Politik

EU auf dem Weg zum Zentralstaat: Deutschland gerät stärker unter Druck

Das Bundesverfassungsgericht hält Draghis OMT-Programm für illegal. Dennoch verzichtete es im vergangenen Jahr drauf, selber ein Urteil zu sprechen. Sollte im Herbst der EuGH die Stellungnahme ihres Generalanwalts bestätigen, kann Karlsruhe nicht mehr gegen das Urteil vorgehen. Der Spielraum für das weitere Vorgehen ist stark begrenzt.
15.01.2015 00:25
Lesezeit: 1 min

Der Generalanwalt der Europäischen Gerichtshof bewertet die Pläne der EZB, massenhaft Staatsanleihen zu kaufen, als rechtmäßig. Diese Stellungnahme bringt gleichzeitig die deutschen Gerichte in eine schwierige Position.

Eine endgültige Entscheidung wird der EuGH erst im Herbst treffen. Dies könnte zum wichtigen Präzedenzfall werden – vor allem für das Bundesverfassungsgericht. Karlsruhe hatte im Februar 2014 bekanntgegeben, die Frage, ob unbeschränkte Staatsanleihekäufe der Europäischen Zentralbank mit EU-Recht und dem deutschen Grundgesetz vereinbar sind, dem EuGH in Luxemburg zur Klärung vorzulegen.

Karlsruhe hatte in seiner Entscheidung allerdings festgehalten, dass das OMT-Programm, wie es von Draghi verkündet wurde, den Europäischen Verträgen widerspreche. Allenfalls wäre ein zeitlich befristeter Ankauf von ausgewählten Staatsanleihen möglich.

Damit bleiben einige entscheidende Fragen trotz EuGH-Stellungnahme für das Bundesverfassungsgericht ungeklärt. Offen bleibt zunächst, ob die Anleihenkäufe unbegrenzt sein können oder nicht, analysiert Raoul Ruparel, Chef des Wirtschaftsforschung bei Open Europe. Zudem werde zu wenig darüber gesprochen, welche Rolle die EZB einnimmt, sollte es tatsächlich zu einer Restrukturierung der gekauften Anleihen kommen.

Das Bundesverfassungsgericht hält Draghis OMT-Programm für illegal. Sollte im Herbst der EuGH die Stellungnahme ihres Generalanwalts bestätigen, kann Karlsruhe nicht mehr gegen das Urteil vorgehen. Der Spielraum für das weitere Vorgehen ist begrenzt.

Entweder Karlsruhe lässt alle Einwände fallen oder es fordert die Bundesbank dazu auf, an keinem OMT-Programm teilzunehmen. Der Bundestag könnte jede Rettungsaktion, die mit dem OMT verbunden ist, ablehnen. Doch dies würde zum Streit zwischen dem größten EU-Mitglied und dem EuGH führen, so Ruparel. Denn die EZB würde wohl die Weigerung der Bundesbank, am OMT-Programm teilzunehmen, wiederum vor den EuGH bringen. Und somit käme es zur direkten Auseinandersetzung zwischen Karlsruhe und dem Europäischen Gerichtshof.

Doch selbst der Generalanwalt zweifelt, ob die Gerichte die Expertise haben, solche Entscheidungen zu treffen: „Die EZB muss diskret vorgehen, wenn es um die Gestaltung und Umsetzung der Geldpolitik der EU geht. Und die Gerichte müssen ein beträchtliches Maß an Vorsicht bei der Überprüfung der Tätigkeit der EZB ausüben, da ihnen das Know-how und die Erfahrung, die die EZB in diesem Bereich hat, fehlt“, so EuGH-Generalanwalt Cruz Villalón in seiner OMT-Stellungnahme.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Geldanlage: Mit einem Fondsdepot mehr aus dem eigenen Geld machen

Wer vor zehn Jahren 50.000 Euro in den Weltaktienindex investiert hat, kann sich heute über mehr als 250.000 Euro freuen! Mit der...

DWN
Politik
Politik Wahlsieger Merz: Trotz Wermutstropfen Rambo-Zambo
23.02.2025

Der CDU-Chef bringt den Vorsprung aus den Umfragen ins Ziel: Die Union gewinnt die Bundestagswahl. Doch ein wichtiges selbstgestecktes Ziel...

DWN
Politik
Politik Erwartungen verfehlt: FDP erleidet mit Lindner herbe Wahlniederlage
23.02.2025

Die FDP bleibt unter den eigenen Erwartungen und hat sich von der Krise in der Ampel-Koalition nicht erholt. Parteichef Lindner und seine...

DWN
Politik
Politik Bundestagswahl: Union gewinnt vor AfD, Fiasko für die SPD - droht erneut eine Dreierkoalition?
23.02.2025

CDU und CSU gehen als klare Sieger aus der Bundestagswahl hervor – für die SPD ist es das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte. Die...

DWN
Politik
Politik Merz triumphiert, Scholz geschwächt: Die Konsequenzen der Wahl
23.02.2025

Deutschland hat entschieden, und es gibt einen klaren Gewinner. Dennoch dürfte die Regierungsbildung herausfordernd werden, da die Zeit...

DWN
Politik
Politik Wie es nach der Bundestagswahl weitergeht
23.02.2025

Nach der Bundestagswahl beginnt die nächste Phase: die Regierungsbildung. Dabei sind zahlreiche Schritte erforderlich, die sich über...

DWN
Politik
Politik Wahlrecht 2025: Kleinerer Bundestag, größere Auswirkungen – Das ändert sich für Wähler und Parteien
23.02.2025

Am Wahltag selbst werden die meisten Wählerinnen und Wähler keinen Unterschied bemerken. Doch hinter den Kulissen verändert sich...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Schweizer Infrastrukturexperte: "Deutschland war lange der Wirtschaftsmotor Europas – das muss wieder so sein"
23.02.2025

Deutschland kämpft mit maroden Brücken, Straßen, Schienen, Strom- und Kommunikationsnetzen. Der Schweizer Infrastrukturexperte Alexander...

DWN
Finanzen
Finanzen ROI: Return on Investment und warum eine hohe Kapitalrendite wichtig ist
23.02.2025

Eine hohe Kapitalrendite entscheidet über den finanziellen Erfolg von Unternehmen und Investoren. Erfahren Sie, warum sie so wichtig ist...