Finanzen

„Ende mit Schrecken“: Schweizer Börse stürzt nach Franken-Entscheid ab

Lesezeit: 2 min
15.01.2015 13:47
Die Börse in Zürich ist um bis zu 14 Prozent eingebrochen, weil die Anleger von der Entscheidung des SNB völlig überrascht wurden. Auch in Frankfurt gab es Turbulenzen. Die Schweizer Notenbank koppelt sich vom Euro ab, weil dieser vermutlich in der nahen Zukunft weiter deutlich abwerten werde. Die NZZ sieht das Reaktion an den Börsen als das klassische „Ende mit Schrecken“. Die SNB habe richtig gehandelt, weil ihre Aufgabe nicht die Exportförderung sei.
„Ende mit Schrecken“: Schweizer Börse stürzt nach Franken-Entscheid ab

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Die Aufgabe des Euro-Mindestkurses durch die Schweizer Notenbank SNB hat einen Kurssturz an der Züricher Aktienbörse ausgelöst. Der Leitindex SMI brach am Donnerstag um bis zu 14 Prozent ein. Das ist der größte Verlust seiner Geschichte. Dabei büßten die dort gelisteten Unternehmen zusammen etwa 140 Milliarden Franken an Marktkapitalisierung ein. Das entspricht in etwa der Schweizer Wirtschaftsleistung eines Quartals. Der Aktienumsatz lag am schon Mittag fast vier Mal so hoch wie an einem gesamten Durchschnittstag.

Da die SNB den vor mehr als drei Jahren eingeführten Euro-Mindestkurs nicht mehr durch Stützungskäufe verteidigen will, brach der Kurs der Gemeinschaftswährung um bis zu 28 Prozent ein - so stark wie noch nie. Dabei markierte er mit 0,8639 Franken ein Rekordtief. In seinem Sog geriet der Euro auch zum Dollar ins Rutschen. Sein Kurs fiel auf ein Neun-Jahres-Tief von 1,1665 Dollar. Der Absturz der Schweizer Börse um bis zu 8,7 Prozent drückte zeitweise bei hohem Umsatz auch den Dax 1,8 Prozent auf 9637 Punkte ins Minus. Der EuroStoxx50 verlor bis zu 2,2 Prozent auf 3020 Zähler. Im Verlauf zogen beide Indizes wieder an und pendelten um ihre Vortagesschlusskurse.

Ein Analyst vermutete, dass letztlich die Entscheidung der SNB ein Signal für eine bevorstehende größere Aktion der EZB sein könnte. Die Frankfurter Währungshüter kommen in einer Woche wieder zusammen. Seit Wochen wird darüber spekuliert, wann die EZB mit einem umfangreichen Anleihekaufprogramm zur Ankurbelung der Kreditvergabe der Konjunktur in der Euro-Zone unter die Arme greift. Am Mittwoch hatte der EuGH signalisiert, dass er keine großen Bedenken gegen die neue Geldschwemme hat. Bei einer Pressekonferenz sagte SNB-Chef Peter Jordan jedoch ausdrücklich, dass der Vortrag des EuGH-Generalanwalts keine Rolle bei der Entscheidung gespielt habe. Der Zeitpubkt sei zufällig.

Die NZZ, die die Ereignisse in einem interessanten Live-Blog verfolgt, lobt die Entscheidung der SNB und kommentiert unter dem Titel "Ein Ende mit Schrecken":

Weil temporär gerne als dauerhaft missverstanden wird und die SNB aus kurzfristigen Überlegungen heraus auch wohl zu wenig tat, um daran etwas zu ändern, wird die Aufhebung des Mindestkurses Teile der Schweizer Exportwirtschaft unvorbereitet und hart treffen. Das wird das Wirtschaftswachstum bremsen und den Kostendruck im Exportsektor wieder erhöhen. Doch so sehr das im Einzelnen schmerzen mag: Die Nationalbank muss danach streben, Preisstabilität und ein möglichst stabiles Umfeld zu sichern. Aber es kann und darf nicht ihre Aufgabe sein, Exportförderung zu betreiben.

Die Schweizer Sozialdemokraten reagierten schockiert. In einer Mitteilung heißt es:

Die SP reagiert überrascht und mit Unverständnis darauf, dass die SNB in einem Moment grösster Unsicherheit den bewährten Mindestkurs des Frankens zum Euro aufgibt. Damit riskiert die Schweiz erneut eine massive Verteuerung des Schweizer Frankens und damit katastrophale Folgen für Volkswirtschaft und Arbeitsplätze.

Dank des Mindestkurses von 1.20 Franken pro Euro ist die Schweiz in den letzten Jahren von einer Verteuerung des Frankens verschont geblieben. So gelang es der SNB, die Schweizer Wirtschaft konkurrenzfähig zu halten und Arbeitsplätze zu sichern. Umso schärfer kritisiert die SP den plötzlichen Entscheid zur Aufhebung der Untergrenze. Die SNB liess sich offenbar durch den politischen Druck der letzten Tage zu diesem hoch riskanten Schritt verleiten.

Der Kurssturz des Euros gegenüber dem Franken, der unmittelbar nach Bekanntgabe einsetzte, zeigt deutlich, dass die SNB mit dem Feuer spielt. Geht die Strategie nicht auf und fällt der Eurokurs weiter, dürfte kein Weg an der Wiedereinführung eines Mindestkurses vorbeiführen.

Viele Börsianer reagierten entsetzt auf die SNB-Entscheidung. Helaba-Analyst Ulrich Wortberg fürchtet um die Glaubwürdigkeit der Schweizer Notenbank. An den Devisenmärkten stürzte der Euro zeitweise sowohl zum Dollar als auch zum Schweizer Franken ab: Mit 1,1580 Dollar sackte die Gemeinschaftswährung auf der Handelsplattform EBS auf ein Elf-Jahres-Tief. Im Verlauf zog der Euro dann wieder an und notierte auf EBS und anderen Plattformen wieder über 1,17 Dollar. Zum Franken wertete der Euro um bis zu 28 Prozent auf ein Rekordtief von 0,8639 Franken ab, ehe er sich wieder bei 1,04 Franken stabilisierte.

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..


Mehr zum Thema:  

Jede Anlage am Kapitalmarkt ist mit Chancen und Risiken behaftet. Der Wert der genannten Aktien, ETFs oder Investmentfonds unterliegt auf dem Markt Schwankungen. Der Kurs der Anlagen kann steigen oder fallen. Im äußersten Fall kann es zu einem vollständigen Verlust des angelegten Betrages kommen. Mehr Informationen finden Sie in den jeweiligen Unterlagen und insbesondere in den Prospekten der Kapitalverwaltungsgesellschaften.

DWN
Finanzen
Finanzen Bundesbank: Erholung der deutschen Wirtschaft verzögert sich
29.03.2024

Europas größte Volkswirtschaft kommt nicht richtig in Fahrt. Die Aussichten für die nächsten Monate sind nach Experteneinschätzung...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Neue Reiseziele: So manche Überraschung im Sommerflugplan
29.03.2024

Ab Ostern tritt an den deutschen Flughäfen der neue Sommerflugplan in Kraft. Die Deutschen Wirtschaftsnachrichten haben für Sie als Leser...

DWN
Politik
Politik Vor 20 Jahren: Größte Erweiterung der Nato - eine kritische Betrachtung
29.03.2024

Am 29. März 2004 traten sieben osteuropäische Länder der Nato bei. Nicht bei allen sorgte dies für Begeisterung. Auch der russische...

DWN
Technologie
Technologie Viele Studierende rechnen mit KI-Erleichterungen im Joballtag
29.03.2024

Vielen Menschen macht Künstliche Intelligenz Angst, zum Beispiel weil KI Arbeitsplätze bedrohen könnte. In einer Umfrage stellte sich...

DWN
Politik
Politik Verfassungsgericht stärken: Mehrheit der Parteien auf dem Weg zur Einigung?
28.03.2024

Das Verfassungsgericht soll gestärkt werden - gegen etwaige knappe Mehrheiten im Bundestag in aller Zukunft. Eine Einigung zeichnet sich...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Deutschlands maue Wirtschaftslage verhärtet sich
28.03.2024

Das DIW-Konjunkturbarometer enttäuscht und signalisiert dauerhafte wirtschaftliche Stagnation. Unterdessen blieb der erhoffte...

DWN
Politik
Politik Corona-Aufarbeitung: Lauterbach will RKI-Protokolle weitgehend entschwärzen
28.03.2024

Gesundheitsminister Karl Lauterbach hat angekündigt, dass einige der geschwärzten Stellen in den Corona-Protokollen des RKI aus der...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Brückeneinsturz in Baltimore trifft Importgeschäft der deutschen Autobauer
28.03.2024

Baltimore ist eine wichtige Drehscheibe für die deutschen Autobauer. Der Brückeneinsturz in einem der wichtigsten Häfen der...