen Fluggesellschaft Air Baltic ein – jedoch nicht ohne Bedenken der Kartellwächter. Was bedeutet...