Politik

Island geht auf Nummer sicher: Zentralbanker werden vom Polizei-Chef ausgewählt

Island will auf Nummer Sicher gehen: Die Regierung hat den Polizeichef von Reykjavik mit der Leitung einer Kommission beauftragt, die den neuen Chef der Zentralbank bestimmen soll. Die Isländer sind offenbar der Meinung, dass das Zentralbanken-Milieu zwielichtige Typen anzieht.
14.07.2014 02:03
Lesezeit: 1 min

Der Polizeichef von Reikiavik wurde als Vorsitzender einer Auswahl-Kommission mit der Auswahl des nächsten Zentralbankchefs in Island betraut. Dem aktuellen Chef der Zentralbank, Guðmundsson, teilte das Finanzministerium mit, er werde diesmal nicht einfach für eine zweite Amtszeit ernannt, sondern müsse sich in einem offenen Verfahren darum bewerben.

Bis 27. Juni konnte sich jeder Isländer auf den Posten bewerben, jetzt hat das Finanzministerium eine Liste von 10 möglichen Kandidaten veröffentlicht, darunter auch Guðmundsson. Das Auswahl-Komittee um den Polizeichef bewertet nun alle Kandidaten und spricht dann eine Empfehlung an den Premierminister aus. Entscheiden will das Komitee allerdings erst Ende dieses Jahres, die Amtszeit Guðmundssons endet jedoch bereits im September. Die Zukunft seines Nachfolgers ist also zunächst ungewiss.

Das ausgerechnet Polizeichef Eiríksson zum Vorsitzenden des dreiköpfigen Auswahl-Kommitees wurde, löste Besorgnis in der Finanz-Community in Reykjavik aus. Eiríksson ist ein Jurist, der in einer Reihe von Regierungsausschüssen tätig war: Allerdings zu finanzfernen Themen wie Polizei, Verteidigung oder europäische Freizügigkeit nach dem Schengen-System. Er ist weder Wirtschaftswissenschaftler noch Finanzexperte.

Ebenso wenig wie das zweite Ausschussmitglied, Ólöf Nordal, bis zum vergangenen Jahr Mitglied des Parlaments und stellvertretende Vorsitzende der Unabhängigkeitspartei. Dennoch sitzt Nordal auch im Aufsichtsgremium der Notenbank und leitet den Ausschuss zu ihrer Umstrukturierung. Der einzige Ökonom im Auswahl-Komitee zur Bewertung der Kandidaten ist Gudmundur Magnusson, ehemaliger Rektor der Universität von Island und seit 2008 im Ruhestand.

Der Auswahlprozess und insbesondere die Zusammensetzung des Podiums könne die Glaubwürdigkeit und die Moral der Zentralbank treffen, sorgt sich Gudrun Johnsen, Assistenzprofessor für Finanzen an der Universität von Island und Autorin des Buches: Bringing Down the Banking System: Lehren aus Island.

„Es gibt so viele offensichtlichere Kandidaten für die Leitung dieses Auswahl-Komitees, sowohl innerhalb des Landes als auch im Ausland“ so Johnsen. „Diese Wahl ist einfach sehr bizarr. Und ich bin sicher, es senkt die Moral in der Notenbank, wo doch so viele Spezialisten sitzen.“

Dass ein wenig Abstand zu den Verflechtungen in Islands Finanzsektor gar nicht so schlecht sein könnte, zeigt ein weiterer Name auf der Kandidatenliste: Friðrik Már Baldursson, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Reykjavik. Baldursson wurde durch eine bedeutende Fehleinschätzung bekannt: Im Jahr 2007 veröffentlichte er ein Papier, das dem isländische Bankensektor bescheinigte, er sei „sehr robust“ und eine „bemerkenswerten Erfolgsgeschichte“. Kurz darauf brach das Banken-System Islands im Zuge der weltweiten Finanzkrise komplett zusammen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

DWN
Politik
Politik Keine Stromsteuersenkung für Verbraucher: "Fatales Signal"
03.07.2025

Die Strompreise bleiben hoch, die Entlastung fällt kleiner aus als versprochen. Die Bundesregierung gerät unter Druck, denn viele Bürger...

DWN
Panorama
Panorama Spritpreis: Wie der Rakete-und-Feder-Effekt Verbraucher belastet
03.07.2025

Die Spritpreise steigen wie eine Rakete, fallen aber nur langsam wie eine Feder. Das Bundeskartellamt nimmt dieses Muster ins Visier und...

DWN
Finanzen
Finanzen Vetternwirtschaft und Machtspiele: So scheitert der NATO-Innovationsplan
03.07.2025

Milliarden für die NATO-Innovation, doch hinter den Kulissen regiert das Chaos: Interessenkonflikte, Rücktritte und Streit gefährden...

DWN
Politik
Politik Trump dreht den Geldhahn zu: Kiew kämpft ohne Washington
02.07.2025

Donald Trump kappt Waffenhilfe für die Ukraine, Europa zögert, Moskau rückt vor. Doch Kiew sucht nach eigenen Wegen – und die Rechnung...

DWN
Panorama
Panorama Köln schafft den Begriff "Spielplatz" ab
02.07.2025

Köln verabschiedet sich vom traditionellen Begriff "Spielplatz" und ersetzt ihn durch "Spiel- und Aktionsfläche". Mit neuen Schildern und...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Tusk zieht die Grenze dicht – Spediteure schlagen Alarm
02.07.2025

Grenzkontrollen sollen Sicherheit bringen – doch für Spediteure und Industrie drohen Staus, teurere Transporte und Milliardenverluste....

DWN
Panorama
Panorama EU-Klimapolitik: Soviel Spielraum lässt das 90-Prozent-Ziel
02.07.2025

Die EU-Kommission hat sich ein ehrgeiziges Ziel gesetzt: Bis 2040 sollen die Emissionen massiv sinken, ein großer Schritt Richtung...

DWN
Technologie
Technologie DeepSeek zerstört Milliardenwerte: China-KI soll aus Europa verschwinden
02.07.2025

Ein chinesisches Start-up bringt Nvidia ins Wanken, Milliarden verschwinden in Stunden. Doch für Europa ist das erst der Anfang: Die...