Technologie

EZB-Geldschwemme beschleunigt Umverteilung von Arm zu Reich

Das QE-Programm der EZB führt zu einem tiefgehenden Vermögenstransfer von risikoscheuen Sparern zu den wohlhabenden risikobereiten Anlegern auf dem Weltmarkt. In den Großstädten Deutschlands spürt jeder die fatalen Folgen. Denn das QE treibt die Immobilienpreise in die Höhe und Wohnungen werden unbezahlbar. Auch hier findet ein Vermögenstransfer von den Mietern zu den gut betuchten Immobilieneigentümern statt.
09.03.2015 22:57
Lesezeit: 3 min

Die Weltanleihemärkte haben ein Volumen von 137 Billionen US-Dollar. Auf ihnen toben sich seit einigen Jahren die Notenbanken vor allem der USA und Großbritanniens aus und ab dieser Woche auch die EZB. Durch Aufkauf von Anleihen fluten sie die Geldmärkte und trieben und treiben so die Kurse hoch, was gleichzeitig die Renditen in den Keller schickt. Die Federal Reserve hat mit drei QE-Aktionen von der Notenpresse ihr Bilanzvolumen um rund 3,5 Billionen US-Dollar aufgeblasen, das ist mehr als die gesamte deutsche Wirtschaftsleistung eines Jahres (Abb. 18701).

Das vorgegebene Ziel ist, auf diese Weise das gesamte Zinsniveau auf den Finanzmärkten niedrigst zu halten, um so die Konjunkturen anzukurbeln und eine deflationäre Situation zu vermeiden. Viele Staatsanleihen sind jetzt nur noch zu negativen Renditen zu erhalten (schon 1,6 Billionen Euro Handelsvolumen, Abb. 18702). Die Rendite der deutschen 5-Jahres-Anleihen stürzte seit dem Draghi-Versprechen von 2012, notfalls unbegrenzt Staatsanleihen zu kaufen, von 3 Prozent auf minus 0,05 Prozent (Abb. 18699). Draghi hat angekündigt, das 1,5-Fache der Netto-Auflage neuer Staatsanleihen in der Eurozone aufkaufen zu wollen.

Doch bisher ist es nicht gelungen, dieses Ziel überzeugend und dauerhaft zu erreichen, zumal die Finanzmärkte ohnehin schon mit Liquidität überversorgt sind. Statt dessen wurde eine gigantische Vermögensverschiebung in Szene gesetzt, die wahrscheinlich nicht unbeabsichtigt ist: von den Sparern, die bei Anlagen in als relativ sicher geltende Anleihen, auf Festzinskonten oder auf dem Sparbuch nach Abzug der Inflationsrate keine oder kaum noch Renditen erzielen können, zu den verschuldeten Staatshaushalten und den privaten Schuldnern, deren Zinslasten durch die Politik der Notenbanken erheblich gesenkt werden. In der Eurozone sitzen die Schuldner mehr im Süden (Italien als höchstverschuldetes Euroland!) und die Sparer mehr im Norden, so daß ein gigantischer Vermögenstransfer auch über die Landesgrenzen passiert. Dieser Zwangstransfer ist weder von den Parlamenten, noch von den Wahlbürgern gebilligt worden.

Ein zweiter Vermögenstransfer ebenfalls in gigantischem Umfang und ebenfalls ohne Billigung durch Parlamente oder Wahlen findet von den risikoscheuen Sparern zu den meist wohlhabenden und daher risikobereiten Anlegern an den Weltaktienmärkten statt. Die haben ein Volumen von nur etwa 64 Billionen US-Dollar und werden nun von den renditesuchenden Anlegern, die wegen des QE der Notenbanken auf den viel größeren Anleihemärkte nicht mehr genug Profit machen können, überlaufen. QE schädigt also die weniger betuchten Sparer und läßt gleichzeitig die besser betuchten Anleger an den Aktienmärkten hohe Kursgewinne einfahren. Geschädigt wird auch die private Altersvorsorge über Lebensversicherungen, da die Versicherungen den größten Teil der ihnen anvertrauten Gelder relativ sicher auf den wenig profitablen Anleihemärkten anlegen müssen.

In der Eurozone sind seit der Erklärung des EZB-Präsidenten Draghi vom Juli 2012, durch Aufkauf von Anleihen alles zu tun, was nötig ist, die Aktienkurse enorm gestiegen. Der deutsche Aktienindex DAX hat sich in weniger als drei Jahren fast verdoppelt, eine sagenhafte Rendite für die, die hier angelegt haben und das nötige Kleingeld und breite Schultern dafür hatten (Abb. 18700). Bei den erheblich gesunkenen Renditen auf Anleihen müßten eigentlich die Einnahmen aus Vermögen und Unternehmertätigkeit abgeknickt sein. Doch die halten sich nicht zuletzt wegen der starken Gewinne am Aktienmarkt und haben seit dem Jahr 2000 immer noch um mehr als 21 Prozent zugelegt, während sich bei den Löhnen ein mageres Plus von weniger als 2 Prozent ergeben hat (Abb. 14849).

Zu diesem Vermögenstransfer gehört noch der von den weniger betuchten Mietern zu den besser betuchten Immobilieneigentümern. Denn dank QE steigen die Immobilienpreise, weil viele Anleger dort Profite suchen, und steigen dementsprechend die Mieten. So sind im vergangenen Jahr in den 125 wichtigsten deutschen Städten die Immobilienpreise um 4 Prozent gestiegen. Dies war die stärkste Steigerung sowohl der vergangenen 20 Jahre als auch der stärkste Anstieg im aktuellen Immobilienzyklus, der seit 2005 anhält.

Diese doppelten Vermögenstransfers durch das Handeln der Notenbanken stellen eine enorme soziale Ungerechtigkeit dar. Daß dies alles im demokratiefreien Raum geschehen kann, macht es nicht besser.

***

Joachim Jahnke, geboren 1939, promovierte in Rechts- und Staatswissenschaften mit Anschluss-Studium an französischer Verwaltungshochschule (ENA), Mitarbeit im Kabinett Vizepräsident EU-Kommission, Bundeswirtschaftsministerium zuletzt als Ministerialdirigent und Stellvertretender Leiter der Außenwirtschaftsabteilung. Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung in London, zuletzt bis Ende 2002 als Mitglied des Vorstands und Stellvertretender Präsident. Seit 2005 Herausgeber des „Infoportals“ mit kritischen Analysen der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung (globalisierungskritisch). Autor von 10 Büchern zu diesem Thema, davon zuletzt „Euro – Die unmöglich Währung“, „Ich sage nur China ..“ und „Es war einmal eine Soziale Marktwirtschaft“. Seine gesellschaftskritischen Analysen beruhen auf fundierter und langjähriger Insider-Erfahrung.

Sein Buch über das Ende der sozialen Marktwirtschaft (275 Seiten mit 176 grafischen Darstellungen) kann unter der ISBN 9783735715401 überall im Buch- und Versandhandel für 15,50 Euro bestellt werden, bei Amazon hier.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Dominanz auf Rädern: Warum der Lkw das Rückgrat der europäischen Wirtschaft bleibt
23.04.2025

Während über grüne Logistik und die Renaissance der Schiene debattiert wird, bleibt der Lkw unangefochten das Rückgrat des...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Zukunft unter Druck: Die Wasserstoff-Fabrik von Daimler und Volvo gerät ins Stocken
23.04.2025

Mitten in der Energiewende setzen die Lkw-Riesen Daimler und Volvo auf Wasserstoff – doch der Fortschritt ihres Gemeinschaftsunternehmens...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Apple und Meta im Visier – Brüssel greift hart durch
23.04.2025

Apple und Meta sollen zusammen 700 Millionen Euro zahlen – wegen mutmaßlicher Verstöße gegen das neue EU-Digitalgesetz. Die Kommission...

DWN
Politik
Politik Machtkampf in Washington: Will Trump Fed-Chef Powell stürzen?
23.04.2025

Trump plant möglicherweise die Entlassung von Fed-Chef Jerome Powell – ein beispielloser Schritt, der die Unabhängigkeit der...

DWN
Finanzen
Finanzen „Krise ist die neue Normalität“ – Warum kluge Investoren jetzt gegen den Strom schwimmen müssen
23.04.2025

Volatilität ist kein Ausnahmezustand mehr, sondern System. Warum Investoren jetzt mit Besonnenheit, Disziplin und antizyklischer Strategie...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Digitaler Produktpass: Was die EU plant und was das für Firmen bedeutet
23.04.2025

Die Europäische Union will Ressourcen schonen und Emissionen und Abfälle reduzieren. Dafür plant sie den sogenannten digitalen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Deutsche Bierbrauer in der Krise
23.04.2025

Eigentlich feiern die Brauer am 23. April den Tag des deutschen Bieres. Doch auch in diesem Jahr sind die Perspektiven der Branche eher...

DWN
Politik
Politik Spar- und Investitionsunion: Brüssel will die unsichtbare Zollmauer einreißen – und den Finanzsektor revolutionieren
23.04.2025

Brüssels stille Revolution: Wie Kommissarin Albuquerque den europäischen Finanzmarkt neu ordnen will – und dabei an den Grundfesten der...