Finanzen

Stress-Test: EU senkt Anforderungen für Banken

Als Grundlage für den Stresstest werden 5,5 Prozent als Eigenkapitalquote festgesetzt. Die EZB hatte 6 Prozent Eigenkapitalquote vorgeschlagen, konnte sich damit jedoch nicht durchsetzen. Wie Staatsanleihen und faule Kredite bewertet werden, bleibt dagegen unklar.
01.02.2014 00:07
Lesezeit: 2 min

Im Frühjahr und Sommer 2014 sollen von der Europäische Bankenaufsicht (EBA) in London 124 Banken aus 22 EU-Ländern einem Stresstest unterworfen werden, darunter 104 Institute aus Mitgliedsländern in der Eurozone. In Deutschland werden 23 Banken im Hinblick auf die Kapitalausstattungen geprüft.

Wie genau Stress-Szenarien beschaffen sein sollen, wird spätestens im Mai 2014 bekannt gegeben, berichtet meldet die Nachrichtenagentur Reuters.

Der Stresstest soll unter dem Szenario eines möglichen Konjunkturabschwungs und in diesem Zusammenhang möglicher Kreditausfälle sowie des Anstiegs für Zinsen für Staatsanleihen als auch Refinanzierungsschwierigkeiten und Problemen bei verbrieften Wertpapieren stattfinden.

Dabei sollen die jeweiligen nationalen Bankenaufseher die Möglichkeit haben, zusätzliche „Stress-Kriterien“ für ihre heimischen Banken festzulegen.

Als Grundlage für den Test werden 5,5 Prozent als Eigenkapitalquote festgesetzt. Die EZB hatte unlängst 6 Prozent Eigenkapitalquote vorgeschlagen, konnte sich damit jedoch offenbar nicht durchsetzen.

Im Fokus sollen nach Angaben der EBA vor allem die spanische Banco Santander, die französische BNP Paribas, die Deutsche Bank, die britische Barclays und die Royal Bank of Scotland stehen.

Dirk Schoenmaker, ein niederländischer Bankenexperte, hatte jüngst in einer OECD-Untersuchung mittels von ihm festgesetzten Bewertungskriterien Kapitallücken von 84 bis zu 300 Milliarden Euro errechnet. Dabei stellte er insbesondere große Schwachstellen bei der Deutschen Bank, der Commerzbank und der französischen Bank Crédit Agricole fest.

Nach einer anderen Analyse – herausgegeben von Sascha Steffen, Professor an der European School of Management and Technology (ESMT) in Berlin Mitte Januar 2014 – fehlen deutschen, italienischen und französischen Banken jedoch rund 770 Milliarden Euro Eigenkapital, um bei Finanzkrisen zu bestehen. Dies berichtete die Süddeutsche Zeitung. Von Professor Steffen wurden 109 der 124 Banken untersucht, deren Daten öffentlich verfügbar sind und die in Kürze dem Banken-Stresstest unterzogen werden (mehr hier).

Der Stresstest soll auch dazu beitragen, das Vertrauen zwischen den Banken wieder herzustellen. Nach wie vor ist der Interbankenverkehr im Euroraum gestört. Das Misstrauen zwischen den Instituten hat zur Folge, dass sich Banken gegenseitig keine Kredite mehr einräumen, vielmehr musste im Jahr 2011 und 2012 die EZB als „Lückenbüßer“ einspringen. Die den Banken zur Verfügung gestellte Liquidität (LTRO eins und zwei im Umfang von etwa einer Billion Euro, auch „Dicke Berta“ oder „Bazooka“ genannt) spricht hierfür Bände.

Wie die in den Banken der Krisenstaaten immens angehäuften Staatsanleihen bewertet werden oder welche Risikokennziffer hier veranschlagt wird, darüber herrscht – auch bei der EBA – noch immer Stillschweigen.

Bisher ist lediglich bekannt, dass Staatspapiere, die die Geldhäuser „bis zur Fälligkeit“ in ihren Bilanzen stehen haben, gemäß den Bestimmungen der Bilanzierungsvorschriften als risikolos bewertet sind und nicht mit Eigenkapital unterlegt werden müssen. Bundesbankpräsident Jens Weidmann hat dies seit längerem beanstandet und als „Illusion der Risikolosigkeit“ kritisiert.

Allein italienische Banken halten derzeit etwa zwischen 350 und 400 Milliarden Euro landeseigene Staatsanleihen.

Interessant ist auch die Bewertung der faulen Kredite beim anstehenden Stresstest. Seit längerem ist bekannt, dass teilnehmenden Banken diesbezüglich eine weichere, "vereinfachte Definition" bei der Erhebung ihrer „ersten Daten“ zur Erreichung der Asset-Quality-Review anwenden dürfen (hier).

Allein in Italien setzen die faulen Kredite den Banken zu. Bis zu 42 Milliarden Euro müssten die Geldhäuser bis Ende 2014 zur Seite legen, um geplatzte Darlehen aufzufangen, meldete das Wirtschaftsblatt. Insgesamt dürfte in Italien bis Ende dieses Jahres die Summe der faulen Kredite auf bis zu 320 Milliarden Euro anwachsen.

Nach einer einer Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young stehen 940 Milliarden Euro fauler Kredite in den Bankbilanzen der Eurozone, berichtete Ende Oktober 2013 die Welt.

Darüber hinaus ist nicht geklärt, zu welchem Zeitpunkt und auf welche Weise die beim Stresstest entdeckten Kapitallücken bei den Banken geschlossen werden müssen, bis die EZB im November 2014 mit der Kontrolle über alle 128 Bankhäuser in der Eurozone beginnt.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Finanzen
Finanzen EU-Vermögensregister und Bargeldbeschränkungen: Risiko für Anleger

Das EU-Vermögensregister gehört derzeit zu den größten Risiken für Anleger. Daher ist es wichtig, sich jetzt zu überlegen, wie man...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Euro-Kurs wird zur Gefahr: Europas Exporte brechen ein
06.07.2025

Ein starker Euro, schwaches Wachstum, neue US-Zölle – Europas Wirtschaft gerät unter Druck. Die EZB warnt, doch die Lage droht zu...

DWN
Politik
Politik Neuregelung der Vaterschaft: Mehr Rechte für leibliche Väter
06.07.2025

Die Bundesregierung plant eine Reform, die leiblichen Vätern zu mehr rechtlicher Anerkennung verhelfen soll. Der Entwurf aus dem...

DWN
Immobilien
Immobilien Wohnungstausch: Wie Sie Ihre Ferienwohnung herzaubern und worauf Sie achten müssen
06.07.2025

Der Wohnungstausch boomt – günstig, persönlich und spannend. Doch wie funktioniert das Ganze wirklich, und worauf muss man achten,...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Jungmakler mit TikTok: Wie eine Generation den Versicherungsmarkt neu denkt
06.07.2025

TikTok-Reichweite, neue Rollenbilder, klare Erwartungen: Junge Makler treiben die Disruption im unabhängigen Versicherungsvertrieb voran....

DWN
Technologie
Technologie Wäschetrockner: Neues Energie-Label einfach erklärt
06.07.2025

Seit dem 1. Juli gelten für Wäschetrockner strengere Energiekennzeichnungen. Verbraucher sollen Geräte nun besser vergleichen können....

DWN
Unternehmen
Unternehmen Praktika und Probearbeiten: Rechte, Pflichten und Fallstricke für Berufseinsteiger
06.07.2025

Viele Praktikanten kennen ihre Rechte nicht – und riskieren, ausgenutzt zu werden. Was wirklich erlaubt ist, wann Praktika bezahlt werden...

DWN
Technologie
Technologie Lithium: Schlüssel zur technologischen Unabhängigkeit – doch der Rohstoff ist knapp
06.07.2025

Lithium ist der Treibstoff moderner Technologien – von E-Autos bis Energiewende. Doch was passiert, wenn die Nachfrage explodiert und das...

DWN
Politik
Politik Rückkehr der Wehrplicht trotz Wirtschaftsflaute? Nato-Ziele nur mit Pflicht zum Wehrdienst möglich
05.07.2025

Die Nato drängt: „Um der Bedrohung durch Russland zu begegnen“, hat die Nato ein großes Aufrüstungsprogramm beschlossen. Doch wie...