Politik

EU-Attacke: Mitglieds-Staaten müssen mehr Werbung für das TTIP machen

Lesezeit: 2 min
14.04.2015 23:38
Der europäische TTIP-Chefunterhändler Ignacio García Bercero macht EU-Politiker für den Widerstand gegen TTIP innerhalb der Bevölkerung verantwortlich. Wenn es brenzlig wird, würden sich diese hinter der EU-Kommission verstecken. Dabei müssten sie die Bevölkerung von TTIP überzeugen. Deshalb hat die deutsche Industrie am Montag eine TTIP-Werbekampagne gestartet.
EU-Attacke: Mitglieds-Staaten müssen mehr Werbung für das TTIP machen

Mehr zum Thema:  
Europa >
Benachrichtigung über neue Artikel:  
Europa  

Ignacio García Bercero, Chefunterhändler der EU für das Freihandelsabkommen TTIP, beklagt in der Zeitung Het Financieele Dagblad den mangelnden Einsatz von EU-Politikern bei den TTIP-Verhandlungen. „Wenn die Staats- und Regierungschefs der EU wollen, dass die Verhandlungen erfolgreich verlaufen, müssen sie Verantwortung übernehmen und der Öffentlichkeit erklären, wie die Dinge stehen. Das machen sie schon besser als früher. Aber immer wenn es um politisch sensibel wird, ist es einfacher für sie, sich hinter der EU-Kommission zu verstecken“, so Bercero.

Im Hinblick auf die Anlegerschutzklauseln im Rahmen der Investor-Staat-Streitbeilegung (ISDS) sagt der Chefunterhändler: „Ich würde es mühsam finden, einem europäischen Unternehmen, welches sich in den USA diskriminiert fühlt, zu erkläre, dass es sich an einen US-Richter wenden muss, während ein japanischer Wettbewerber sich an ein Schiedsgericht wenden kann“.

Nach aktuellen Umfragen ist die Mehrheit der Deutschen gegen das TTIP-Abkommen. Doch BDI-Chef Ulrich Grillo kann diese Haltung nicht nachvollziehen. In einem Interview mit der DPA übt er scharfe Kritik an den Bürgern: „Viele Menschen hierzulande haben die Grundlagen unseres Wohlstandes vergessen. Deutschland profitiert als größte Exportnation Europas über die Maßen vom Freihandel. Jeder vierte Arbeitsplatz in der Bundesrepublik hängt direkt oder indirekt vom Export ab. Da ist es geradezu schizophren, dass Deutschland die größte Anti-Freihandelsbewegung hat.“

Allerdings fügt er hinzu, dass es ein Fehler gewesen sei, die TTIP-Verhandlungen geheim zu halten. „Noch bevor es richtig losging, entstand dadurch der Eindruck von Intransparenz. Die Bürgerinnen und Bürger müssen sich ein Bild über Verhandlungsziele und Inhalte von TTIP machen können. Und die neue EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström hat das auch schnell nach ihrem Amtsantritt angekündigt. Eine sachliche Debatte geht nur mit mehr Transparenz. Ansonsten entstehen Mythen, die kaum mehr aus der Welt zu schaffen sind“, so Grillo.

Der BDI-Chef sieht in dem Abkommen die Möglichkeit, die Wettbewerbsfähigkeit Europas zu stärken. Andernfalls würden sich die USA andere Kooperations-Partner suchen:

„Wichtig ist: TTIP bringt Wachstum und damit Beschäftigung und Wohlstand. Wenn wir den transatlantischen Wirtschaftsraum nicht stärken, werden sich die Amerikaner zunehmend Asien und anderen aufstrebenden Regionen der Welt zuwenden – zum Schaden von Europa. Europa wird in Zukunft als Wirtschaftsmacht an Bedeutung verlieren. Nur haben das viele Menschen hierzulande noch nicht wahrgenommen. Mit Freihandelsabkommen wie TTIP können wir unsere Stellung in der Weltwirtschaft sichern und die Bedingungen, wie Waren und Kapital im 21. Jahrhundert getauscht werden, mitgestalten“.

Die neue EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström sei ebenfalls eine große Befürworterin des transatlantischen Freihandelsabkommens. TTIP-Gegner hingegen seien „gefährlich ignorant“.

Offenbar gibt es keinen TTIP-Konsens zwischen EU-Politikern auf der einen und EU-Industriellen auf der anderen Seite. Grillo ist felsenfest davon überzeugt, dass sich das Abkommen positiv auf die deutsche Wirtschaft auswirken werde und bringt das in automatischer Verbindung mit Arbeitsplätzen und Wohlstand.

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) räumt ein, dass das derzeit verhandelte Freihandelsabkommen mit den USA wohl keine großen Effekte für die Konjunktur haben würde. „An die wundersamen Berechnungen vom Wirtschaftswachstum durch TTIP glaube ich nicht“, so Gabriel. Trotzdem unterstütze er das Abkommen. Bundeskanzlerin Angela Merkel wiederum ist aus Sicht der Amerikaner viel zu passiv. Die US-Regierung fordert von ihr ein stärkeres Engagement für das Freihandelsabkommen. Eine unabhängige Studie zeigt, dass das TTIP Europa 600.000 Arbeitsplätze kosten und das Wachstum des Niedriglohn-Sektors beschleunigen wird.

Trotzdem möchte der BDI das Abkommen durchpeitschen und hat mit der Hannoveraner Erklärung am 13. April eine großangelegte Werbeoffensive gestartet. Der Industriellen-Verband will die Überzeugungs-Arbeit nicht mehr den Politikern überlassen. Das Kommunikations-Beratungsunternehmen MSL Germany soll im Auftrag des BDI TTIP-Werbekampagnern durchführen. Das Fachmagazin W&V berichtet über diesen Vorstoß: „Die erste Maßnahme: Zum Auftakt der Hannover Messe wurde ein Anzeigen- und Plakatmotiv mit dem Claim ,Klare Regeln – Echte Chancen: Ein starkes TTIP für Deutschland' vorgestellt“.


Mehr zum Thema:  
Europa >

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Kostenloses Experten-Webinar: Die Zukunft der personalisierten Medizin aus der Cloud - und wie Sie davon profitieren

Eine individuelle Behandlung für jeden einzelnen Menschen - dieser Traum könnte nun Wirklichkeit werden. Bei der personalisierten Medizin...

DWN
Technologie
Technologie Kein Erdgas mehr durch die Ukraine? Westeuropa droht erneute Energiekrise
10.05.2024

Eines der größten Risiken für die europäische Erdgasversorgung im nächsten Winter ist die Frage, ob Gaslieferungen weiterhin durch die...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Der Chefredakteur kommentiert: Deutsche Bahn, du tust mir leid!
10.05.2024

Liebe Leserinnen und Leser, jede Woche gibt es ein Thema, das uns in der DWN-Redaktion besonders beschäftigt und das wir oft auch...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Streik am Bau: Gewerkschaft kündigt Proteste in Niedersachsen an
10.05.2024

Die IG Bauen Agrar Umwelt hat angekündigt, dass die Streiks am Bau am kommenden Montag (13. Mai) zunächst in Niedersachsen starten...

DWN
Politik
Politik Selenskyj drängt auf EU-Beitrittsgespräche - Entwicklungen im Ukraine-Krieg im Überblick
10.05.2024

Trotz der anhaltenden Spannungen an der Frontlinie im Ukraine-Krieg bleibt Präsident Selenskyj optimistisch und setzt auf die...

DWN
Finanzen
Finanzen DAX-Rekordhoch: Deutscher Leitindex springt auf Allzeithoch über 18.800 Punkten
10.05.2024

Der DAX hat am Freitag zum Handelsstart mit einem Sprung über die Marke von 18.800 Punkten seinen Rekordlauf fortgesetzt. Was bedeutet das...

DWN
Politik
Politik Corona-Aufarbeitung: Spahn spricht sich für breite Analyse aus mit allen Blickwinkeln
10.05.2024

Im deutschen Parlament wird zunehmend eine umfassende Analyse der offiziellen Corona-Maßnahmen, einschließlich Masken und Impfnachweisen,...

DWN
Politik
Politik Pistorius in den USA: Deutschland bereit für seine Aufgaben
10.05.2024

Verteidigungsminister Boris Pistorius betont in Washington eine stärkere Rolle Deutschlands im transatlantischen Bündnis. Er sieht den...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Europäische Unternehmen sehen düstere Aussichten in China
10.05.2024

Die jährliche Geschäftsklimaumfrage der EU-Handelskammer in Peking zeigt, dass europäische Unternehmen ihre Wachstumschancen in China so...