Gemischtes

Versicherungs-Vermittler unter Druck, weil sie Vorschüsse einlösen müssen

Die Versicherer sitzen auf riesigen Altlasten. Zudem arbeiten in der Branche rund 250.000 Vermittler. Nicht alle werden mehr davon leben können. Das bringt die Vermittler noch mehr unter Druck, die Abschlussquoten zu erfüllen. Privatinsolvenzen und wirtschaftliche Probleme der Vermittler sind die Folgen.
03.11.2014 00:11
Lesezeit: 1 min

In Deutschland gibt es 250.000 Versicherungsvermittler. „Man kann ihnen aber nicht mehr so viel zahlen, dass alle davon leben können“, so Herbert Fromme Versicherungskorrespondent der Süddeutschen Zeitung und Herausgeber des „Versicherungsmonitor“ bei der Eröffnung der 13. SimCorp Fachtagung für Versicherungen. Auf der Veranstaltung in Köln beschäftigten sich die Versicherer mit der Zukunft ihrer Branche.

Die Versicherer sitzen auf riesigen Altlasten, zudem übe die Modernisierung weiteren Druck aus: „Ein Versicherer, der digital aufgestellt ist, braucht nur noch die Hälfte der Leute“, so Fromme.

Zugleich warnte er vor neuen Geschäftsmodellen, etwa einem Risikoversicherer, der bald auf den deutschen Markt kommt. Das Unternehmen benötige nur zehn Personen plus weiteren 30 Mitarbeitern im Callcenter. So bräuchten sie nur zehn Prozent der Kosten im Vergleich zu den etablierten Versicherern.

Es sei nicht selten, dass Versicherungsvermittler pleitegehen, so Michael Heinz, der Vorsitzende des Bundesverbandes Deutscher Versicherungskaufleute im Interview mit der Welt. Fast ein Drittel mache nicht mehr als 55.000 Euro Gewinn vor Steuern im Jahr.

Die Aussichten für Vermittler werden sich also weiter verschlechtern. Bereits heute ist der Druck, der von den Versicherungen aufgebaut gegenüber der Vermittler aufgebaut wird, groß.

„Am Anfang klingt das Modell sehr verlockend. Man bekommt bereits vor dem ersten Vertragsabschluss einen Vorschuss. Doch wenn die vereinbarte Menge an Verträgen nicht geleistet wird, kann das Geld auch schnell zurückverlangt werden“, so eine ehemalige Versicherungsvertreterin eines großen deutschen Versicherers zu den Deutschen Wirtschafts Nachrichten“.

Die Ziele werden anfangs formuliert. Wer sie nicht erreicht, wird zum Einzelgespräch geladen, offiziell um „gemeinsam zu analysieren, was besser gemacht werden soll“. Tatsächlich wird dem Vermittler direkt gesagt, dass er auf die Quoten kommen müsse.

Wer nicht aufpasse, für den werde sich das anfangs verheißungsvolle Vermittlergeschäft zum Minusgeschäft entwickeln. Es gibt kein geregeltes Einkommen, daher lebe man in permanenter finanzieller Unsicherheit. Der Faktor, dass bereits ausgezahlte Provisionen auch wieder zurückgezahlt werden müssen, verstärke das Risiko.

Mehrere Ex-Kollegen hätten dadurch Probleme im Privatleben bekommen. „Ich kenne Vermittler, die aus dem Druck heraus, Verträge abschließen zu müssen, Versicherungen für alles Mögliche an Freunde und Familie zu verkaufen. Das hat dann die Beziehungen schwer belastet“, so die Vermittlerin, die selber wenige Jahre in der Branche war.

Eines Tages wurde ihre Abteilung zusammengelegt und eine Führungsebene geschaffen. Der neugeschaffene Posten wurde an den Provisionen der Vermittler beteiligt. Das war der Moment, an dem die Berlinerin beschloss, auszusteigen.

 

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Technik streikt: Zählt Ausfallzeit zur Arbeitszeit?
01.07.2025

Wenn im Büro plötzlich die Technik versagt, stellt sich schnell eine Frage: Muss weitergearbeitet werden – oder zählt die Zeit...

DWN
Politik
Politik NATO ohne Substanz: Europa fehlen Waffen für den Ernstfall
01.07.2025

Europa will mehr für die Verteidigung tun, doch der Mangel an Waffen, Munition und Strategie bleibt eklatant. Experten warnen vor fatalen...

DWN
Finanzen
Finanzen Trumps Krypto-Coup: Milliarden für die Familienkasse
30.06.2025

Donald Trump lässt seine Kritiker verstummen – mit einer beispiellosen Krypto-Strategie. Während er Präsident ist, verdient seine...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Streit um Stromsteuer belastet Regierungskoalition
30.06.2025

In der Bundesregierung eskaliert der Streit um die Stromsteuer. Während Entlastungen versprochen waren, drohen sie nun auszubleiben –...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft PwC: Künstliche Intelligenz schafft Jobs nur für die, die vorbereitet sind
30.06.2025

Künstliche Intelligenz verdrängt keine Jobs – sie schafft neue, besser bezahlte Tätigkeiten. Doch Unternehmen müssen jetzt handeln,...

DWN
Unternehmen
Unternehmen United Internet-Aktie unter Druck: 1&1 reduziert Prognose
30.06.2025

1&1 senkt überraschend seine Gewinnprognose trotz zuletzt guter Börsenstimmung. Der Grund: deutlich höhere Kosten beim nationalen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Inflation in Deutschland sinkt im Juni auf 2,0 Prozent: Energiepreise entlasten
30.06.2025

Die Inflation in Deutschland hat im Juni einen überraschenden Tiefstand erreicht – doch nicht alle Preise sinken. Was bedeutet das für...

DWN
Politik
Politik Trumps Schritte im Nahen Osten: Nur der Anfang eines riskanten Spiels
30.06.2025

Donald Trump bombardiert den Iran, erklärt die Waffenruhe – und feiert sich selbst als Friedensbringer. Experten warnen: Das ist erst...