Eigentlich wollte der russische Energieriese Gazprom die Pipeline Turkish Stream bis Ende 2016 in Betrieb nehmen. Nun haben die türkischen Parlamentswahlen das Projekt offenbar ins Wanken gebracht. Nach Einschätzung russischer Medien bleibe die Pipeline solange in der Schwebe, bis die politische Krise gelöst sei. Denn bislang fehlt ein zwischenstaatlicher Vertrag.
Zum Ausgang der Parlamentswahl in der Türkei und den Folgen für Russland schreibt die Moskauer Tageszeitung „Kommersant“ am Dienstag:
„Der Misserfolg der türkischen Regierungspartei droht sich nicht nur für das Land zu einer ernsten politischen Krise auszuweiten, sondern könnte sich auch auf die russisch-türkische Zusammenarbeit auswirken. Die Regierungspartei, die in der Volksversammlung die absolute Mehrheit verloren hat, steht vor mehreren Möglichkeiten - von der Bildung einer Koalition bis hin zur Auflösung des Parlaments samt Neuwahlen. Bis dieses Dilemma nicht gelöst ist, bleibt auch das Pipelineprojekt Turkish Stream in der Schwebe. Der neuen Gasleitung war bei den Wahlen jedenfalls kein Glück beschieden - sie muss jetzt auf eine Lösung der politischen Krise warten.“
Das Dilemma beschreibt das Wirtschaftsportal OWC:
„Obgleich das TurkStream-Projekt bereits in den Startlöchern steht – die Verlegeschiffe des italienischen Unternehmens Saipem sind im Schwarzen Meer stationiert, die zum Teil vom deutschen Hersteller Europipe gefertigten Pipeline-Rohe liegen abholbereit in den bulgarischen Schwarzmeerhäfen Warna und Burgas –, fehlt der russischen Regierung noch ein zwischenstaatlicher Vertrag mit der türkischen Regierung über TurkStream. Derzeit stockt das Vorhaben, weil die Verhandlungen über den Preis für die russischen Erdgaslieferungen an die hochgradig rohstoffabhängige Türkei festgefahren sind.“
Gazprom wiegelt jedoch ab. Wie das Unternehmen am 9. Juni mitteilte, seien bereits alle kommerziellen Bedingungen für einen Vertrag mit der Türkei unter Dach und Fach. Wie der der stellvertretende Gazprom-Leiter Alexander Medwedew erklärte, könnte der Preis für die Gaslieferungen bereits bis Ende Juni vereinbart sein. Überdies könnte das Regierungsabkommen zwischen Russland und der Türkei noch Jahresende unterzeichnet werden, berichtet die türkische Zeitung Hürriyet.
Kremlchef Wladimir Putin hatte dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan am Montag zum Sieg seiner Partei AKP bei der Parlamentswahl gratuliert. Die beiden Staatschefs hätten bei einem Telefonat unter anderem über die geplante Gaspipeline Turkish Stream durch das Schwarze Meer und die Türkei bis an die griechische Grenze gesprochen, so der Kreml in einer Mitteilung.
In EU-Kreisen wird das Gas-Projekt als politischer Vorstoß des Kremls gesehen, um die Ukraine als Transitland für Energieträger zu schwächen und die EU-Abhängigkeit von Russland voranzutreiben. Derzeit bezieht die EU ein Drittel ihres Erdgases aus Russland. Die Hälfte davon fließt durch die Ukraine.
Im vergangenen Jahr kündigte Kreml-Chef Wladimir Putin bei einem Staatsbesuch in Ankara erstmals den Bau von Turkish Stream als Alternative zu South Stream an. Der Bau von South Stream, welcher durch das Schwarze Meer und über Bulgarien , Serbien und Ungarn verlaufen sollte, wurde zuvor von der EU mit Verweis auf das Anti-Monopol-Gesetz blockiert.
Der russische Energie-Riese Gazprom will die Pipeline Turkish Stream bis Ende 2016 in Betrieb nehmen. Doch die Türken betrachten das Projekt mit Skepsis, weil den Russen das nötige Geld für den Bau der Pipeline fehlt und die Regierung in Ankara den EU-Wirtschaftspartner nicht verlieren möchte. Der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu hatte dem Projekt sogar eine indirekte Absage erteilt.
Für die Türkei hat die TANAP im Vergleich zum russischen Turkish Stream Priorität, auch in Bezug auf die eigenen wirtschaftlichen Interessen. Das Projekt wird ungefähr neun Milliarden Euro kosten und bei voller Auslastung alleine 31 Milliarden Kubikmeter Erdgas in die Türkei liefern, so DW.
Der Kampf um den europäischen Energiemarkt ist jedenfalls voll im Gange. Die US-Regierung will die europäischen Staaten von der Energieabhängigkeit Moskaus lösen. Wer darin eine Hilfestellung der Amerikaner sieht, der täuscht sich. Stattdessen sollen US-Konzerne die Energie-Sicherheit Europas garantieren. US-Unternehmen sollen in den Fracking- und Kernkraftmarkt Europas dringen, um die russischen Energie-Konzerne zu verdrängen.