Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe, die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des OMT-Programms von Mario Draghi an den EuGH zu verweisen, ist von weitreichender Bedeutung für die rechtliche Bewertung der Euro-Rettung: Draghi muss nun die angekündigte „Bazooka“ – den unbegrenzten Ankauf von Staatsanleihen – wieder vom Schlachtfeld schieben. Dies könnte der Glaubwürdigkeit der EZB schaden, die ja mit der Ankündigung des OMT-Programms beabsichtigt hatte, an den Märkten für eine vorrübergehende Entspannung zu sorgen.
Einer der Kläger, der Verfassungsrechtler Christoph Degenhart, war „positiv überrascht von der Deutlichkeit der Entscheidung“. Degenhart sagte den Deutschen Wirtschafts Nachrichten: Damit sei „klar gesagt, dass das OMT-Programm für Deutschland nicht in Frage kommt“. Die „Bundesregierung ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass dieses Programm nicht zum Einsatz kommt“.
Karlsruhe hatte in seiner Entscheidung festgehalten, dass das OMT-Programm, wie es von Draghi verkündet wurde, den Europäischen Verträgen widerspreche. Allenfalls wäre ein zeitlich befristeter Ankauf von ausgewählten Staatsanleihen möglich. Degenhart meint, dass „die Bundesregierung in keiner Weise mit diesem deutlichen Spruch gerechnet“ habe. Die Bundesregierung hatte die Entscheidung aus Karlsruhe nicht kommentiert – was darauf schließen lässt, dass man sich der weitreichenden Folgen durchaus bewusst ist.
Degenhart erwartet nun, dass auf politischer Ebene zwischen der EU und der Bundesregierung ein „Kompromiss gefunden werden muss, der verhindert, dass es zu einer echten Konfliktsituation zwischen den Höchstgerichten in Deutschland und Europa kommt“. Daran „kann die Politik kein Interesse haben“.
In anderer Hinsicht ist allerdings wenig gewonnen: Denn das Bundesverfassungsgericht kann, so Degenhart, der „EZB nicht verbieten, die Zinsen niedrig zu halten“. Dafür ist es nicht zuständig. Damit aber sei „eine mittelfristige, kalte Enteignung der Sparer und Vermögen in Europa eingeleitet worden“. Zwar besteht nach Artikel 14 des Grundgesetzes die Verpflichtung der Regierung, das Eigentum der Bürger zu schützen. Doch Degenhart sieht hier „eine massive Lücke im Rechtsschutz“. Kein Bürger kann demnach bei der aktuellen Gemengelage von politischen Interessen und wirtschaftlichen Maßnahmen sein Recht auf Eigentum rechtlich wirksam einklagen.
Degenhart glaubt daher nicht, dass die Entscheidung von Karlsruhe diese Enteignung stoppen kann: „Der Zug in diese Richtung ist abgefahren.“ Schon seit der Einführung des Euro sei es „zu ständigen Rechtsbrüchen und Vertragsverletzungen gekommen“. Daher sei er, Degenhart, „pessimistisch“, dass sich an dieser Linie etwas ändern werde. Zwar erwarte er keinen „großen Crash“, jedoch sehr wohl „beträchtliche Kollateralschäden“ in der Euro-Zone, die von der schleichenden Enteignung der Sparer verursacht werden.