Eine Umfrage des Insa-Instituts im Auftrag der Bild-Zeitung hat ergeben, dass 62 Prozent der Befragten der Meinung sind, dass die Spionageaffäre der Reputation der Kanzlerin geschadet habe. Bemerkenswert: 54 Prozent der CDU Wähler sind ebenfalls der Meinung, dass Merkels Ruf wegen ihres Verhaltens in der Affäre geschadet hat. Bisher hatte sich die Kanzlerin stets für eher passive Strategien entschieden. Wesentlich für ihre Entscheidungen sind dabei Meinungsumfragen, bei denen sie ausgelotet, welche Position am zweckdienlichsten zu beziehen sei. Es ist für Merkel auch kein gutes Zeichen, dass ausgerechnet die Bild-Zeitung diese Umfrage durchgeführt hat. Die Bild-Zeitung ist bisher konsequent als Unterstützerin von Merkel aufgetreten. Erst vor wenigen Tagen hatte das Blatt sowohl Merkel als auch Innenminister Thomas de Maizière wegen der Spionageaffäre ungewöhnlich scharf kritisiert.
Doch selbst die FT zweifelt, dass diese Strategie im Falle des Ausspionierens der Verbündeten erfolgreich sein werde. Die Zeitung analysiert, dass der Skandal das Vertrauen der Deutschen in ihrer Bundeskanzlerin durchaus erschüttere.
Offenkundig verfängt Merkel Strategie nicht, in der Affäre auf Taktieren und weitere Geheimhaltung zu setzen. Merkel hatte erklärt, sie könne entsprechende Listen, die der BND dem amerikanischen Geheimdienst NSA übermittelt hatte erst nach Rücksprache mit der amerikanischen Regierung in Washington an den Deutschen Bundestag freigeben - sofern von den Amerikanern keine Einwände zu diesem Vorgehen kommen.
Doch nicht nur die Bundestagsabgeordneten interessieren sich für diese Listen. Auch Generalbundesanwalt Harald Range will die Listen einsehen, wie er im Rechtsausschuss nach Teilnehmerangaben sagte. Er habe ein Erkenntnisersuchen ans Kanzleramt gestellt. Staatlich gelenkte Wirtschaftsspionage kommt als Straftatbestand infrage.
Innenminister Thomas de Maizière hat sich in der Affäre zunächst selbst freigesprochen. «Ich habe als Kanzleramtsminister im Jahre 2008 nichts erfahren von Suchbegriffen der US-Seite, Selektoren oder ähnlichem zum Zwecke der Wirtschaftsspionage in Deutschland», sagte de Maizière. «Es wurden auch keinerlei Firmennamen genannt.» 2008 hätten die Amerikaner eine problematische Ausweitung der Kooperation gewollt. Der BND habe abgeraten. «Wir haben dann den Wunsch der amerikanischen Seite nach dieser Kooperation einvernehmlich abgeschlagen. Von daher bleibt von den gegen mich erhobenen Vorwürfen nichts übrig.»
De Maizière deutete an, die NSA habe bestimmte «Sicherungsmechanismen» fallen lassen wollen. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur sollen die Amerikaner Zugang zu einem Datenkabel in Europa angestrebt haben. Als Kanzleramtsminister habe er den Amerikanern sogar den Wunsch nach einer problematischen Geheimdienst-Zusammenarbeit mit Deutschland abgeschlagen, sagte er am Mittwoch nach einer Sitzung des Geheimdienst-Kontrollgremiums im Bundestag.
Die Opposition gibt sich mit diesen Ausführungen jedoch keineswegs zufrieden.
Der Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKGr), André Hahn (Linke), nannte die Äußerungen de Maizières «ungenügend». Es habe keine Hinweise auf Versuche gegeben, die Spionagetätigkeit zu unterbinden. Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbelesagte: «Die Aufklärung des Falls des Ministers de Maizière ist noch offen.» Der SPD-Obmann im NSA-Untersuchungsausschuss, Christian Flisek, forderte eine vollständige Überprüfung aller NSA-Suchmerkmale. Zumindest auf der Liste von 2000 NSA-Spionagezielen, die der BND 2013 aussortiert hat, steht nach dpa-Informationen wohl kein Unternehmen.
Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt warf Kanzlerin Angela Merkel (CDU) in der Affäre «vertuschen, verschleiern, aussitzen» vor. Der Linken-Abgeordnete Jan Korte hielt Merkel Arroganz vor.
Der SPD-Obmann im NSA-Untersuchungsausschuss, Christian Flisek, forderte eine vollständige Überprüfung aller NSA-Suchmerkmale. Zumindest auf der Liste von 2000 NSA-Spionagezielen, die der BND 2013 aussortiert hat, steht nach dpa-Informationen wohl kein Unternehmen.
Die Kritik der Opposition dürfte an Merkel eher spurlos vorübergehen. Doch die deutliche Missfallenskundgebung aus dem Volk ist geeignet, die Kanzlerin nachdenklich zu machen. Allerdings dürfte es ihr schwerfallen, ihre enge Beziehung zu der Regierung in Washington aufzugeben. So könnte die Entwicklung dazu führen, dass sich Merkel schon bald in einem Gewissenskonflikt wieder findet, in dem sie entscheiden muss, ob sie sich nach den Stimmungen in der deutschen Bevölkerung oder den Interessen der US-Regierung richten soll.