Finanzen

Degenhart: Karlsruhe kann kalte Enteignung der Sparer nicht stoppen

Die jüngste Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gegen die Euro-Rettungspolitik der EZB bedeutet zwar das Ende der Bazooka von Mario Draghi. Doch die „mittelfristige kalte Enteignung“ der europäischen Sparer kann rechtlich nicht verhindert werden, sagt der Verfassungsrechtler Christoph Degenhart.
17.02.2014 00:11
Lesezeit: 1 min

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe, die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des OMT-Programms von Mario Draghi an den EuGH zu verweisen, ist von weitreichender Bedeutung für die rechtliche Bewertung der Euro-Rettung: Draghi muss nun die angekündigte „Bazooka“ – den unbegrenzten Ankauf von Staatsanleihen – wieder vom Schlachtfeld schieben. Dies könnte der Glaubwürdigkeit der EZB schaden, die ja mit der Ankündigung des OMT-Programms beabsichtigt hatte, an den Märkten für eine vorrübergehende Entspannung zu sorgen.

Einer der Kläger, der Verfassungsrechtler Christoph Degenhart, war „positiv überrascht von der Deutlichkeit der Entscheidung“. Degenhart sagte den Deutschen Wirtschafts Nachrichten: Damit sei „klar gesagt, dass das OMT-Programm für Deutschland nicht in Frage kommt“. Die „Bundesregierung ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass dieses Programm nicht zum Einsatz kommt“.

Karlsruhe hatte in seiner Entscheidung festgehalten, dass das OMT-Programm, wie es von Draghi verkündet wurde, den Europäischen Verträgen widerspreche. Allenfalls wäre ein zeitlich befristeter Ankauf von ausgewählten Staatsanleihen möglich. Degenhart meint, dass „die Bundesregierung in keiner Weise mit diesem deutlichen Spruch gerechnet“ habe. Die Bundesregierung hatte die Entscheidung aus Karlsruhe nicht kommentiert – was darauf schließen lässt, dass man sich der weitreichenden Folgen durchaus bewusst ist.

Degenhart erwartet nun, dass auf politischer Ebene zwischen der EU und der Bundesregierung ein „Kompromiss gefunden werden muss, der verhindert, dass es zu einer echten Konfliktsituation zwischen den Höchstgerichten in Deutschland und Europa kommt“. Daran „kann die Politik kein Interesse haben“.

In anderer Hinsicht ist allerdings wenig gewonnen: Denn das Bundesverfassungsgericht kann, so Degenhart, der „EZB nicht verbieten, die Zinsen niedrig zu halten“. Dafür ist es nicht zuständig. Damit aber sei „eine mittelfristige, kalte Enteignung der Sparer und Vermögen in Europa eingeleitet worden“. Zwar besteht nach Artikel 14 des Grundgesetzes die Verpflichtung der Regierung, das Eigentum der Bürger zu schützen. Doch Degenhart sieht hier „eine massive Lücke im Rechtsschutz“. Kein Bürger kann demnach bei der aktuellen Gemengelage von politischen Interessen und wirtschaftlichen Maßnahmen sein Recht auf Eigentum rechtlich wirksam einklagen.

Degenhart glaubt daher nicht, dass die Entscheidung von Karlsruhe diese Enteignung stoppen kann: „Der Zug in diese Richtung ist abgefahren.“ Schon seit der Einführung des Euro sei es „zu ständigen Rechtsbrüchen und Vertragsverletzungen gekommen“. Daher sei er, Degenhart, „pessimistisch“, dass sich an dieser Linie etwas ändern werde. Zwar erwarte er keinen „großen Crash“, jedoch sehr wohl „beträchtliche Kollateralschäden“ in der Euro-Zone, die von der schleichenden Enteignung der Sparer verursacht werden.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Experten-Webinar: Ist Bitcoin das neue Gold? – Chancen, Risiken und Perspektiven

Inflation, Staatsverschuldung, geopolitische Unsicherheiten: Viele Anleger fragen sich, wie sie ihr Vermögen in Zeiten wachsender...

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik „Choose Europe“: Brüssel will Gründer mit Kapital halten
31.05.2025

Die EU startet einen neuen Wachstumsfonds, der Start-ups mit Eigenkapital unterstützen und in Europa halten soll. Doch Geld allein wird...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Energiewende umgekehrt: US-Firmen fliehen vor Trumps Klimapolitik – nach Europa
31.05.2025

Während Trump grüne Fördermittel in den USA kürzt, wendet sich die Clean-Tech-Branche von ihrer Heimat ab. Jetzt entstehen in Europa...

DWN
Politik
Politik Ärztepräsident warnt vor „Versorgungsnotstand“
31.05.2025

Ärztepräsident Klaus Reinhardt warnt vor Beeinträchtigungen im medizinischen Netz für Patienten, wenn nicht bald Reformen zu mehr...

DWN
Finanzen
Finanzen Gesetzliche Erbfolge: Wer erbt, wenn es kein Testament gibt
31.05.2025

Jeder kann selbst bestimmen, wer seine Erben sein sollen. Wer das allerdings nicht durch ein Testament oder einen Erbvertrag regelt und...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Datensammeln ohne Richtung: Warum der falsche Analyst Ihrem Unternehmen schadet
31.05.2025

Viele Unternehmen sammeln Daten – doch ohne den richtigen Analysten bleiben sie blind. Wer falsche Experten einsetzt, riskiert...

DWN
Panorama
Panorama Umfrage: Vielen Bädern fehlt das Personal
31.05.2025

Viele Bäder in Deutschland haben laut einer Umfrage mit Personalengpässen zu kämpfen. So hatten 38 Prozent der befragten Hallen- und...

DWN
Finanzen
Finanzen Trump plant Milliardeninvestition in Bitcoin und andere Kryptowährungen
31.05.2025

Donald Trump will Bitcoin zur Staatsangelegenheit machen – mit Milliarden-Investitionen seiner Mediengruppe. Während der Markt jubelt,...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Chinas Monopol auf Seltene Erden wankt – doch der Westen zahlt den Preis
31.05.2025

China kontrolliert die Welt der Seltenen Erden – und lässt Konkurrenz nur zu ihren Bedingungen zu. Neue Minen entstehen, doch ihre...