Angesichts von Rückständen des Unkrautvernichters Glyphosat in Muttermilch-Proben warnen die Grünen vor Gesundheitsrisiken durch das Pflanzengift. Sie haben die Muttermilch von 16 stillenden Frauen aus verschiedenen Bundesländern auf Belastungen testen lassen. Dabei wurden Glyphosat-Mengen zwischen 0,210 und 0,432 Nanogramm pro Milliliter Milch gemessen. Dieser Wert liegt unter dem Grenzwert für Nahrungsmittel, aber über dem Grenzwert für Trinkwasser. Hier seien den Angaben zufolge 0,1 Nanogramm zulässig - also ein Milliardstel Gramm.
Die Grünen hatten die Untersuchung veranlasst, um zu belegen, dass Glyphosat vom menschlichen Körper sehr wohl aufgenommen und verarbeitet wird, erklärte eine Sprecherin auf Nachfrage den Deutschen Wirtschafts Nachrichten. Das zuständige Bundesamt hatte zuvor Glyphosat-Rückstände in Urinproben als nicht aussagekräftig abgetan, da der Giftstoff ja nach der Aufnahme direkt über den Urin wieder ausgeschieden werde.
Grüne und WHO empfehlen Stillen dennoch ausdrücklich als beste Nahrung für Säuglinge. Da Formula-Nahrung für Säuglinge aus Kuhmilch hergestellt wird, sind Ersatzmilchpräparate noch weitaus stärker Glyphosat-gefährdet als Muttermilch. Glyphosat kommt nach Angaben des Agrarministeriums seit 1974 vor allem bei der Unkrautbekämpfung zum Einsatz. Getreide und Raps werden zum Teil auch noch vor der Ernte damit behandelt. Da beides als Futtermittel für Kühe verwendet wird, ist Kuhmilch höheren Glyphosat-Werten ausgesetzt als menschliche Milch.
Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) sieht in einem Bericht von Dezember 2013 keine Gefahren für die Gesundheit von Mensch und Tier. Die Krebsforschungsagentur IARC der Weltgesundheitsorganisation WHO hingegen stufte den Wirkstoff im März dieses Jahres als „wahrscheinlich krebserregend“ ein. Inzwischen haben Baumärkte in Frankreich, Supermärkte in der Schweiz und Unternehmen in Deutschland einen Verkaufs-Stopp für Glyphosat-Produkte angekündigt.
Irene Witte, die an der Universität Oldenburg jahrzehntelang im Bereich Toxikologie geforscht hat, nannte die Werte in der Muttermilch „untragbar“. „Ich hätte nicht mit solch hohen Rückstandswerten in der Muttermilch gerechnet, da Glyphosat stark wasser- und nicht fettlöslich ist.“ Der Deutschen Presse-Agentur sagte die ehemalige Professorin am Institut für Biologie und Umweltwissenschaften, die inzwischen im Ruhestand ist, aus 16 Proben könne man keine endgültigen Schlüsse ziehen, aber sie seien ein erster Hinweis. Sie forderte, die Untersuchungen dringend auf mehr Frauen auszuweiten und dabei auch deren Ernährungsgewohnheiten zu betrachten. Witte sagte der dpa, wenn Glyphosat wirklich krebserregend sei, dann müsse man jede Belastung als bedeutsam betrachten. „Hier gelten dann auch keinerlei Grenzwerte mehr. Jedes Molekül könnte schon Krebs erzeugen.“ Eine hohe Konzentration vergrößere aber natürlich noch die Wahrscheinlichkeit einer Erkrankung.
Das Thema ist auch aktuell, weil die Genehmigung für Glyphosat in der Europäischen Union Ende des Jahres ausläuft und der Wirkstoff für eine Verlängerung neu geprüft wird. Deutschland hat dabei als zuständiger Berichterstatter eine herausgehobene Position - und auf Grundlage des BVL-Berichts zunächst keine Bedenken angemeldet.
Ein Ministeriumssprecher teilte auf Anfrage mit, der Bericht sei „nach intensiver und sorgfältiger fachlicher Prüfung aktueller Erkenntnisse“ erstellt worden. Das Bundesinstitut für Risikobewertung sehe derzeit „keinen Anlass, seine vorläufige Bewertung des Wirkstoffs zu ändern“. Die IARC-Daten lägen noch nicht vollständig vor. Sobald dies der Fall sei, „werden diese eingehend geprüft und in die Gesamtbewertung des Wirkstoffs auf EU-Ebene einfließen“.
Die Grünen forderten Konsequenzen. „Die Bundesregierung muss Glyphosat aus dem Verkehr ziehen, bis die Frage der krebsauslösenden Wirkung geklärt ist“, sagte die Vorsitzende des Umweltausschusses, Bärbel Höhn. Der Grünen-Obmann im Bundestags-Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft, Harald Ebner, sagte: „Jetzt muss wirklich Schluss sein mit der Glyphosat-Verharmlosung.“ Die Regierung müsse die Belastung „dringend untersuchen und entsprechende Schutzmaßnahmen für Schwangere, Stillende und Säuglinge auf den Weg bringen“.