Politik

Amnesty wirft ukrainischen Kampfgruppen Kriegsverbrechen vor

Amnesty International fordert von der Ukraine, die Kriegsverbrechen durch Freiwilligen-Verbände in der Ostukraine zu beenden. Diese kämpfen an der Seite der Regierungstruppen, werden aber nicht kontrolliert. Die von ihnen begangenen Kriegsverbrechen müssen von der Regierung in Kiew sofort geahndet werden. Sie sind verantwortlich für Entführungen, schwere Misshandlungen, Raubüberfälle, Lösegeld-Erpressungen und möglicherweise sogar Hinrichtungen. Seitens der EU, die die Regierung in Kiew unterstützt, liegt zu den Vorwürfen keine Stellungnahme vor.
08.09.2014 22:26
Lesezeit: 2 min

Bei einem Treffen am Montag forderte der Generalsekretär von Amnesty International, Salil Shetty, vom Premier der Ukraine, Arsenij Jazenjuk, die Misshandlungen und Kriegsverbrechen zu beenden, die in der Ostukraine durch Freiwilligenverbände verübt werden. Diese Freiwilligenverbände kämpfen Seite an Seite mit den Regierungstruppen. Die Schuldigen müssten zur Verantwortung gezogen werden, sagte Shetty den Deutschen Wirtschafts Nachrichten.

„Die ukrainischen Behörden müssen gründlich und unparteiisch alle Vorwürfe von durch Angehörige der Freiwilligen-Bataillone begangenem Missbrauch untersuchen, darunter konkret durch das Aidar-Bataillon begangenen Missbrauch in der Region Nord-Lugansk, und die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen.“

Der rechtliche Status der Freiwilligen-Verbände wie des Aidar-Bataillons muss geklärt werden. Sie müssen in klare Kommandoketten, Kontrolle und Verantwortlichkeit integriert werden. Geschieht dies nicht, werden sich die Spannungen in der Ostukraine nur noch weiter verschärfen. Dies führt zu neuen Stufen der Gesetzlosigkeit, was einen der Hauptgründe für den Konflikt darstellt.“

Die ukrainischen Behörden dürfen die Gesetzlosigkeit und Misshandlungen nicht weiter zulassen, die in den Gebieten verübt werden, die zuvor von den Separatisten gehalten wurden“, sagte Generalsekretär Shetty. Die anhaltenden Misshandlungen und Kriegsverbrechen durch Freiwilligenverbände könnten die Spannungen in der Ostukraine verschärfen und die benannten Ziele der Ukraine gefährden.

Daher fordert Amnesty International von der Ukraine, die Freiwilligen-Bataillone wirksam zu kontrollieren, sofort alle Vorwürfe von Misshandlungen zu untersuchen und die Schuldigen zur Verantwortung zu ziehen. Premier Jazenjuk sagte zu, dass seine Regierung alle Täter zur Verantwortung ziehen wird. Amnesty International begrüßte diese Zusage. „Wir werden auf der Einhaltung dieser Zusage bestehen“, sagte Shetty.

Zuvor veröffentlichte Amnesty International am Montag einen Bericht über Nachforschungen in der Region Nord-Luhansk mit dem Titel „Ukraine: Misshandlungen und Kriegsverbrechen durch das Aidar-Freiwilligen-Battaillon in der Region Nord-Luhansk“. Darin dokumentiert die Organisation eine wachsende Zahl von Misshandlungen durch das Aidar Freiwilligen-Bataillon.

Aidar ist eins von mehr als 30 sogenannten Freiwilligen-Bataillonen, die als Folge des Konfliktes entstanden sind. Sie sind lose in die ukrainischen Sicherheitsstrukturen integriert und unterstützen den Kampf gegen die Separatisten. Amnesty International dokumentiert unter anderem Entführungen, ungesetzliche Festnahmen, Misshandlungen, Raubüberfälle, Erpressungen und mögliche Hinrichtungen durch das Aidar-Bataillon. Einige dieser Handlungen stellen Kriegsverbrechen dar.

Die Mitarbeiter von Amnesty International hielten sich für ihre Nachforschungen zwei Wochen lang in der Region auf. Sie befragten sowohl dutzende Opfer und Zeugen von Misshandlungen, als auch lokale Beamte, Militärs und Polizisten und Angehörige des Aidar-Bataillons. Der Chef des Aidar-Bataillons sagte zu einem Mitarbeiter von Amnesty International:

„Das ist hier nicht Europa. Es ist ein bisschen anders. […] Hier herrscht Krieg. Das Gesetz hat sich verändert, die Abläufe sind vereinfacht worden. […] Wenn ich will, kann ich Sie sofort festnehmen, Ihnen eine Tüte über den Kopf ziehen und sie für 30 Tage in eine Zelle sperren wegen des Verdachts auf Unterstützung der Separatisten.“

Laut Amnesty International steht das Aidar-Bataillon nur formal unter dem Kommando der ukrainischen Armee. Tatsächlich gibt kaum Aufsicht oder Kontrolle. Die lokale Polizei ist „entweder nicht willens oder unfähig, sich mit den Misshandlungen zu beschäftigen“, so der Bericht.

Amnesty International hat Dutzende Fälle von Missbrauch durch das Aidar-Bataillon zwischen Ende Juni und Ende August dokumentiert. Viele der Zeugen und Opfer hatten Angst, mit Amnesty International zu sprechen, aus Angst vor Rache-Aktionen des Aidar-Bataillons. In dem Bericht heißt es:

„Typischerweise entführten die Kämpfer einheimische Männer, oft Geschäftsleute oder Bauern, denen sie Zusammenarbeit mit den Separatisten vorwarfen, und hielten sie in behelfsmäßigen Unterkünften, bevor sie sie freiließen oder die an den Sicherheitsdienst (SBU) übergaben.“

In fast allen Fällen wurden die Opfer während der Entführung oder dem Verhör geschlagen. Amnesty International berichtet von gebrochenen Knochen. Die entführten Opfer mussten Lösegeld zahlen, um freizukommen. Oder ihr Besitz darunter Geld, Autos, Telefone und andere Wertgegenstände wurden ihnen von Kämpfern des Aidar-Bataillons weggenommen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Technologie
Technologie Arbeitsmarkt: Top-Berufe, die es vor 20 Jahren noch nicht gab
31.03.2025

Eine Studie von LinkedIn zeigt, wie Künstliche Intelligenz (KI) neue Jobs und Fähigkeiten schafft, Karrieren und Arbeitswelt verändert:...

DWN
Finanzen
Finanzen Commerzbank-Aktie: Kurs knickt nach Orcel-Aussage deutlich ein
31.03.2025

Die Commerzbank-Aktie muss nach einer starken Rallye einen Rückschlag hinnehmen. Unicredit-Chef Andrea Orcel hatte zuvor einen möglichen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft EU vor Herausforderungen: Handelskriege könnten die Wirtschaft belasten – der Ausweg heißt Binnenmarkt
31.03.2025

Die protektionistischen Maßnahmen der USA und mögliche Handelskonflikte belasten die EU-Wirtschaft. Experten wie Mario Draghi fordern...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Betonblock: Lego verklagt Hersteller von Anti-Terror-Betonklötzen
31.03.2025

Lego verklagt das niederländische Unternehmen Betonblock. Die Anti-Terror-Blöcke des Herstellers erinnerten zu sehr an die...

DWN
Technologie
Technologie Neue EU-Vorschriften: Plug-in-Hybriden drohen deutlich höhere CO2-Emissionen
31.03.2025

Mit der Einführung neuer, verschärfter Emissionsmessungen für Plug-in-Hybride (PHEVs) wird die Umweltbilanz dieser Fahrzeuge erheblich...

DWN
Politik
Politik Marine Le Pen wegen Veruntreuung zu Fußfesseln verurteilt - FN-Chef Bardella: "Hinrichtung der französischen Demokratie"
31.03.2025

Marine Le Pen wurde in Paris wegen der mutmaßlichen Scheinbeschäftigung von Mitarbeitern im Europaparlament schuldig gesprochen - das...

DWN
Technologie
Technologie Balkonkraftwerk mit Speicher: Für wen sich die Investition wirklich lohnt
31.03.2025

Balkonkraftwerk mit Speicher: eigenen Strom gewinnen, speichern und so Geld sparen. Doch so einfach ist es leider nicht, zumindest nicht...

DWN
Finanzen
Finanzen US-Börsen: Der Handelskrieg gefährdet die US-Ausnahmestellung
31.03.2025

Da Investitionen nach neuen Möglichkeiten abseits der zuletzt florierenden US-Finanzmärkte suchen, wird an der Wall Street diskutiert, ob...