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Nobelpreisträger: Mit dem Euro kann es keinen Aufschwung geben

Lesezeit: 2 min
24.08.2014 00:25
Angela Merkels Sparpolitik für Europa bekommt von den zur Zeit in Lindau versammelten Wirtschafts-Nobelpreisträgern desaströse Noten. Doch nicht nur Deutschland ist für die Wissenschaftler ein Problem: Sie zweifeln an der Sinnhaftigkeit des Euro und fachen damit eine neue Diskussion über die Währungsunion an.
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Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte am Mittwoch auf dem Lindauer Nobelpreisträgertreffen, dass man Haushaltskonsolidierung und Wachstum recht gut zusammenbekommen kann, wie die deutsche Erfahrung zeige.

Gleichzeitig wies sie darauf hin, dass es angesichts der demografischen Situation in Europa besonders wichtig ist, auf eine Null bei der Neuverschuldung hinzuarbeiten. Sie spielte damit auf die langfristig schrumpfende Zahl der Steuerzahler an. Das geht zumindest aus ihrer Rede hervor.

Die in Lindau weilende Wirtschaftsnobelpreisträger äußerten sich dazu allerdings kritisch. Joseph Stiglitz (Nobelpreisträger 2001) bezeichnete die Sparpolitik in Europa als „desaströsen Fehler“. Austerität verhindere den Aufschwung in der Eurozone und sei auch verantwortlich dafür, dass Italien nun zum dritten Mal (seit 2008) in die Rezession rutsche.

Joseph Stiglitz ist der Ansicht, dass die wirtschaftliche Depression in Europa noch jahrelang andauern könnte. Er sei besorgt um die Zukunft der Währungsunion. Das Bild sei bereits schlecht, obwohl sich Auswirkungen geopolitischer Spannungen noch nicht zeigten. Ähnlich äußerte sich James Mirrless (Nobelpreis 1996): "Ich kann mir mit dem Euro keinen wirklichen Aufschwung in der Euro-Zone vorstellen, der auch den Namen Aufschwung verdient."

Auch Peter Diamond meinte am Rande der Lindauer Tagung, die gegenwärtige Europolitik sei unfassbar zerstörerisch. Es sei erstaunlich, wie wenig Aufruhr es in Ländern wie Spanien und Italien deswegen gebe. „Junge Leute in Spanien und Italien, die in dieser Rezession auf den Jobmarkt drängen, werden noch über Jahrzehnte hinweg Nachteile haben.“ Diamond hat dabei im Hinterkopf, dass Zeiten der Arbeitslosigkeit auf dem Weg auf der Karriereleiter nach oben meistens nicht mehr aufgeholt werden können.

Diamond erhielt übrigens 2010 den Wirtschaftsnobelpreis für seine Arbeiten zum Arbeitsmarkt. Seine Forschungen wurden oft auch als Begründung für die deutschen Hartz-Reformen verwendet.

Immerhin gestand Merkel in ihrer Lindauer Rede Konstruktionsfehler der Wirtschafts- und Währungsunion ein, die man beheben müsse. Merkel möchte darum mehr wirtschaftspolitische Koordinierung in der Eurozone und die Möglichkeit, Staaten zu sanktionieren, wenn sie ihre eigenen Versprechen nicht einhalten.

Das geht Joseph Stiglitz aber längst nicht weit genug. Er plädiert für Eurobonds und damit für eine gemeinschaftliche Haftung aller in der Eurozone.

Die Konstruktionsfehler der Eurozone stellte auch der für seine währungspolitischen Forschungen 2011 ausgezeichnete Christopher Sims in einem Vortrag heraus. Der Grundfehler der Konstrukteure der Währungsunion sei gewesen, zu glauben, dass man die Geldpolitik und die Haushaltspolitik der Regierungen unabhängig voneinander betreiben könne. Tatsächlich habe aber eine Geldpolitik, die konsequent die Einhaltung eines bestimmten Inflationszieles verfolge, immer auch haushaltspolitische Konsequenzen. Und im Falle einer Währungsunion mit mehreren Staaten sei auch die Umverteilung von Mitteln zwischen den beteiligten Staaten eine der Konsequenzen. Der Unwille zu so einer Umverteilung führe die Eurozone letztlich in eine Deflation.

Bei so viel Kritik trat Merkel die Flucht nach vorne an. Sie kritisierte ihrerseits die Kritiker:

„Man sollte auch die Ehrlichkeit haben, die Fehlerquoten oder die Unschärfen anzugeben, wenn man es nicht ganz genau weiß,“ sagte sie in Richtung der Ökonomen. Wie sie ansonsten mit der Kritik umzugehen gedenkt, enthüllt wahrscheinlich ein anderer Satz von ihr: „Man kann sich unter verschiedenen wissenschaftlichen Meinungen immer die aussuchen, die einem am wahrscheinlichsten erscheint.“

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