Politik

Sieg der Konzerne: WTO-Staaten beschließen Handelsabkommen

Die 159 Staaten der Welthandelsorganisation haben weitreichende Vereinbarungen getroffen. Handelsschranken und Subventionen sollen abgebaut werden. Zuletzt ließen auch die Schwellen- und Entwicklungsländer ihre Einwände fallen. Vor allem die großen Konzerne werden von dem Deal profitieren.
06.12.2013 18:24
Lesezeit: 2 min

Indien hat den Weg für einen historischen Durchbruch bei der Welthandelskonferenz auf Bali geebnet. Damit wurde die größte Hürde für eine weitreichende Vereinbarung zum Abbau von Handelsschranken rund um den Globus beiseite geräumt.

Sein Land stimme dem Entwurf für ein Abkommen zum Abschluss der Verhandlungen der Welthandelsorganisation (WTO) auf Bali zu, sagte der indische Handelsminister Anand Sharma am Freitag. Es sei ein Sieg für die WTO und die Weltgemeinschaft, sich auf eine Lösung geeinigt zu haben.

Mit einem Abkommen der zuständigen Minister aus den 159 Ländern der Welthandelsorganisation gelänge erstmals seit der WTO-Gründung 1995 eine bahnbrechende Vereinbarung. Neben Handelserleichterungen umfasst sie Regeln zum Abbau von Subventionen im Agrarhandel und Verbesserungen für die Entwicklungsländer beim Warenaustausch.

Tagelang hatte Indien eine Einigung blockiert, weil das Land sich nicht auf eine von den USA und anderen Ländern geforderte zeitliche Begrenzung von Subventionen im Nahrungsmittelbereich einlassen wollte. Das nach China bevölkerungsreichste Land der Erde pochte darauf, mit staatlichen Finanzhilfen die Versorgung von Millionen Menschen mit Nahrungsmitteln sicherstellen zu können.

Mit dieser Haltung konnte die indische Regierung nach eigenen Angaben die Unterstützung von immer mehr Schwellen- und Entwicklungsländern aus Afrika, Asien und Südamerika gewinnen. Handels- und Industrieminister Anand Sharma sagte: „Länder mit vermutlich mehr als drei Viertel der Weltbevölkerung stehen in dieser Frage hinter Indien“.

Indiens Regierung plant im kommenden Jahr nicht zuletzt mit Blick auf die kommende Wahl ein umfassendes Wohlfahrtsprogramm. Damit sollen 800 Millionen bedürftige Menschen zu niedrigen Preisen mit Nahrungsmitteln versorgt werden, die die Regierung vorher aufgekauft hat.

Dieses Programm könnte nach Darstellung von Regierungsvertretern in Gefahr kommen, wenn staatliche Finanzhilfen im Agrarbereich auf 10 Prozent der Produktion begrenzt würden. Ein Vorschlag der USA zielte darauf ab, die Subventionen bis 2017 zu befristen.

Den Bedenken Indiens soll entgegengekommen werden, in dem Entwicklungsländer Ausnahmen von den Begrenzungen für Agrar-Subventionen gewährt werden, wenn es um die Sicherung der Nahrungsmittelversorgung für große Teile der Bevölkerung geht.

Abseits des multilateralen Weges, der mit der Bali-Konferenz Auftrieb erhalten hat, treiben seit geraumer Zeit gerade die großen Industrie- und Schwellenländer den Weg bilateraler Freihandelsabkommen voran - wobei die ärmsten Länder dabei außen vor zu bleiben drohen. Am prominentesten sind die im Sommer begonnenen Gespräche zwischen der EU und den USA über eine transatlantische Freihandelszone (mehr hier).

Bei einem bilateralen Freihandelsabkommen mit Indien hat die Schweizer Regierung kürzlich den Schutz der Patente vergessen. Pharma-, Chemie- und Uhrenindustrie müssen nun um ihr geistiges Eigentum fürchten (mehr hier).

Deutschland würde als Exportriese in der Welt von umfassenden globalen Handelserleichterungen besonders profitieren. Daher betonten Vertreter der deutschen Wirtschaft wiederholt, wie hoch sie einen Erfolg der Bali-Gespräche gerade für die hiesige Industrie veranschlagen.

Einer der entscheidenden Punkte bei Freihandelsabkommen ist in der Regel der Umgang mit den sogenannten Investment-Schutzklauseln. Diese Klauseln sollen sicherstellen, dass ein Unternehmen, welches in einem Land investiert, gewisse Sicherheiten erhält, sodass eine Investition nicht willkürlich vom jeweiligen „Gastland“ gefährdet wird.

Vor allem multinationale Konzerne können sich praktisch unbegrenzt an Staaten schadlos halten, wenn sie behaupten, dass ihre Investments durch falsche Behörden-Entscheidungen, neue Gesetze oder lästige Bürgerinitiativen an Wert verloren haben.

Die Ebene, auf der Streitigkeiten zwischen Staaten und internationalen Unternehmen ausgetragen werden, sind Schiedsgerichte: Die Staaten und die Unternehmen einigen sich, Rechtsstreitigkeiten auf außergerichtlichem Wege beizulegen.

Denn der Rechtsweg ist für ein internationales Unternehmen oft mühsam und mit erheblichen Risiken verbunden. Schließlich ist ein ordentliches Gericht für einen Staat meist eine Art Heimspiel, während sich der Investor mit einem ihm fremden Rechtssystem in fremder Sprache herumschlagen muss.

Für viele Staaten ist das eine sehr gefährliche Entwicklung: Vor den Schiedsgerichten werden zwar formal Sachverhalte auf Basis des Völkerrechts diskutiert. Doch das Ergebnis ist nicht ein Urteil durch ein unabhängiges Gericht, sondern ein Deal zwischen den Parteien. Fällt das Ergebnis zum Nachteil der Staaten und der Steuerzahler aus, haben diese keine Möglichkeit mehr, gegen den Deal Berufung einzulegen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Schnell noch ins LIVE-WEBINAR reinklicken: Ist Bitcoin das neue Gold? – Chancen, Risiken und Perspektiven

Inflation, Staatsverschuldung, geopolitische Unsicherheiten: Viele Anleger fragen sich, wie sie ihr Vermögen in Zeiten wachsender...

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Finanzen
Finanzen Fondsmanager warnt: „Gold ist noch immer unterbewertet“
05.06.2025

Der Goldpreis explodiert – doch laut Fondsmanager Erik Strand ist das Edelmetall noch immer unterbewertet. Die wahre Blase?...

DWN
Panorama
Panorama Stromanbieterwechsel 2025: Neue Fristen ab 6. Juni – wichtige Tipps
05.06.2025

Ein Stromanbieterwechsel soll ab dem 6. Juni deutlich schneller gehen – das klingt gut, hat aber Tücken. Welche Chancen und Risiken...

DWN
Finanzen
Finanzen Altersarmut wächst: Jede sechste Rentnerin in Deutschland lebt in Altersarmut
05.06.2025

Die neuen Zahlen zur Altersarmut in Deutschland sind alarmierend: 2,1 Millionen Rentnerinnen und 1,3 Millionen Rentner leben unterhalb der...

DWN
Finanzen
Finanzen EZB stützt Konjunktur mit achter Zinssenkung seit Juni 2024
05.06.2025

Die von hohen US-Zöllen bedrohte Wirtschaft im Euroraum darf auf günstigere Kredite hoffen: Zum achten Mal seit Juni 2024 senkt die...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Erneut mehr Aufträge in der Industrie - Experte: mögliche Trendwende
05.06.2025

In der deutschen Industrie mehren sich Hinweise auf ein Ende der Schwächephase. Im April haben die Industriebetriebe den zweiten Monat in...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Börsenboom trotz Pleitewirtschaft: Drei Konzerne täuschen die deutsche Stärke vor
05.06.2025

Während die deutsche Wirtschaft stagniert und die Industrie schwächelt, feiert die Börse Rekorde. Doch hinter dem Höhenflug stecken nur...

DWN
Technologie
Technologie Wenn die künstliche Intelligenz lügt: Wie Sie sich schützen und was KI-Versicherungen bringen?
05.06.2025

Chatbots erfinden Fakten, ruinieren Verträge und blamieren Konzerne – und die Industrie weiß: Das Problem ist nicht lösbar. Jetzt...

DWN
Politik
Politik Altersvorsorgedepot: Kommt die Frühstart-Rente? Zehn Euro pro Monat für jedes Kind geplant
05.06.2025

Die neue Regierung aus Union und SPD plant die Einführung einer Frühstart-Rente ab 2026. Laut Koalitionsvertrag sollen für jedes Kind...