Deutschland

Karlsruhe: Bundespräsident darf NPD-Anhänger Spinner nennen

Wenn es darum geht, die Verfassung zu schützen, darf ein Bundespräsident das auch „sehr pointiert, ironisch oder humorvoll“ machen, so das Verfassungsgericht. Die NPD hat Gauck verklagt, weil dieser zuvor Schüler aufgerufen hatte, gegen „die Spinner“ zu demonstrieren.
25.02.2014 16:05
Lesezeit: 1 min

Das Bundesverfassungsgericht gesteht dem Bundespräsidenten einen weiten Spielraum bei wertenden Äußerungen über politische Parteien zu. Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle sagte am Dienstag bei einer Verhandlung in Karlsruhe, er halte die Annahme für einen „Kurzschluss“, dass der Bundespräsident hier besonders zurückhaltend agieren müsse. Wenn es darum gehe, sich schützend vor die Verfassung zu stellen, sollte er sich auch in sehr pointierter, ironischer oder humorvoller Art äußern dürfen.

Hintergrund ist eine Klage der rechtsextremen NPD, die sich durch eine Äußerung im August diffamiert sieht. Gauck hatte angesichts von ausländerfeindlichen Protesten gegen ein Asylbewerberheim in Berlin-Hellersdorf vor Schülern seine Unterstützung für eine Gegendemonstration betont: „Wir brauchen Bürger, die auf die Straße gehen, die den Spinnern ihre Grenzen aufweisen und die sagen ,bis hierher und nicht weiter‘.“

Die NPD wirft Gauck vor, seine Kompetenzen überschritten zu haben. Durch die Äußerung rund einen Monat vor der Bundestagswahl sei sowohl die Pflicht des Bundespräsidenten zur parteipolitischen Neutralität als auch die Chancengleichheit der Parteien verletzt worden. Gauck habe zulasten der NPD und vor Erstwählern in den laufenden Wahlkampf eingegriffen, sagte NPD-Anwalt Peter Richter. Er habe „eine Art regierungsamtliche Warnung vor der NPD ausgesprochen“. Dies gehe in Richtung einer unzulässigen Schmähkritik.

Voßkuhle machte jedoch deutlich, „dass der Bundespräsident nicht nur durch die Autorität seines Amtes, sondern vor allem kraft seiner Persönlichkeit in Reden und Auftritten wirkt, in denen er seine Meinung kundtut, warnt, mahnt und ermuntert“. Im Verfahren solle geklärt werden, wie weit seine Befugnisse gingen. Ein Urteil wird in etwa drei Monaten erwartet.

Der Staatsrechtler Joachim Wieland, der als Prozessbevollmächtigte des Staatsoberhaupts auftritt, hielt der NPD entgegen, ein Bundespräsident müsse nicht um jeden Preis politisch neutral sein. Er könne auch Werturteile fällen, wenn es darum gehe, die freiheitlich demokratische Grundordnung zu schützen. Selbst eine polemische Äußerung könne ihm erlaubt sein. Auch mehrere Verfassungsrichter vertraten die Ansicht, die Erfolgschancen der rechtsextremen Partei sei wohl gering.

Gauck selbst betonte in einer verlesenen Erklärung, ein Präsident könne durch Ansprachen und öffentliche Diskussionen nur Debatten anstoßen, wenn er die Werte, deren Grundlagen in der Verfassung lägen, verteidigen könne. „Der Bundespräsident wirkt durch das Wort“, so Gauck.

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