Wirtschaft

Ölpreis-Verfall: Die Regeln der Weltwirtschaft werden neu definiert

Der fallende Ölpreis bringt die Gesetzmäßigkeiten in der Weltwirtschaft durcheinander: Die alte Regel, dass ein sinkender Ölpreis zu mehr globalem Wachstum führt, gilt nicht mehr. Daher gibt es auch wenig Schadenfreude über das Chaos in Russland.
21.12.2014 00:39
Lesezeit: 2 min

Der Rückgang des Ölpreises stellte im aktuellen Jahr den größten Schlag für die Weltwirtschaft dar. Dieser ist seit Juni um 40 Prozent auf rund 60 Dollar gefallen. Dies hat weitreichende und vor allem nachhaltige finanzielle Folgen für die erdölproduzierenden Staaten.

Doch die Internationale Energie-Agentur (IEA) meldet, dass die weltweiten Ölvorräte der wohlhabenden Industriestaaten einen Höchststand erreicht haben. Der durchschnittliche Preis der Ölsorte WTI ist von 100 Dollar pro Barrel auf weniger als 60 Dollar gesunken. Dieser Trend war auch bei der Nordsee-Ölsorte Brent zu beobachten. Selbst ein leichter Aufwärtstrend am Dienstag kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Abwärtskurs des Ölpreises anhält.

Der Absturz des Ölpreises bedroht den Lebensstandard und die öffentlichen Finanzen Russlands. Russland wird in das neue Jahr als Atommacht starten, die gegen die Abwertung des Rubels kämpft, berichtet die Financial Times. Die USA können dagegen fast 90 Prozent ihres Energiebedarfs aus heimischen Quellen decken. Im Jahr 2005 lag dieser Anteil noch bei 70 Prozent.

Fallende Ölpreise führen nicht mehr automatisch zum globalen Wirtschaftswachstum. Der Haupteffekt ist eine riesige Umverteilung von Ölproduzenten auf die Verbraucher, die vom niedrigen Ölpreis profitieren. Diese können die eingesparten Gelder für andere Waren und Dienstleistungen ausgeben oder als Einsparungen zurückhalten. Nach Angaben von Gabriel Sterne von Oxford Economics führen die niedrigen Preise zu einer Umverteilung von Einkommen in die Taschen derjenigen, die eine höhere Konsumneigung haben.

IWF-Chefin Christine Lagarde sagte im Dezember, dass der fallende Ölpreis „eine gute Nachricht für die Weltwirtschaft“ sei. Sie rechnet mit einem Wachstumsschub. Doch sie sagte auch, dass die sinkenden Ölpreise sich nicht positive auf alle Staaten auswirken werden. So werde eine Destabilisierung der russischen Wirtschaft stattfinden. Es gebe nun einmal „Gewinner und Verlierer“ des Ölpreis-Verfalls. Doch auch Venezuela, Norwegen, Dubai, Nigeria, Saudi Arabien und Kuwait gehören zu den Verlierern.

Die großen Gewinner werden die Länder sein, die als große Energie-Konsumenten gelten und gleichzeitig von Ölimporten abhängig sind. Die Ratingagentur Moody 's rechnet damit, dass Länder, die gegen die hohe Inflation kämpfen und hohe Ölsubventions-Rechnungen haben, von dem niedrigen Ölpreis-Niveau profitieren werden. Dazu gehören unter anderem Indonesien und Indien.

Nach Schätzungen von Oxford Economics führt jeder Ölpreis-Rückgang von 20 Dollar zu einem globalen Wachstum von 0,4 Prozent. Der IWF meldet, dass jeder Ölpreis-Rückgang von 40 Dollar zu einem globalen Wachstum von 0,5 Prozent führt. Beide argumentieren zumindest in dieselbe Richtung. Unter Berücksichtigung von 45 Ländern, werden insbesondere die Schwellenländer profitieren. Sie gelten als die Gewinner. So können sie Einschnitte bei den Öl-Subventionen einnehmen und damit ihre öffentlichen Finanzen entlasten. Die entwickelten Volkswirtschaften werden ebenfalls profitieren. Doch deren Abhängigkeit von Öl ist im Vergleich geringer.

Der HSBC-Chefökonom Stephen King ist der Ansicht, dass die niedrige Ölnachfrage in Europa, China und Japan während der Sommerperiode zum Ölpreis-Verfall geführt hat. Das traditionelle Credo, dass niedrigere Ölpreise gut und höhere Ölpreise schlecht seien, entspricht „offensichtlich nicht der Wahrheit“, so King. Denn die fallenden Energie-Preise dämpfen die Inflation und könnten in einer Deflation münden. Diese würde sich negativ auf das Wirtschaftswachstum auswirken. So lagen im November die Verbraucher-Preise in der Eurozone bei 0,3 Prozent. Um eine Deflation zu verhindern, hat die EZB ihren Leitzins auf ein 0,05 Prozent gesenkt.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Ostdeutsche Wirtschaft holt auf: Thüringen und Sachsen mit Spitzenplätzen
20.05.2025

Einer neuen ifo-Studie zufolge hat Ostdeutschland wirtschaftlich gegenüber dem Westen deutlich aufgeholt. Der Thüringer Industrieanteil...

DWN
Politik
Politik Wenn Europa falsch reagiert, wird Trump zur echten Gefahr für die NATO
20.05.2025

Donald Trump ist zurück – und mit ihm die Zweifel an der Zukunft der NATO. Ex-Sicherheitsberater John Bolton warnt: Nicht Trump allein...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Amazons Geheimwaffe aus Israel: Wie ein unbekanntes Start-up den KI-Krieg entscheidet
20.05.2025

Ein unbekanntes Start-up aus Israel liefert den Treibstoff für Amazons KI-Vormarsch. Mit Annapurna Labs sichert sich der Tech-Gigant die...

DWN
Finanzen
Finanzen 30.000 Dollar für Gold – und der Westen ist bankrott
20.05.2025

Gold steigt, wenn das Vertrauen fällt. Für Hedgefonds-Manager David Einhorn wäre ein Kurs von 30.000 Dollar kein Triumph – sondern ein...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Krise am Bau: Wohnungsmarkt steckt fest – Bauindustrie warnt vor Investitionsstau
20.05.2025

Die deutsche Bauwirtschaft steckt weiterhin tief in der Krise. Der Wohnungsbau schwächelt, Neubauten stagnieren – und aus Sicht der...

DWN
Politik
Politik BKA: Politisch motivierte Kriminalität steigt um 40 Prozent– Beratungsstellen schlagen Alarm
20.05.2025

Schon die erste Kriminalitätsstatistik, die Dobrindt vorstellt, zeigt, dass er ein schwieriges Amt übernommen hat. Bei Straftaten mit...

DWN
Finanzen
Finanzen BYD-Aktie auf Rekordjagd: Neue Technologie und Europa-Strategie beflügeln den Kurs
20.05.2025

Die BYD-Aktie bricht Rekorde, während Konkurrent Tesla schwächelt. Neue Technologien und Strategien sorgen für Aufsehen – doch wie...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Russland unter Druck: EU verschärft Sanktionen gegen Kreml
20.05.2025

Trotz der Bemühungen von US-Präsident Donald Trump ist ein Ende des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine weiterhin nicht in Sicht....