Politik

Türkei: Justiz stärkt die Armee gegen Premier Erdoğan

Die im Zuge des Ergenekon-Verschwörungsprozesses inhaftierten Militärs und Journalisten in der Türkei können auf Neuverhandlungen hoffen. Die Beweisführung soll bewusst Dokumente gefälscht haben, um sie hinter Gitter zu bringen. Die Aktion der Justiz stärkt das Militär und schwächt Premier Erdoğan.
07.01.2014 00:41
Lesezeit: 1 min

Offenbar sollen die Putschisten-Prozesse in der Türkei neu aufgerollt werden. Der Präsident des Anwaltskammerverbandes der Türkei (TBB), Metin Feyzioğlu, hatte sich höchstpersönlich bei Premierminister Erdoğan für diesen Schritt eingesetzt.

Feyzioğlu sagte den Financial Times, dass er einen „starken politischen Willen“ zur Eröffnung von Neuverhandlungen erkenne.

„Aus unserer Sicht bestehen keine Probleme auf dem Weg zu Neuverhandlungen“, zitiert die Hürriyet Erdoğan. Damit können die insgesamt 300 inhaftierten Militärs und Journalisten neue Hoffnung schöpfen. Freisprüche sind möglich.

Am Donnerstag hatte der türkische Generalstab Strafanzeige gegen Unbekannt bei der Oberstaatsanwaltschaft in Ankara gestellt. Auslöser dieses Schritts waren Aussagen des Erdoğan-Beraters Yalçın Akdoğan, wonach die türkischen Militärs einem Komplott zum Opfer gefallen sein sollen, berichtet Milliyet.

Zahlreiche Beweismaterialien bei den Putschisten-Prozessen seien gefälscht worden. Der britische Journalist Gareth H. Jenkins konnte diesen Vorwurf schon 2009 in einer detaillierten Analyse bestätigen. Die Analyse wurde von der John Hopkins Universität und das Stockholmer Institut für Sicherheit und Entwicklungs-Politik in Auftrag gegeben und bezieht sich auf den Ergenekon-Prozess.

Beim „Vorschlaghammer-Prozess“ gegen weitere Militärs stellte die Staatsanwaltschaft ein Planspiel der türkischen Armee als Putschversuch dar, berichtet Reuters.

Die Neuaustragung ist eine Überraschung: Erdoğan  hatte die Verschwörung als wichtigen Teil seiner Strategie zur Eindämmung der Macht der Armee benutzt. Mit der Verhaftung von zahlreichen Generälen hatte Erdoğan  als ersten Premier einen Schlag gegen das Militär landen können.

Nun werden die Karten neu gemischt.

Das ist nicht besonders erfreulich für den Premier, der plötzlich eine weitere Front erkennen muss - die einer scheinbar schon domestizierten Armee.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Politik
Politik Putins Imperium zerbröckelt: Aserbaidschan demütigt den Kreml – mit Hilfe der Türkei
10.07.2025

Aserbaidschan widersetzt sich offen Moskau, schließt russische Propagandakanäle und greift zur Verhaftung von Russen – ein Tabubruch in...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Neues Gasfeld vor Zypern könnte Europas Energiestrategie neu ausrichten
10.07.2025

Ein neues Erdgasfeld vor Zypern könnte zum Wendepunkt in Europas Energiepolitik werden.

DWN
Unternehmen
Unternehmen Baywa Milliardenverlust: Jahreszahlen zeigen das ganze Ausmaß der Krise beim Mischkonzern
10.07.2025

Jetzt ist der Milliardenverlust bei der Baywa amtlich: Das Minus von 1,6 Milliarden Euro ist vor allem auf Abschreibungen bei der...

DWN
Finanzen
Finanzen Trumps Rechnung für die Private-Equity-Branche: 79 Milliarden
10.07.2025

Donald Trumps Zollkurs und globale Kriege setzen der Private-Equity-Branche massiv zu. Was hinter dem dramatischen Kapitalschwund steckt...

DWN
Politik
Politik „Kleiner Lichtblick für die Ukraine“ nach Trumps Kehrtwende
10.07.2025

Der Kurswechsel der USA beim Waffenlieferprogramm für die Ukraine dürfte die Gespräche europäischer Staats- und Regierungschefs in...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Ostdeutsche Betriebsräte fordern Ende von Habecks Energiewende: Industriestandort gefährdet
10.07.2025

Nach dem Verlust von über 100.000 Industriearbeitsplätzen richten ostdeutsche Betriebsräte einen dramatischen Appell an Kanzler Merz....

DWN
Finanzen
Finanzen US-Schuldenkrise: Droht der Dollar-Kollaps? Was Anleger jetzt wissen müssen
10.07.2025

Die USA spielen mit dem Feuer: Zölle, Dollar-Schwächung und wachsende Schulden bedrohen das globale Finanzsystem. Doch es gibt Strategien...

DWN
Finanzen
Finanzen Hochsteuerland: Staat zockt Menschen ab - Von einem Euro bleiben Arbeitnehmern nur 47 Cent
10.07.2025

Bis zum 13. Juli arbeiten die Menschen in Deutschland in diesem Jahr nach Angaben des Bundes der Steuerzahler für die Staatskasse. Der...