Politik

Deutsche Maschinenbauer trotzig: Sanktionen gegen Russland sind sinnlos

Die deutschen Maschinenbauer werden sich trotz der aus ihrer Sicht für alle Beteiligten schädlichen Sanktionen nicht aus Russland zurückziehen. Allerdings ist die Situation durchaus kritisch: Der schwache Rubel treibt die russischen Unternehmen in die Arme von chinesischen Maschinenbauern, die den Deutschen den Markt abjagen könnten. Es ist zu bezweifeln, dass den EU-Politikern diese Langzeitfolgen bewusst sind.
01.06.2015 14:58
Lesezeit: 2 min

Die deutschen Maschinenbauer kämpfen gegen die EU - und um den Erhalt des für sie immens wichtigen russischen Marktes. «Wir halten den Kopf über Wasser», heißt es beim Lackieranlagenbauer Dürr. Noch ist das Geschäft dort mit etwa 30 Vertriebsmitarbeitern profitabel. Allerdings lag der Auftragseingang im ersten Quartal mit fünf Millionen Euro deutlich unter dem normalen Niveau. «Selbst wenn sich die Lage bessert, dauert es noch ein bis zwei Jahre, bis wieder Aufträge reinkommen.»

Dürr leidet zwar nicht direkt unter den Sanktionen, die die Europäische Union im vergangenen August gegen Russland verhängt hatte. Aber die Strafmaßnahmen aus Brüssel «verderben die Stimmung». Die deutschen Exporte nach Russland sind nach Daten des Statistischen Bundesamtes im ersten Quartal heftig um 34 Prozent eingebrochen - infolge der westlichen Sanktionen und der russischen Konjunkturschwäche.

Nicht minder heftig trifft es die Maschinenbauer: Ihre Ausfuhren sanken von Januar bis März um rund 28 Prozent. Allerdings zeichnet diese Schlüsselindustrie für mehr als ein Fünftel aller deutschen Russland-Lieferungen verantwortlich. Ihnen geht also ein Milliardengeschäft verloren. Umgekehrt ist Deutschland seit Jahrzehnten der wichtigste Lieferant für Maschinen und Technologie nach Russland, wie VDMA-Außenwirtschaftsexperte Ulrich Ackermann der dpa sagte.

Die Aussichten, dass sich schnell etwas bessert, sind schlecht: Schon im März wurde deutlich, dass die Staats- und Regierungschefs der EU die bis Ende Juli befristeten Sanktionen voraussichtlich verlängern werden. VDMA-Präsident Reinhold Festge bezweifelt, dass dieser Weg das angemessene Druckmittel gegen Moskau ist: «Die Sanktionen nutzen keinem.» Er hofft allerdings, dass die Zügel schon 2016 allmählich gelockert werden könnten.

Die größtenteils mittelständischen Betriebe werden sich trotz der Nachteile, die die EU-Sanktionen für sie bringen, nicht aus Russland zurückziehen. Nach einer VDMA-Umfrage wollen zwar nur zwei Prozent der Unternehmen dem russischen Markt den Rücken kehren, ein Fünftel baut aber inzwischen Personal in Russland ab oder legt dort Projekte auf Eis. Festge betont dennoch: «Wir bleiben in jedem Fall. Wir glauben an die Zukunft des russischen Marktes.»

Beim Bundesamt für Ausfuhrkontrolle hat sich inzwischen zwar wieder etwas Normalität eingestellt. Von August bis Ende 2014 hätten sich wegen der Sanktionen die Antragszahlen verfünffacht. Doch selbst wenn die Produkte nicht auf den Sanktions- oder Dual-Use-Güter-Listen stehen - also zivil und militärisch eingesetzt werden könnten -, bedeuten Geschäfte mit Russland inzwischen mehr Aufwand.

«Wir planen bei der Abwicklung russischer Aufträge grundsätzlich sehr viel mehr Zeit ein und starten die Genehmigungsanfrage zu einem sehr frühen Zeitpunkt», heißt es beim Pressenhersteller Schuler in Göppingen. «Für Projekte und Aufträge bei Mischkonzernen stellen wir grundsätzlich Anträge auf Ausfuhrgenehmigung.»

Die Ausfuhren würden grundsätzlich strenger überprüft. Noch kritischer sei das Thema Finanzierung. Insbesondere im Mittelstand fehle den russischen Kunden zunehmend Zugang zu Devisen und dem Kapitalmarkt. Kredite könnten sich viele Firmen wegen der hohen Zinsen in Russland kaum noch leisten. «Der Mangel an Finanzierungen ist zur Zeit das größte Hemmnis», erklärt Ackermann. Unternehmen wie Schuler versuchen, ihren Kunden Finanzierungspartner zu vermitteln.

Auch der Werkzeugmaschinenbauer Trumpf bemüht sich, seinen Kunden entgegenzukommen: «Durch entsprechende Währungssicherungsgeschäfte und verlängerte Zahlungsziele versuchen wir, für Kunden, die wir noch bedienen können, weiterhin attraktiv zu bleiben», sagt ein Sprecher.

Der Motorsägenbauer Stihl passte in diesem Jahr seine Planung für Russland bereits deutlich nach unten an. «Wir hoffen sehr, dass der Rubel wieder steigt», sagt ein Sprecher. Denn durch den schwachen Rubel sind die deutschen High-Tech-Maschinen für russische Kunden derzeit oft zu teuer. Die wenden sich zunehmend an die Konkurrenz aus China, wie VDMA-Russland-Expertin Monika Hollacher weiß: «Es ist daher nur eine Frage der Zeit, bis China zum wichtigsten russischen Maschinenlieferanten wird.»

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik Frühere AfD-Chefin: Frauke Petry kündigt Gründung neuer Partei an - Alternative für die FDP?
11.05.2025

Die frühere Vorsitzende der AfD will vom kommenden Jahr an mit einer neuen Partei bei Wahlen antreten. Ziel der Partei soll sein, dass...

DWN
Immobilien
Immobilien Deutschlands Zukunft? Wohnquartiere als soziale Brennpunkte: Armut, Migration und Überalterung
11.05.2025

Armut, Migration, Wohnungsmangel, Überalterung und Einsamkeit: Immer mehr Wohnquartiere in Deutschland sind überfordert. Eine neue Studie...

DWN
Finanzen
Finanzen Ölpreis: OPEC-Konflikt eskaliert – Saudi-Arabien warnt vor Marktchaos
11.05.2025

Ein gefährlicher Riss geht durch die mächtige Allianz der OPEC-Plus-Staaten. Statt mit geschlossener Strategie die Preise zu...

DWN
Politik
Politik Kann Deutschland Europa retten? Der neue Koalitionsvertrag offenbart alte Schwächen
11.05.2025

Zum Europatag 2025 richtet sich der Blick erneut nach Berlin. Die Erwartungen an Deutschland sind hoch – nicht nur innerhalb der Union,...

DWN
Finanzen
Finanzen Börsenkrisen: Warum Volatilität kein Risiko ist
11.05.2025

Wenn die Börsen Achterbahn fahren, zittern viele Anleger. Doch Panik ist oft der schlechteste Berater – denn was aussieht wie ein...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Strategien für Krisenzeiten: Wie Sie jetzt Ihre Unternehmensleistung steigern
11.05.2025

Steigende Kosten, Fachkräftemangel, Finanzierungsdruck – viele KMU kämpfen ums Überleben. Doch mit den richtigen Strategien lässt...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft USA vor Energieumbruch: Strom wird zum neuen Öl – und zur nächsten geopolitischen Baustelle
11.05.2025

Ein fundamentaler Wandel zeichnet sich in der US-Wirtschaft ab: Elektrizität verdrängt Öl als Rückgrat der nationalen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Bill Gates verschenkt Vermögen – Symbol einer neuen Weltordnung oder letzter Akt der alten Eliten?
11.05.2025

Bill Gates verschenkt sein Vermögen – ein historischer Akt der Großzügigkeit oder ein strategischer Schachzug globaler Machtpolitik?...