Die Bundesregierung pochte am Montag darauf, dass am Dienstag auch wirklich Entscheidungen über die geplanten Wirtschaftssanktionen gegen Russland in den Bereichen Rüstung, Kapitalmärkte, Güter für die zivile und militärische Nutzung sowie Energietechnologie fallen.
Angestrebt werde ein substanzielles Paket an Maßnahmen in den vier Wirtschaftssektoren gegen Russland. Nur so könne die EU ein starkes, klares Signal an die Regierung in Moskau senden. Falls erforderlich, sei Bundeskanzlerin Angela Merkel bereit, zu einem EU-Sondergipfel nach Brüssel zu reisen. Derzeit beraten dort die EU-Botschafter über weitere Sanktionen. Die EU hatte Ende vergangener Woche weitere Personen und Einrichtungen, darunter Firmen, auf ihre Liste der Sanktionen gegen Russland gesetzt. In dieser Woche könnte sie ihre Strafmaßnahmen auf ganze Wirtschaftsbereiche ausdehnen.
Weitere Sanktionen müssten verhängt werden, weil Russland nach wie vor „kein Interesse an der Aufklärung des Flugzeug-Absturzes in der Ostukraine“ zeige und es weiter Berichte über Waffenlieferungen aus Russland an die prorussischen Separatisten in der Ostukraine gebe, sagte Wirtz.
Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Union im Bundestag, Michael Fuchs, hat sich bereits für eine Beschränkung der europäischen Gas-Importe aus Russland ausgesprochen. Die schärfste und wirkungsvollste Sanktion, die den Europäern zur Verfügung stehe, wäre die Verringerung der Gaseinfuhren aus Russland, sagte Fuchs dem Deutschlandfunk. Man müsse dann eben auf andere Quellen zurückgreifen, auch auf Flüssiggas. Die USA, die mit der umstrittenen Fracking-Methode derzeit große Mengen Erdgas fördern, würden dies gern nach Europa exportieren. Derzeit fehlt dazu aber die Infrastruktur. „Wenn wir weniger Gas beziehen würden, würde das auch weniger Devisen für Russland bedeuten“, argumentierte der CDU-Wirtschaftspolitiker. „Dass wir weitere und schärfere Sanktionen gegen Russland verhängen müssen, halte ich für notwendig“, unterstrich er.
Er geht auch davon aus, dass solche Strafmaßnahmen trotz Auswirkungen auf deutsche Firmen auch von den großen deutschen Wirtschaftsverbänden unterstützt würden. Auch die Regierung begrüße laut Sprecherin Wirtz, dass die deutsche Wirtschaft das Primat der Politik anerkenne.
Zunächst war aus der deutschen Wirtschaft vor Sanktionen gewarnt worden (mehr dazu hier). Inzwischen setzt sich aber mehr und mehr eine harte Linie gegenüber Russland auch hier durch.
So hat auch der Präsident des Industrieverbandes BDI, Grillo, trotz absehbarer Nebenwirkungen für die deutsche Wirtschaft schärfere Sanktionen gefordert. „Der BDI und ich persönlich sind zu der Überzeugung gelangt, dass das Verhalten der russischen Regierung im ukrainischen Sezessionskonflikt spürbare Konsequenzen für Moskau haben muss“, schrieb BDI-Chef Grillo im Handelsblatt. „So schmerzhaft nun weitere Wirtschaftssanktionen für die europäische Konjunkturentwicklung, deutsche Exporte und einzelne Unternehmen sein werden, sie können und dürfen als Druckmittel auf die russische Regierung nicht ausgeschlossen werden“, schrieb Grillo. Schon die bisherigen Beschränkungen gegenüber dem Land zeigten erste Auswirkungen auf die deutsche Wirtschaft (mehr hier) . „Schärfere Sanktionen werden zu wesentlich spürbareren Konsequenzen führen“, sagte der BDI-Präsident voraus. Angesicht der Hinwendung Russlands zu autoritären Machtverhältnissen und seiner Abwendung von Europa sei aber ein „weiter so“ unmöglich. Jetzt sei die Stunde der Politik, nicht der Wirtschaft.
Umstritten ist hingegen immer noch, wie weit der Stopp von Waffenlieferungen aus der EU an Russland gehen soll. Frankreich will mit Rücksicht auf eine vereinbarte Lieferung eines Hubschrauberträgers an Russland nur künftige Geschäfte untersagen. Deutschland wäre laut SPD-Chef Gabriel für ein völliges und sofortiges Embargo.
CSU-Chef Seehofer hatte Gabriel jedoch vorgeworfen, deutsche Wirtschaftsinteressen außer Acht zu lassen. Es verschärfe die Probleme der Rüstungsindustrie, wenn „ohne Konzeption und ohne klaren Kompass ein faktischer Exportstopp“ herbeiführt werde. „Dieses Extrem könnte ich nicht mittragen.“
Gabriel wies die Kritik von CSU-Chef an die von ihm geplanten Beschränkungen zurück. „Wenn ich der Logik von Horst Seehofer folge, dann müsste ich den Gefechtsstand jetzt nach Russland liefern.“ Gabriel hatte die Lieferung eines 100 Millionen Euro teuren Gefechtsübungs-Zentrums von Rheinmetall gestoppt.
Im Gegenzug hat Gabriel europäische Hilfen für Rüstungsbetriebe angeregt, die wegen politischer Sanktionen auf Geschäfte verzichten müssen. „Im Zweifel fände ich es in einer solchen Situation angemessen, dass die europäische Solidarität dazu beiträgt, dass die Firmen sozusagen nicht bankrott gehen oder ihre Aufträge verlieren“, sagte der SPD-Chef der ARD. Er ergänzte: „Dann müssen wir dafür sorgen, dass Ersatzfinanzierungen dafür da sind.“ Einzelheiten nannte er nicht, es gäbe bisher keine konkreten Pläne der EU oder der Nato, Frankreich den Hubschrauberträgers ersatzweise abzukaufen.