Deutschland

Geld vom Staat sorgt für Ruhe bei der Jugend in Deutschland

Die deutsche Jugend ist nicht armutsgefährdet. Wer keine oder nur gering bezahlte Arbeit hat, wird von den finanzkräftigen Eltern oder vom Staat unterstützt. Die Hilfen heißen Bafög, Hartz 4, Erasmus oder Hotel Mama. Der Staat versucht so, den sozialen Frieden sicherzustellen und die Zahlen der Jugend-Arbeitslosigkeit zu drücken. Eine nachhaltige Politik ist das nicht.
27.10.2013 02:54
Lesezeit: 3 min

Die Einkommen der deutschen Jugend sind kaum schlechter als bei den älteren Bürgern. Zahlreiche Förderungen sollen den sozialen Frieden sichern. Außerdem werden die Eltern gezwungen, ihre Kinder deutlich länger zu unterstützen als früher.

Dennoch steigt die Armut in Deutschland deutlich. Der größte Anstieg ist bei Rentnern zu verzeichnen.

Circa 13 Millionen Personen waren im Jahr 2011 in Deutschland armutsgefährdet, so das Statistische Bundesamt. Damit erhöhte sich deren Anteil an der Gesamtbevölkerung auf 16,1 Prozent nach 15,8 Prozent im Jahr zuvor.

Unter den 18 bis 24-Jährigen gelten 20,7 Prozent als armutsgefährdet. Das heißt, die große Mehrheit in dieser Altersgruppe verfügt über ein Einkommen von mehr als 60 Prozent des mittleren Einkommens in der Gesamtbevölkerung.

Als armutsgefährdet gilt, wer über weniger als 60 Prozent des mittleren Netto-Einkommens in der Gesamtbevölkerung verfügt. Im Jahr 2011 lag dieser Schwellenwert der Armutsgefährdung für eine allein lebende Person bei 980 Euro im Monat. Für zwei Erwachsene mit zwei Kindern unter 14 Jahren bei lag der Schwellenwert bei 2.058 Euro im Monat.

Die Rechnung beruht auf einem mittleren Netto-Einkommen von 1.633 Euro. Im Jahr 2007 lag das mittlere Monatseinkommen bei 1.526 Euro. Dies entspricht einem Anstieg von 1,37 Prozent pro Jahr. Die Entwicklung der mittleren Einkommen hat nicht mit der Inflation mitgehalten. Real sind die mittleren Einkommen geschrumpft.

Bei Personen, die in Haushalten von überwiegend Arbeitslosen lebten, ist das Armutsrisiko mit 69,3 Prozent besonders groß. Personen in Haushalten, deren Einkommen überwiegend aus Renten oder Pensionen bestanden, waren zu 15,1 Prozent von Armut gefährdet.

Bei den Alleinerziehenden und ihren Kindern waren mehr als ein Drittel (38,8%) armutsgefährdet. Trotz massiver Sozialleistungen weisen Alleinerziehende und deren Kinder unter allen Haushaltstypen das höchste Armutsrisiko auf.

Doch nicht Kinder an sich sind in Deutschland ein Armutsrisiko, sondern das Alleinerziehen. Dies kommt in dem niedrigen Armutsrisiko bei Paaren mit Kindern zum Ausdruck: Die Armutsgefährdung für Paare mit einem Kind lag bei 10,6 Prozent. Paare mit zwei Kindern sind sogar weniger armutsgefährdet (7,7%) als Paare ohne Kinder (10,9%).

Nicht nur das Single-Leben mit Kind ist ein höheres Armutsrisiko, sondern auch das Single-Leben ohne Kind. Alleinlebende ohne Kinder sind zu 32,4 Prozent von Armut gefährdet. Beständigere Paarbeziehungen könnten folglich die finanziellen Lebensverhältnisse in Deutschland massiv verbessern.

Die in der Statistik zur Armutsgefährdung sich zeigende gute finanzielle Situation der 18- bis 24-Jährigen erklärt sich vor allem daraus, dass sie finanziell von ihren Eltern unterstützt werden. Fast zwei Drittel von ihnen (64%) wohnen noch bei den Eltern, so das Statistische Bundesamt. Die jungen Erwachsenen müssen daher in den meisten Fällen auch keine Miete zahlen.

Von den 4,9 Millionen Jugendlichen im Alter von 20 bis 24 Jahren waren im vergangenen Jahr 3,1 Millionen erwerbstätig, so das Statistische Bundesamt. 1,5 Millionen in dieser Altersgruppe suchten keine Arbeit, meist, weil sie studieren. Nur 263.000 waren erwerbslos, was eine Erwerbslosenquote von 7,8 Prozent ergibt.

Zwar empfehlen die Jobcenter den Arbeitslosen, weniger Fleisch zu essen und nur noch Leitungswasser zu trinken (mehr hier). Doch in jungen Jahren kann man aus rein finanzieller Sicht von Hartz 4 besser leben als in einer Lebensphase, wo es bereits familiäre Verpflichtungen gibt. Meist ist noch kein Vermögen vorhanden, das erst aufgebraucht werden müsste, um Arbeitslosengeld II zu erhalten. Der Regelsatz steigt zum 1. Januar kommenden Jahres auf 391 Euro. Hinzu kommen erhebliche Zahlungen für das Wohnen.

Junge Leute, die studieren wollen, aber keine finanzkräftigen Eltern haben, erhalten finanzielle Unterstützung vom Staat. Im Jahr 2012 erhielten in Deutschland 671.000 Studenten Bafög. Der Höchstsatz für Studenten mit eigenem Hausstand beträgt aktuell 670 Euro. Diese Studienkredite müssen nur zum Teil zurückgezahlt werden, wenn der Geförderte irgendwann einen Job hat.

Hinzu kommen großzügige EU-Förderprogramme wie das Erasmus-Stipendium: Im Vorjahr bezogen etwa 33.000 Deutsche Studenten Fördergelder aus Brüssel, in ganz Europa liegt die Zahl bei 250.000 Studenten.

Hinzu kommen zahlreichen Studenten-Jobs, die jedoch meist im Billig-Lohn-Segment angesiedelt sind. Ältere Arbeitnehmer können sich diese Jobs oft wegen der existierenden finanziellen Belastungen nicht leisten.

Diese Politik der Ruhigstellung durch staatliche Finanzierung ist jedoch kein nachhaltiges Konzept: Sie führt dazu, dass die Jugendlichen ihre private Finanzierung auf staatliche Leistungen und zahlungskräftige Eltern aufbauen müssen. Beide Säulen sind durch Rezession und Überschuldung akut gefährdet.

Sollte sich die Schuldenkrise verschärfen, dürfte es auch in Deutschland schnell mit dem sozialen Frieden vorbei sein.

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