Deutschland

Wichtiges Urteil: Bundestag muss durch Öffentlichkeit kontrolliert werden

In einem wegweisenden Urteil hat das Verwaltungsgericht entschieden, dass die Abgeordneten zum Deutschen Bundestag von der Öffentlichkeit kontrolliert werden müssen. Die Bundestags-Verwaltung ist für die Kontrolle der Abgeordneten nicht zuständig - daher bleiben nur Bürger und Medien als Kontrolleure.
25.08.2013 00:49
Lesezeit: 2 min

Der Reporter Nikolaus Harbusch von der Bild-Zeitung klagte erfolgreich vor Gericht auf Informationsauskunft gegen den deutschen Bundestag. Harbusch stellte vor kurzem eine Anfrage bei der Verwaltung des deutschen Bundestags.

Der Journalist wollte wissen, welche Abgeordneten im laufenden Jahr mehr als fünf Tablet-Computer oder ein Smartphone im Rahmen der „Sachleistungspauschale“ angeschafft hatten. Dabei bezog er sich auf das Informationsfreiheitsgesetz (IFG), wonach jeder Bürger ohne Angabe von Gründen Anspruch auf amtliche Informationen hat.

Die sogenannte „Sachleistungspauschale“  sieht Ausgaben in Höhe von 12.000 Euro pro Abgeordneten und Kalenderjahr für mandatsbedingte Kosten wie Bürokosten, Fahrtkosten und Mehraufwendungen vor. Diese Kosten werden mit der Bundestagsverwaltung abgerechnet und erstattet.

Die Bundestagsverwaltung schmetterte die Anfrage mit der Begründung ab, dass das freie Mandat eines jeden Abgeordneten eine Kontrolle von Ausgaben ausschließe und versuchte sich so aus der Affäre zu ziehen.

Der Journalist wollte sich damit jedoch nicht abfinden und zog vor Gericht. Das Verwaltungsgericht Berlin entschied nun am Donnerstag im Eilverfahren, dass die Begründung der Bundestagsverwaltung hinfällig ist.

Das freie Mandat besagt, dass ein Abgeordneter sein Mandat frei ausübt und außer seinem Gewissen niemandem verantwortlich ist. Demnach ist eine Kontrolle der Ausgaben auch nicht vorgesehen. Dadurch aber entsteht bisweilen ein Spannungsfeld zwischen dem freien Mandat eines Abgeordneten und seiner Anfälligkeit für Korruption und Veruntreuung.

Das Verwaltungsgericht argumentierte nun, dass gerade aus diesem Grund eine Freigabe der Informationen erfolgen müsse. Da die Ausgaben des Abgeordneten nicht durch die Verwaltung kontrolliert werden dürfen, könnte eine wirksame Kontrolle nur durch die Öffentlichkeit und die Presse geschehen. Zudem sei eine öffentliche Kontrolle im Hinblick auf Veruntreuung für das Ansehen des Parlaments unerlässlich.

Auch dem möglichen Argument des Bundestages, eine solche Informationsbeschaffung sei mit unzumutbarem Aufwand verbunden, schob das Gericht vorsorglich einen Riegel vor. Es sei Aufgabe der Verwaltung im Voraus organisatorische Abläufe zu schaffen, die eine schnelle und einfache Auskunft ermöglichen.

Aufgrund der bevorstehenden Bundestagswahlen und der vergleichbaren Skandale im Bayerischen Landtag, entschied das Gericht, dass ein Eilverfahren notwendig sei. Der Bundestag kann noch gegen den Beschluss am Oberverwaltungsgericht Berlin Brandenburg Beschwerde einlegen.

Was kein Gericht jedoch entscheiden kann, ist, dass die Abgeordneten sich nicht, wie etwa bei der ESM-Entscheidung, in Sachfragen viel zu oft einfach hinter dem Fraktionszwang verstecken und Denken und Moral an der Garderobe abgeben. Bei der ESM-Abstimmung hatten die DMN ermittelt, dass 431 Abgeordnete keine eigene Meinung zu dieser epochalen Entscheidung hatten.

Bei vielen anderen Abstimmung ist es nicht anders, obwohl es ganz anders sein sollte.

Das Gewissen sollte sie leiten, der Anstand sollte sie verpflichten, sich sachkundig zu machen und nicht von Parteien-Propaganda in die Irre leiten zu lassen.

Auch das muss die Öffentlichkeit aufdecken.

Beharrlich, unnachgiebig, schonungslos.

Dazu braucht es kein Gericht.

Da ist das Gewissen gefragt.

Bei allen Deutschen.

 

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Unternehmen
Unternehmen Shitstorm im Joballtag: Hate Speech am Arbeitsplatz explodiert – was Unternehmen jetzt tun müssen
11.07.2025

Hassrede hat den Mittelstand erreicht – von Social Media bis ins Kundengespräch. Wo endet Meinungsfreiheit, wo beginnt...

DWN
Politik
Politik Milliardenschwere Steuerentlastungen für Unternehmen: Bundesrat macht Weg frei für Wachstumspaket
11.07.2025

Deutschland steht wirtschaftlich unter Druck. Das Wachstumspaket der Bundesregierung soll neue Investitionen anregen und Unternehmen...

DWN
Finanzen
Finanzen Goldpreis aktuell im Plus: Zwischen Zollstreit, Zinspolitik und charttechnischer Entscheidung
11.07.2025

Der Goldpreis schwankt – zwischen geopolitischer Unsicherheit, robuster US-Wirtschaft und charttechnischen Signalen. Anleger fragen sich:...

DWN
Politik
Politik Generälin über Krieg mit Russland: Ist Lettland die Schwachstelle der NATO?
11.07.2025

NATO-Generälin Jette Albinus rechnet mit russischem Angriff auf Lettland. Der Einsatz wäre kein Afghanistanszenario – sondern ein Kampf...

DWN
Finanzen
Finanzen DAX-Kurs unter Druck: Sorgen um US-Zölle dämpfen Rekordlaune
11.07.2025

Nach seinem Rekordhoch gerät der DAX-Kurs zum Wochenausklang unter Druck. Drohende Zölle aus den USA und schwache Unternehmensdaten...

DWN
Politik
Politik Zölle auf Wein? Deutsche Winzer blicken mit Sorge auf mögliche US-Zölle
11.07.2025

Strafzölle in Höhe von 200 Prozent auf Weinimporte aus der EU – mit diesem Szenario hatte US-Präsident Donald Trump noch im April...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Insolvenzen: Deutschlands Pleitewelle hält an – ein Blick auf Ursachen und Folgen
11.07.2025

Die Zahl der Insolvenzen in Deutschland steigt weiter – wenn auch etwas langsamer. Trotzdem deuten aktuelle Daten auf tiefgreifende...

DWN
Politik
Politik Trump kündigt Erklärung zu Russland an – neue Dynamik oder taktisches Manöver?
11.07.2025

Ein Treffen in Malaysia, neue russische Vorschläge und Trumps Ankündigung einer großen Russland-Erklärung: Zeichnet sich eine Wende im...