Politik

EU täuscht die Bürger und frisst plötzlich Kreide beim Freihandel

Die EU will die Verhandlungen zum Freihandels-Abkommen mit den USA öffentlichkeitswirksam unterbrechen. Der Grund: der öffentliche Druck der EU-Bürger wegen der Aushebelung der nationalen Gerichtsbarkeit. Die EU möchte vor den EU-Wahlen keinen Ärger. Tatsächlich riecht die Aktion nach einer gefährlichen Finte.
21.01.2014 15:43
Lesezeit: 1 min

Im Zuge der Gespräche über ein Freihandelsabkommen mit den USA unterbricht die EU-Kommission die Verhandlungen über den umstrittenen Investitionsschutz. Worum es bei dieser zentralen Frage über den Stellenwert von nationalen Gerichten geht – hier. Das Freihandelsabkommen mit Kanada ist bereits abgeschlossen. Ob der ordentliche Rechtsweg dort bereits zur Folklore erklärt wurde, ist unbekannt: Die Vertragspartner halten das Abkommen unter Verschluss – hier.

In einer Konsultationsphase von drei Monaten sollten erst die Meinungen von Beteiligten auf EU-Seite eingeholt werden, teilte Handelskommissar Karel de Gucht mit großem Pathos am Dienstag in Brüssel mit. Die Entscheidung folge dem „beispiellosen öffentlichen Interesse“ an den Gesprächen. In der Zwischenzeit solle eine Balance zwischen europäischen Interessen im Investitionsbereich und dem Recht der Regierungen auf Regulierung gesichert werden. Anfang März will de Gucht ein Papier vorlegen, das auf die offenen Fragen eingeht. Die Gespräche über andere Teile des Freihandelsabkommens TTIP laufen ganz normal weiter.

Tatsächlich kann man davon ausgehen, dass die „Aussetzung“ nichts anderes als eine taktische Finte ist, um das Thema vor der EU-Wahl im Frühjahr 2014 aus den Schlagzeilen zu halten. Deshalb haben die Kommissare Kreide gefressen und versuchen den Eindruck zu erwecken, als würde sie das öffentliche Interesse in diesem Punkt besonders beeindrucken.

Das ist ein Witz.

Zu „verhandeln“ gibt es in diesem Punkt ohnehin nichts: Solche Investitionsschutzklauseln sind Standard-Formulierungen, die man zwei Minuten vor der Unterschrift noch einfügen kann. Es kommt nur auf den Willen der Parteien an. Und dieser Wille müsste im Fall der EU vorher und öffentlich gebildet werden. Es ist ein Unding, dass von niemandem gewählte Funktionäre „im Namen des europäischen Volkes“ mit der Privatwirtschaft über die Grundwerte wie Rechtsstaatlichkeit und Bürgerbeteiligung in Europa verhandeln.

Gerade die jetzt mit Pathos verkündete Pause sollte die Europäer besonders misstrauisch machen: Offenbar sind weitreichende rechtliche Einschränkungen für die Bürger zu befürchten. Sonst müsste die Kommission bei diesem Punkt nicht herumeiern: Hierzu braucht man keine teuren Berater auf Steuerzahler-Kosten. Man braucht nur Hausverstand, juristische Grundkenntnisse und etwas Charakter. Doch in dieser Hinsicht herrscht in Brüssel schon länger eine schmerzhafte Deflation.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Immer mehr XRP- und ETH-Inhaber wenden sich still und leise an OPTO-Miner, um 3.000 Dollar pro Tag zu verdienen

Im derzeit unberechenbaren Kryptomarkt entscheiden sich immer mehr Anleger dafür, langsamer zu werden und sich nicht mehr von...

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft OPEC+ erhöht Förderung deutlich – Ölpreise unter Druck
09.07.2025

Die OPEC+ überrascht mit einer weit stärkeren Förderausweitung als erwartet – mit möglichen Folgen für die Weltwirtschaft,...

DWN
Technologie
Technologie Rekordfahrt auf Strom: Lucid überquert Alpen – E-Auto schafft 1205 Kilometer
09.07.2025

Ein neuer Reichweitenrekord zeigt, wie leistungsfähig moderne Elektroautos inzwischen sind: Ein Fahrzeug des US-Herstellers Lucid hat mit...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Wirtschaft und KI: Jeder zweite Arbeitnehmer zweifelt an Deutschlands wirtschaftlicher Zukunft
09.07.2025

Eine aktuelle Umfrage zeigt: Viele Beschäftigte sind skeptisch, ob Deutschland im Zeitalter der künstlichen Intelligenz wirtschaftlich...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Grünes Image unter Druck: EU plant strengere Regeln für Umweltwerbung
09.07.2025

Begriffe wie „klimaneutral“ oder „biologisch abbaubar“ begegnen Verbraucherinnen und Verbrauchern inzwischen fast überall – von...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Deutschlands 500-Milliarden-Euro-Infrastrukturplan: Eine Chance für europäische Bauunternehmen?
09.07.2025

Deutschland plant das größte Infrastrukturprogramm seiner Geschichte. Doch es fehlen Bauarbeiter. Können andere europäische Firmen und...

DWN
Finanzen
Finanzen Bitcoin-Kurs stabil trotzt Milliardenbewegung: Anleger bleiben dennoch vorsichtig
08.07.2025

80.000 Bitcoin aus der Satoshi-Ära wurden bewegt – doch der Bitcoin-Kurs blieb stabil. Was hinter dem Rätsel steckt, warum Investoren...

DWN
Politik
Politik Steinmeier drängt auf mehr gemeinsame Rüstungsprojekte in Europa
08.07.2025

Bei seinem Besuch in Lettland hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier für mehr Zusammenarbeit in der europäischen...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Schwäche in China bremst Porsche: Absatz geht im ersten Halbjahr zurück
08.07.2025

Porsche muss im ersten Halbjahr 2025 einen spürbaren Rückgang beim Fahrzeugabsatz hinnehmen. Besonders in China läuft das Geschäft...