Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Wie und wo kann man den Film “Junho– O Mês que Abalou o Brasil“ („Juni - der Monat, der Brasilien erschütterte“) sehen?
João Wainer: Der Film „Juni” ist seit einigen Tagen in vielen Kinos, überall in Brasilien, zu sehen. Er kann auch in über 90 Ländern auf Itunes geladen werden.
Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Was ist der wesentliche Unterschied zwischen Juni 2013 und Juni 2014?
João Wainer: Im Juni 2013 war das ganze Land auf den Straßen – so schien es. Es hatte sich eine Menge Wut angestaut. Die Leute waren sehr unzufrieden und glaubten damals, dass es ihre Pflicht sei, an der Protestbewegung teilzunehmen. Dann gab es eine Menge Gewalt, Minderheiten, die zur Gewalt griffen. Das hat viele Leute davon abgehalten, weiter an den Demonstrationen teilzunehmen. Heute – im Juni 2014 – ist sehr klar, dass das Klima für Proteste vorbei ist. Die Fußball-WM überstrahlt alles. Die meisten Leute, auch die, die der Regierung und der Fifa kritisch gegenüber stehen, wollen das Turnier verfolgen.
Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Wie war die Reaktion der Mächtigen in Brasilien auf die Ereignisse?
João Wainer: Die Reaktion der Politiker an der Macht war desaströs, wie immer! Die Politiker sind normalerweise verlogen, opportunistisch. So war es auch im Juni 2013: Sie haben Verständnis für die Sorgen der Demonstranten vorgetäuscht. Sie machten viele Versprechen. Sie sagten, vieles würde sich ändern. Sie formulierten dann auch einige Gesetzesvorhaben. Und dann sind sie wieder zur Tagesordnung übergegangen. Es hat sich seitdem fast gar nichts geändert.
Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Inwieweit haben die Proteste vom Juni 2013 Brasilien tatsächlich erschüttert?
João Wainer: Die Protestbewegung vom Juni 2013 war ein Meilenstein! Seit über 20 Jahren waren die Brasilianer nicht mehr auf die Straße gegangen. Die Leute schienen zufrieden zu sein, mit dem wirtschaftlichen Aufschwung. Aber im Juni 2013, dass den Menschen statistisches Wirtschaftswachstum und Konsum nicht reicht. Sie wollten zum Ausdruck bringen, dass sie anständige Schulen, funktionierende Krankenhäuser, ein vernünftiges System des Nahverkehrs wollen. Das alles hat sich auch in den Jahren des scheinbaren Aufschwungs nicht verbessert. Und diese Anliegen explodierten quasi aus den Menschen heraus.
Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Wird Brasilien nach der WM ein anderes Land sein?
João Wainer: Ich glaube nicht. Leider wird alles im Prinzip so bleiben wie es ist.
Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Wird die Fußball-WM irgendeinen Einfluss auf die Ergebnisse der Wahlen vom Oktober haben.
João Wainer: Ich hoffe nicht. Ich hoffe, dass die Leute sehr wohl zwischen Sport und Politik unterscheiden.
Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Wie würden Sie die Arbeit der sogenannten “Medien-Ninjas” (die Bürger-Reporter die mit Handys die Ereignisse filmen und ungefiltert und ungeschnitten ins Internet setzen) bewerten? Ist der Stil Ihrer Doku in irgendeiner Weise von der Arbeit und dem Stil der „Medien-Ninjas“ beeinflusst?
João Wainer: Die Arbeit der MIDIANINJA ist sehr wichtig. Sie haben im Juni 2013 Pionierarbeit geleistet. Es ist überaus wichtig, dass es einen gewissen Pluralismus gibt, eine Vielfalt von Darstellungsformen und Perspektiven. Mein Film nimmt stilistische Elemente dieser Arbeit auf.
Hier der Trailer des Films Junho (2014) von Joao Wainer.
Das andere Tagebuch:
Teil 1: Die Revolution hat in Brasilien Feuer gefangen
Teil 2: Brasilien: Künstler protestieren gegen die Fußball-WM
Teil 3: Brasilien: Von der Fußball-WM profitieren Konzerne, Politiker und Banken
Teil 4: Weltmeister: Deutsche Waffen-Industrie verdient prächtig mit der Fußball-WM
Teil 5: Brasilien: Staudamm-Bau mit Methoden einer Militär-Diktatur
Teil 6: Wer ist die rätselhafte Dilma Rouseff?
Teil 7: Brasilien: Straßenkinder passen nicht ins Bild der WM – und verschwinden
Teil 8: Der ganz andere WM-Song: „Öffnet eure Augen, Brüder / die FIFA greift in unsere Taschen“
Teil 9: Brasilien: Fifa unterstützt Projekte gegen Kinderprostitution nicht
Teil 10: Lage in São Paulo eskaliert: Polzei knüppelt streikende U-Bahn-Fahrer nieder
Teil 11: Der Schwarze Block will marschieren: „20 Prozent der Brasilianer sind gegen die WM“
Teil 12: Korruption bei der Fifa: „Wer einmal die Hand aufhält, versucht es auch ein zweites Mal“
Teil 13: Brasilianischer Fußball: Der lange Weg zur Vielfalt der Kulturen
Teil 14: Fußball: „Für die Brasilianer ist die Fifa so böse wie der IWF“
Teil 15: Schriftsteller Zé do Rock: „Sepp Blatter wäre der ideale Präsident für Brasilien“
Teil 16: „Die Demonstranten haben das Image von Brasilien verändert“
Teil 17: Das Foto, das den Zorn der Brasilianer auf die Fußball-WM entfacht hat
Teil 18: Kein gutes Geschäft: Fußball-WM schadet Brasiliens Mittelstand
Teil 19: Brasilianische Militärpolizei stürmt WM-Partys in den Armenvierteln
Teil 20: Mieten und Immobilien-Preise explodieren wegen der WM
Teil 21: Fußball-WM: Die Bilder aus Brasilien, die die Welt nicht sehen soll
Teil 22: Umwelt-Skandal: Eine Gemeinde in Brasilien kämpft gegen ThyssenKrupp
Teil 23: Militärpolizei ändert Taktik und verhaftet Aktivisten