Vor einigen Wochen geriet eine Bank, deren Namen die meisten Deutschen kaum kennen, erneut in die Schlagzeilen: Die Bundesregierung beschloss, die Depfa-Bank nicht zu verkaufen, sondern abzuwickeln. Das sei, so die Meinung im Bundesfinanzministerium, billiger für den Steuerzahler (hier). Die Chefin der Depfa-Mutter HRE trat daraufhin aus Protest zurück (hier). Niemand kann sagen, ob die Abwicklung wirklich billiger ist.
In der aktuellen Debatte geriet jedoch die Größenordnung in Vergessenheit, wieviel die Rettung der Bank die Steuerzahler bereits gekostet hat. Es ist der Bundesregierung erfolgreich gelungen, das Thema aus den Schlagzeilen zu halten. Der flüchtige Betrachter hat in Deutschland den Eindruck gewonnen, dass die Banken-Krise einigermaßen glimpflich an den Deutschen vorübergegangen ist.
Doch dieser Eindruck täuscht: Das Depfa-Debakel kostet den deutschen Steuerzahler vermutlich einen hohen einstelligen Milliardenbetrag. Darunter sind zwei Milliarden Euro, die der Bund dem Steuerzahler durch Beteiligung nachrangiger Gläubiger hätte ersparen können, nachdem Irland dazu 2011 über sein neues Bankenabwicklungsrecht die Möglichkeiten geschaffen hatte.
Der Fall der irischen Depfa Bank ist der Schlüssel für eines der größten deutschen Bank-Desaster aller Zeiten. Die Staatskreditbank drehte nach ihrer Auswanderung aus Deutschland 2001 das große Rad mit dem Verpacken von Staatsbonds in Pfandbriefen und ging dabei hohe Zinsrisiken ein. Mit dem Austrocknen der Kreditmärkte mit Beginn der Finanzkrise scheiterte dieses Geschäftsmodell zwangsläufig.
Die 2009 verstaatlichten Hypo Real Estate, der die Depfa seit 2007 gehörte, brachte die Bank durch ihre umfangreichen Griechenlandinvestments zusätzliche hohe Belastungen ein. Neben den Landesbanken und der IKB entstand so das größte Finanzloch des deutschen Teils der Finanzkrise.
Doch man hielt stur am unzureichenden deutschen Bad-Bank-Gesetzes, das nur die Eigentümer der Banken belastet, fest. Mit diesem Gesetz waren bei den Landesbanken sämtliche nachrangige Gläubiger geschont worden, unter ihnen viele öffentliche Einrichtungen und Sparkassen. Vor allem Kommunal- und Landespolitiker sollten per Gesetz nicht zusätzlich in Erklärungsnot gebracht werden.
Durch das starre Festhalten an der einmal beschlossenen Bankenrettungsstrategie wurden also nebenbei auch bei einer Privatbank die Rettungskosten für den Steuerzahler maximiert.
Die Aufarbeitung eines Lehrstücks über die teure Verquickung von Politik und Banken in Deutschland:
Die Deutsche Pfandbriefanstalt geht zurück auf den 1924 in Berlin gegründeten Staatsfinanzierer Preußische Landespfandbriefanstalt, den ersten auf den Massenwohnungsbau zugeschnittenen deutschen Pfandbriefemittenten, der zahlreiche kommunale Großsiedlungen der 20er-Jahre finanzierte. Seit den 1970er-Jahren mit ihrer steigenden öffentlichen Verschuldung entwickelte sich die Bank daneben zu einem der größten Finanzierer des öffentlichen Sektors neben den Landesbanken und der KfW.
War das Modell der 1970er-Jahre noch die direkte Kreditvergabe an Kommunen und Kontrolle ihrer Haushalte, so entwickelte sich die Bank mit der stürmischen Kapitalmarktentwicklung der 1980er-Jahre und der Privatisierung 1991 zu einem faktischen Versicherer von Bonds einer großen Bandbreite öffentlicher Emittenten im In- und Ausland. In diesem Geschäftsmodell wurde etwa ein Single-A-Kreditrisiko über die Refinanzierung durch Depfas AAA-geratete Pfandbriefe deutlich günstiger refinanziert. Die ersparten Zinsen teilten sich der ursprüngliche Emittent und Depfa, die darüber hinaus für Kreditrisiken des öffentlichen Sektors kaum Kapital halten musste. Das hohe Rating der Depfa und ihre niedrigen Refinanzierungskosten waren wiederum ohne die implizite Garantie des deutschen Staates für die Bank beziehungsweise das Pfandbriefsystem kaum denkbar, der damit dieses Geschäftsmodell subventionierte.
Mit dem Maastricht-Konvergenzprozess und Liberalisierungen im Anlagespektrum bereits vor der Euro-Einführung – den Anfang machte 1997 Luxemburg - entstanden hohe Anreize, Kredite oder Bonds südeuropäischer Schuldner, die dort über kein dem Pfandbrief vergleichbares Refinanzierungsinstrument verfügten, in die Deckung aufzunehmen. Damit trugen die Pfandbriefemittenten, ebenso wie andere stark bondfinanzierte Banken wie etwa die Landesbanken, zur starken Verringerung der Zinsdifferenzen innerhalb Europas bei. In der Deckung deutscher Pfandbriefe gibt es bis heute ein hohes Exposure innerhalb des europäischen Wirtschaftsraums EEA in Form von Krediten an öffentliche Haushalte und deren Bonds keine quantitative oder Ratingbegrenzungen.
Im Unterschied zu den USA, wo hoch geratete Bondversicherer wie MBIA ähnliche Funktionen durch das Einpacken („wraps“) von öffentlichen Bonds niedriger Ratingstufen wahrnahmen, konnte die Depfa als Bank in den 90er-Jahren neben den Gewinnen aus diesem Geschäft auch solche durch fristeninkongruente Refinanzierung erzielen. Dieses Element des Geschäftsmodells war umso profitabler, als der Pfandbrief in den 1990er-Jahren durch die Entwicklung des „Jumbo“-Marktes von Groß-Emissionen – anfangs 500 Millionen DM und rasch ansteigend auf 1 Milliarde Euro – dem Staatskreditmarkt bei institutionellen und vor allem internationalen Investoren ernsthafte Konkurrenz machte, was zu extrem niedrigen Finanzierungskosten führte. Es war jedoch auch der Beginn einer starken Orientierung der Emittenten auf die Erzielung möglichst großer Bondvolumen, die in den faktischen Zusammenbruch des Pfandbriefsystems 2008 mündete.
***
Dieser Text ist der erste Teil einer fünfteiligen Serie. Lesen Sie in den kommenden Tagen die weiteren Teile:
Teil 2: Das Irland-Abenteuer der Depfa Bank
Die Depfa wird nach Irland ausgelagert und geht zu risikoreichen Finanzierungen über. Mit den geringsten Margen erzielt die Bank im Staatskreditgeschäft die höchste Eigenkapitalrendite. 2007 schließt sich Depfa mit dem Hypo Real Estate zusammen. Warum die deutsche Aufsicht den Kauf durch die HRE-Gruppe zustimmte und selbst nach Ausbruch der Krise nicht unterband, bleibt rätselhaft.
Teil 3: Depfa: Stures Festhalten am Bad-Bank-Gesetz kostete dem Steuerzahler Milliarden
Das Depfa-Debakel kostet den deutschen Steuerzahler wohl einen hohen einstelligen Milliardenbetrag. Darunter sind zwei Milliarden Euro, die der Bund dem Steuerzahler hätte ersparen können. Irland hatte dazu 2011 über sein neues Bankenabwicklungsrecht die Möglichkeiten geschaffen. Doch man hielt stur am unzureichenden deutschen Bad-Bank-Gesetzes, das nur die Eigentümer der Banken belastet, fest.
Teil 4: Der Schlussstrich der Depfa: Verspätete Abwicklung in Eigenregie
Das Staatskreditmodell der Depfa ist faktisch tot. Im Mai 2014 entschied die Bundesregierung dennoch, das bislang höchste Angebot für die Depfa von 320 Millionen Euro abzulehnen. Sie hofft, dass eine Abwicklung in Eigenregie billiger kommt.
Teil 5: Depfa: Hoher Schaden durch indirekte Verstaatlichung
Der hohe Schaden für den Steuerzahler aus der indirekten Verstaatlichung der irischen Depfa entstand vor allem durch den politischen Widerstand gegen Abwicklung und Gläubigerbeteiligung in Deutschland. Durch das starre Festhalten an der einmal beschlossenen Bankenrettungsstrategie wurden nebenbei auch bei einer Privatbank die Rettungskosten für den Steuerzahler maximiert.
Hans-Joachim Dübel ist Gründer und Leiter der Finanzberatungs-Firma Finpolconsult. Zuvor war er von 1998 bis 2000 Finanz-Analyst bei der Weltbank. Er gilt als einer der angesehensten Experten in Fragen der Banken-Rettung und hat in dieser Frage zahlreiche internationale Organisationen beraten. Er hat in den vergangenen Jahren mehrere Arbeitspapiere zur Banken-Krise erstellt. Sein aktuelles Arbeitspapier „The Capital Structure of Banks and Practice of Bank Restructuring“ wurde im Juni-Monatsbericht des Bundesfinanzministeriums berücksichtigt.