Finanzen

Europäer verweigern USA Gefolgschaft und wenden sich China zu

Die US-Regierung hat bei ihren geopolitischen Ambitionen einen Rückschlag erlitten: Nach Großbritannien beteiligen sich auch Deutschland, Frankreich und Italien an der neuen chinesischen Entwicklungsbank AIIB. Die Bank wird von Washington als Konkurrenz zur Weltbank betrachtet. Besonders bitter für Obama: Nach dem Einstieg der Europäer könnten auch Australien und Südkorea der chinesischen Versuchung erliegen.
17.03.2015 00:44
Lesezeit: 2 min

All die Warnungen aus Washington haben mehrere europäische Staaten nicht davon abgehalten, bei der neuen chinesischen Entwicklungsbank AIIB einzusteigen. Die „Asian Infrastructure Investment Bank“ wird nach Großbritannien nun auch von Deutschland, Frankreich und Italien unterstützt. Die Regierungen der Länder hätten ihre Zustimmung erteilt, berichtet die Financial Times unter Berufung auf nicht genannte „europäische Offizielle“. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte bereits bei der Eröffnung der CeBIT betont, dass sie große Chancen für die Zusammenarbeit mit China im IT-Bereich sähe.

Großbritannien war, sehr zum Unmut der Amerikaner vorgeprescht und hatte vergangene Woche bekanntgegeben, bei der Bank mit 50 Milliarden Dollar einzusteigen. Die US-Regierung warf den Briten darauf vor, geschäftliche Vorteile über geopolitische Erwägungen zu stellen.

Mit der Bank sollen Projekte in Asien verwirklicht werden. Das US-Finanzministerium hatte der AIIB unterstellt, sie laufe Gefahr, zu einer Einrichtung mit „niedriger Qualität“ zu werden. Die FT zitiert einen Londoner Banker, der konterte, dass die Schmähungen Bank durch die US-Regierung eher den Charakter der „sauren Trauben“ trage, weil der Kongress eine Beteiligung der USA keinesfalls genehmigen würde. Die Amerikaner sehen in der Bank eine Konkurrenz zur Weltbank, die traditionell von Washington dominiert wird. Auch das Wall Street Journal hatte bereits berichtet, dass Washington aktive Lobbyarbeit gegen die AIIB betrieben hatte.

Unter den Ländern, die im Oktober in Peking eine Absichtserklärung für eine Beteiligung an der AIIB unterzeichnet haben, waren Indien, Bangladesch, Brunei, Kambodscha, Kasachstan, Kuwait, Laos, Malaysia, die Mongolei, Myanmar, Nepal, Oman, Pakistan, die Philippinen, Katar, Singapur, Sri Lanka, Thailand, Usbekistan und Vietnam. Die in Peking ansässige Bank soll ein Gründungskapital von rund 100 Milliarden US-Dollar haben, von denen allein China schon 50 Milliarden in Aussicht gestellt hat. Mit dem chinesisch initiierten Finanzorgan sollen Kredite für Infrastrukturvorhaben wie etwa den Bau von Eisenbahnen, Straßen oder Energieprojekte vergeben werden.

Der Autor Bruce Rich hatte bereits vor zwanzig Jahren in einem Buch („Mortgaging the Earth: The World Bank, Environmental Impoverishment, and the Crisis of Development“) beschrieben, dass es einen intensiven Austausch von ehemaligen US-Regierungsmitgliedern und der Weltbank gäbe – die ehemaligen Mitarbeiter der Administrationen fänden beste Karriere-Chancen in der Weltbank. Die Weltbank ist, ähnlich wie der IWF, in Misskredit geraten, weil sie ihre Kredit-Vergabe im Zuge des gestiegenen US-Einflusses nicht mehr nach regionalen Kriterien bestimme, sondern eher den Vorstellungen der US-Außenpolitik folge.

Die AIIB geht auf eine Initiative des früheren chinesischen Präsidenten Xi Jinping zurück. China will mit der Bank seinen internationalen Einfluss ausbauen. Die Chinesen, deren globale Politik weniger auf militärische Aktionen, sondern viel stärker auf regen Handel setzt, versuchen seit geraumer Zeit, den Yuan als alternative Weltwährung zu positionieren. Kooperationen mit Frankfurt und Zürich haben diese Ambitionen in den vergangenen Monaten deutlich werden lassen. Der Economist analysiert die Gründung der AIIB als einen Ausdruck der chinesischen Frustration über die bestehenden globalen Finanz-Institutionen. Dazu zählt auch die Gründung einer von den BRICS geführten Anti-Weltbank vor einiger Zeit, an der auch Russland führend mitwirken soll. 

Für Washington besonders unangenehm: Nachdem das Engagement der Europäer bekannt wurde, haben auch die Verbündeten Australien und Südkorea bekanntgegeben, ihre ursprünglich ablehnende Haltung zur AIIB überdenken zu wollen. Lediglich Japan hat mitgeteilt, sich an der Bank keinesfalls beteiligen zu wollen. Tokio will weiter an der Seite Washingtons gegen den wachsenden Einfluss Chinas im asiatisch-pazifischen Raum kämpfen.

Das einflussreiche Council on Foreign Relations empfiehlt der US-Regierung allerdings, den sinnlosen Widerstand gegen die AIIB aufzugeben - und der Bank selbst beizutreten.

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Starke Zahlen, schwache Realität: Die USA belügen sich selbst
10.06.2025

In der US-Wirtschaft ereignet sich derzeit etwas, das selbst erfahrene Beobachter ratlos zurücklässt. Zu ihnen zählt auch Jane Fraser,...

DWN
Technologie
Technologie Stellenabbau durch KI: Ein Viertel der deutschen Unternehmen rechnen mit weniger Jobs
10.06.2025

Wie sehr gefährdet KI die Arbeitsplätze in Deutschland? In der Wirtschaft gehen viele von einem Stellenabbau wegen des Einsatzes von...

DWN
Technologie
Technologie Meta macht ernst: Atomkraft für die KI-Revolution
10.06.2025

Um den Stromhunger seiner KI zu stillen, greift der Facebook-Konzern zu Atomenergie. Der Milliarden-Deal mit einem US-Reaktor läutet eine...

DWN
Finanzen
Finanzen Bitcoin-Kurs trotzt dem Wahnsinn: Warum selbst Trump und Musk den Aufstieg nicht stoppen können
10.06.2025

Trump pöbelt, Musk tobt – doch der Bitcoin-Kurs lässt sich nicht stoppen. Trotz politischer Chaosspiele und Marktverwerfungen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Konkurrenz aus China: Deutsche Autozulieferer fürchten um Existenz
10.06.2025

Die Krise in der Autoindustrie setzt auch deren Zulieferer unter Druck. Laut einer Umfrage rechnen zwei Drittel der Firmen in den kommenden...

DWN
Panorama
Panorama Amoklauf an Grazer Schule: Mindestens 10 Tote nach Schüssen
10.06.2025

In der österreichischen Stadt Graz ist es an einer Schule zu einem Amoklauf gekommen sein.

DWN
Unternehmen
Unternehmen KI im Mittelstand: Wie KMU die richtige KI-Lösung finden und teure Fehler vermeiden
10.06.2025

Ob Einkauf, Controlling oder Service Desk: KI kann heute in nahezu jedem Bereich mittelständischer Unternehmen zum Hebel für...

DWN
Politik
Politik Verfassungsschutzbericht: Zahl der Rechtsextremisten deutlich gestiegen
10.06.2025

Gewaltbereite Salafisten, Reichsbürger und Rechtsextremisten – der Inlandsgeheimdienst hat zurzeit alle Hände voll zu tun. Das hat...