Finanzen

Unternehmen drohen Strafzinsen, wenn zuviel Geld auf dem Konto liegt

Lesezeit: 2 min
09.10.2014 00:18
Mehrere Banken haben offenbar damit begonnen, von Unternehmen Strafzinsen zu verlangen, wenn sie zuviel Geld auf dem Konto liegen haben. Die Politik der EZB führt also dazu, dass Unternehmen, die gut wirtschaften und eine solide Liquidität haben, schlechter gestellt werden als solche, die gerne Kredite aufnehmen - eine fatale Entwicklung.

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Banken drohen Unternehmen mit Strafzinsen, wenn diese kurzfristig Vermögen bei den Geldhäusern parken wollen. Beschwerden über diese Praxis gibt es bereits von Hornbach, Lufthansa und Eon.

Ein mit der Sache vertrauter Banken-Insider sagte den Deutschen Wirtschafts Nachrichten, dass mehrere Banken gezwungen seien, bei großen Geschäftskunden Strafzinsen zu erheben. Der Grund dafür sei, dass den Banken durch die EZB-Politik Kosten für freie Liquidität entstünden und es für die Banken daher „schädlich“ sei, wenn Kunden große Summen auf den Konten liegen hätten. Die Banken seien daher dazu übergegangen, den Kunden Anlageformen zu empfehlen, mit denen sie ihre Liquiditätsbestände reduzieren könnten. Für viele Unternehmen sei dies allerdings ein Problem, weil sie über kurzfristige Liquidität verfügen müssten. Es sei ungewöhnlich für Unternehmen, ihre Geld in 6- oder 9-monatige Festgeldkonten zu überführen. Noch betreffe das Problem allerdings vor allem die DAX-Konzerne. Mittelständler seien davon noch nicht betroffen. Allerdings wollte der Insider nicht ausschließen, dass Strafzinsen auf Liquidität auch bei kleineren und mittleren Unternehmen erhoben werden müssten, wenn sich die Politik der EZB in dieser Frage nicht ändere.

Problematisch wird es für die Konzerne, wenn viele Banken dieses Procedere übernehmen und somit die Ausweichmöglichkeiten schwinden. Die Banken selbst sehen die Verantwortung für die Strafzinsen im Vorgehen der EZB. Die niedrigen Zinsen macht es den Instituten schwer, das Geld lohnend anzulegen.

Aus diesem Grund schließen die meisten deutschen Banken nicht aus, in Zukunft ebenfalls Strafzinsen zu erheben, wie Finance in einer Umfrage bei den deutschen Geldhäusern in Erfahrung brachte. Offen zugeben wollte dies keines der befragten Institute, allerdings dementierten Deutsche Bank und die DZ Bank die negativen Zinsen im Firmenkundenbereich nicht.

Die Banken versuchen die Finanzchefs der Unternehmen von anderen Anlageformen zu überzeugen, scheibt auch Finance. Die Situation bleibt angespannt, so lange die EZB ihre Niedrigzinspolitik betreibt. Für die Unternehmen heißt das gegebenenfalls, dass sie ihr Geld Banken mit schlechter Bonität überlassen – wenn diese im Gegenzug keine Negativ-Zinsen erheben. Eine weitere Möglichkeit ist, in risikoreichere Anlagenformen zu wechseln.

Allerdings sind vielen Unternehmen die Hände gebunden: Es ist ihnen verboten, mit vorhandenem Kapital zu spekulieren. Ein Geschäftsführer einer GmbH etwa macht sich strafbar, wenn er Geld aus dem Unternehmen zieht und für nicht unternehmensbezogene Zwecke verwendet. Spekulationsgeschäfte gehören nach der einschlägigen Rechtssprechung nicht zum Zweck eines normalen Unternehmens.

Der Leiter der Kapitalmarktanalyse-Abteilung der Baader Bank, Robert Halver, sagte den Deutschen Wirtschafts Nachrichten:

Strafzinsen auf Bankkunden zu erheben ist unsinnig. Die Konkurrenz schläft nicht und jedes Unternehmen hat die Möglichkeit, die eigenen Einlagen bei einer anderen deutschen oder ausländischen Bank anzulegen. Dadurch schafft man kein Vertrauen bei den Kunden. Falls eine Bank Strafzinsen an die EZB zahlen muss, besteht die Möglichkeit, die geleisteten Strafzinsen als Gebühren auf die eigenen Kunden umzuschichten. Doch auch das halte ich für fragwürdig.“


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Kostenloses Experten-Webinar: Die Zukunft der personalisierten Medizin aus der Cloud - und wie Sie davon profitieren

Eine individuelle Behandlung für jeden einzelnen Menschen - dieser Traum könnte nun Wirklichkeit werden. Bei der personalisierten Medizin...

Jede Anlage am Kapitalmarkt ist mit Chancen und Risiken behaftet. Der Wert der genannten Aktien, ETFs oder Investmentfonds unterliegt auf dem Markt Schwankungen. Der Kurs der Anlagen kann steigen oder fallen. Im äußersten Fall kann es zu einem vollständigen Verlust des angelegten Betrages kommen. Mehr Informationen finden Sie in den jeweiligen Unterlagen und insbesondere in den Prospekten der Kapitalverwaltungsgesellschaften.

DWN
Politik
Politik DWN-Kommentar: Eine Welt ohne Europa?
04.05.2024

Der Krieg in der Ukraine und die Spannungen im Nahen Osten gefährden die Zukunftsfähigkeit der EU. Nun steht sie an einem Scheideweg:...

DWN
Finanzen
Finanzen Platzt die ETF-Blase – was dafür, was dagegen spricht
04.05.2024

Kaum eine Investmentform konnte in den zurückliegenden Jahren die Gunst der Anleger derart erlangen wie dies bei Exchange Traded Funds,...

DWN
Immobilien
Immobilien Streikwelle auf Baustellen droht: Gewerkschaft kündigt Massenstreiks an
04.05.2024

Die Bauindustrie steht vor Massenstreiks: Gewerkschaft kündigt flächendeckende Arbeitsniederlegungen mit rund 930.000 Beschäftigten an.

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Chinas Einfluss in Südostasien: Herausforderung für deutsche Firmen
04.05.2024

Deutsche Unternehmen suchen verstärkt nach Alternativen zum chinesischen Markt und richten ihr Augenmerk auf die aufstrebenden...

DWN
Technologie
Technologie CO2-Speicherung: Vom Nischenthema zum Wachstumsmarkt
04.05.2024

Anreize durch die Politik, eine neue Infrastruktur und sinkende Kosten: CO2-Speicherung entwickelt sich zusehends vom regionalen...

DWN
Politik
Politik Wahljahr-Turbulenzen: Biden im Kreuzfeuer der Gaza-Proteste
04.05.2024

Seit Monaten sind bei fast jedem öffentlichen Auftritt von Präsident Joe Biden propalästinensische Demonstrationen zu sehen, die sich im...

DWN
Politik
Politik Mindestlohn: Neues Streitthema köchelt seit dem Tag der Arbeit
04.05.2024

Im Oktober 2022 wurde das gesetzliche Lohn-Minimum auf zwölf Euro die Stunde erhöht. Seit Jahresanfang liegt es bei 12,41 Euro, die von...

DWN
Technologie
Technologie Deutsches Start-up startet erfolgreich Rakete
04.05.2024

Ein deutsches Start-up hat eine Rakete von zwölf Metern Länge entwickelt, die kürzlich in Australien getestet wurde. Seit Jahrzehnten...