Politik

Ukrainischer Oligarch bereichert sich an IWF-Krediten

Lesezeit: 4 min
28.08.2015 00:06
Der IWF hat in den letzten Monaten Milliarden ins ukrainische Finanzsystem gepumpt, um die Banken des Landes zu stabilisieren. Etwa 1,8 Milliarden Dollar standen dabei dem größten Geldinstitut PrivatBank zu, das vom Oligarchen Igor Kolomoiski kontrolliert wird. Doch statt das Geld in die ukrainische Wirtschaft zu investieren, hat Kolomoiski die Notkredite über ein Netzwerk von Offshore-Firmen ins Ausland geschafft.

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Der Internationale Währungsfonds (IWF) beschloss im April 2014 einen Notkredit für die Ukraine in Höhe von 17 Milliarden Dollar. Der IWF-Beschluss sah die sofortige Auszahlung von 3,2 Milliarden Dollar an die ukrainische Regierung vor, um deren Zahlungsunfähigkeit zu verhindern. IWF-Chefin Christine Lagarde sprach damals von einer „bedeutenden Krise“ und lobte die „bespiellose Entschlossenheit“ der Regierung, die ein „mutiges Wirtschaftsprogramm zur Sicherung der Finanzstabilität“ vorgelegt hatte. In den folgenden fünf Monaten überwies der IWF etwa 4,5 Milliarden Dollar – davon rund 3 Milliarden in Sonderziehungsrechten – an die ukrainische Zentralbank. Mit dem Geld sollten die angeschlagenen Banken des Landes stabilisert werden, doch 1,8 Milliarden Dollar davon verschwanden in dunklen Kanälen.

Theoretisch sollte der IWF die direkte Kontrolle über die Verteilung der Gelder behalten. Tatsächlich scheint es aber so, dass die Banken ihre Buchprüfer selbst auswählten. Die PrivatBank meldete als größtes Kreditinstitut Anspruch auf etwa 40 Prozent der Hilfsgelder an. Doch trotz der IWF-Maßnahmen verschlechterte sich die Situation der ukrainischen Banken zunehmend. Im Januar 2015 hielt der Währungsfonds in einem Bericht fest, dass „die Eigenkapital-Quote des Bankensystems auf 13,8 Prozent von 15,9 Prozent Ende Juni gefallen ist.“ Im Februar 2015 musste die PrivatBank sogar kurzfristig vor der Pleite bewahrt werden. Das Geldinstitut erhielt von der Zentralbank einen Liquiditätskredit von umgerechnet 62 Millionen Euro auf zwei Jahre zur Verfügung gestellt. Wo waren also die Milliarden des IWF geblieben?

Die PrivatBank befindet sich unter der Kontrolle des ukrainischen Oligarchen Igor Kolomoiski. Sein Vermögen wird von Forbes auf 1,24 Milliarden Dollar geschätzt. Er kontrolliert ein Imperium von Firmen, die in den Bereichen Energie, Medien, Luftfahrt, chemische Industrie, Metallbau und Finanzen tätig sind. Im Zentrum dieses Konglomerats steht die PrivatBank, das größte Geldinstitut der Ukraine mit mehr als einem Viertel aller Bankkonten. Kolomoiski verdankt seinen Reichtum vor allem seinen „Raubzügen“, wie die aggressiven Firmenkäufe und -fusionen der Oligarchen in der Ukraine genannt werden. Dabei werden Maßnahmen angewendet, vor denen selbst die abgebrühtesten Wall-Street-Banker zurückschrecken würden, wie Matthew Rojanski vom Kennan Institute am Woodrow Wilson Center for International Scholars berichtet.

„Es gibt wirklich Firmen in der Ukraine, offiziell registriert mit Büros und Visitenkarten, die sich auf verschiedene Aspekte dieser Unternehmensplünderungen spezialisiert haben. Das beinhaltet Druck über bewaffnete Männer auszuüben, Dokumente zu fälschen oder Notare und Richter zu schmieren“, sagte Rojanski dem Harpers Magazine. Der Forscher beschreibt Kolomoiski als „den berühmtesten Räuber unter den Oligarchen, der beschuldigt wird, innerhalb von zehn Jahren bis 2010 eine massive Plünderungskampagne durchgeführt zu haben.“ Kolomoiskis Geschäftspraktiken wurden über die Landesgrenzen hinaus bekannt und brachten ihm sogar einen Platz auf der Visa-Verbotsliste der USA ein, was ihm eine Einreise dorthin unmöglich machte.

Kolomoiski hat sich als Gouverneur der Region Dnipropetrovsk die Gunst der neuen Regierung in Kiew erworben, in dem er eine Privatarmee mit 20.000 Soldaten aufstellte. Die Bataillone Dnipro-1 und Dnipro-2 verhinderten den Vormarsch der Separatisten effektiver als es die ukrainische Armee jemals vermochte. Darüber hinaus brüstete sich Kolomoiski damit, den Kampf der ukrainischen Truppen mitzufinanzieren und die Armee sogar mit Treibstoff zu beliefern. Ohne seine Mittel hätte die Armee im Osten der Ukraine vermutlich eine rasche Niederlage erlebt. Wahrscheinlich wurde deshalb kein Aufhebens darum gemacht, dass der Großteil der ersten IWF-Tranche in Höhe von 1,8 Milliarden Dollar über Kolomoiskis PrivatBank ins Ausland verschwand.

Die Anti-Korruptionsinitiative Nashi Groshi („Unser Geld“) hat aufgedeckt, wie IWF-Gelder in Höhe von 1,8 Milliarden Dollar ins Ausland geschleust wurden. Der mutmaßliche Betrug beinhaltete Konten in Zypern, Belize und den Virgin Islands und lief wie folgt ab: 42 ukrainische Firmen, die sich im Besitz von 54 Offshore-Unternehmen mit Sitz in der Karibik, den USA und Zypern befanden und mit der PrivatBank verbunden sind, nahmen bei der PrivatBank Kredite in Höhe von 1,8 Milliarden Dollar auf. Die ukrainischen Firmen bestellten damit Waren bei sechs ausländischen Anbietern, wovon drei ihren Sitz in Großbritannien, zwei auf den Virgin Islands und einer in der Karibik hatten.

Das Geld wurde dann auf die Konten der Verkäufer überwiesen, die sich zufälligerweise bei einer Filiale der PrivatBank auf Zypern befanden. Die ukrainischen Firmen gaben die bestellten Waren bei der PrivatBank als Sicherheit für ihre Kredite an, doch die ausländischen Anbieter wurden vertragsbrüchig und lieferten die Güter nie aus. Daraufhin klagten alle 42 Firmen vor dem Gericht in Dnipropetrovsk auf Rückzahlung der geleisteten Zahlungen und auf Aufhebung des Kreditgeschäfts mit der PrivatBank. Das Gericht entschied in allen Fällen gleich: Die ausländischen Firmen sollten den Betrag zurück überweisen, doch die Kreditverträge würden bestehen bleiben.

„Im Grunde war diese Transaktion von 1,8 Milliarden Dollar ins Ausland mit der Hilfe von gefälschten Verträgen ein Absaugen von Vermögenswerten und eine Verletzung von bestehenden Gesetzen“, zitiert Harpers Magazine die Journalistin Lesya Ivanovna von Nashi Groshi. „Die ganze Geschichte mit den Gerichtsverfahren wurde nur benötigt, damit es so aussah als sei die Bank selbst nicht in das Betrugsschema involviert. Offiziell sieht es nun so aus, als ob die PrivatBank die Produkte besitzt, obwohl sie tatsächlich niemals geliefert werden.“

Zur Zeit des mutmaßlichen Betrugs war Kolomoiski Gouverneur der Region Dnipropetrovsk, in der auch die PrivatBank ihren Hauptsitz hat. Einige Monate später zog er jedoch im Machtkampf mit dem Oligarchen und Präsidenten der Ukraine Petro Poroschenko den Kürzeren, der neben politischer Macht auch über ein Vermögen von 1,3 Milliarden Dollar verfügt. Kolomoiski war unter Druck geraten, als seine bewaffneten Einheiten die halbstaatlichen Energieunternehmen Ukrnafta und Ukrtransnafta in Kiew besetzt hatten. Daraufhin wurde er von Poroschenko aus dem Amt des Gouverneurs in Dnipropetrovsk entlassen. Nach seiner Entmachtung wurde Kolomoiskis Vertrauter in Odessa durch den georgischen Ex-Präsidenten Michail Saakaschwili ersetzt.

„Nach meinem Verständnis ist das Teil eines Deals. Demnach gab Kolomoiski seinen Versuch auf, die Kontrolle über Ukrnafta und Ukrtransnafta an sich zu reißen und er gab seinen Gouverneursposten in Dnipropetrovsk und seine Kontrolle über Odessa auf. Im Gegenzug bot ihm der US-Botschafter an, ihn von der Visa-Verbotsliste zu nehmen“, sagte Rojanski zu Harpers.

Der Milliardär selbst ist inzwischen in die USA ausgereist und damit für ukrainische Behörden nicht mehr greifbar. Trotz zahlreicher Hinweise von Organisationen wie „Nashi Groshi“ und dem Anti-Corruption Action Center (ANTAC) blieben die ukrainischen Strafvollzugsbehörden lange untätig. Mitterweile wurden auf öffentlichen Druck hin Ermittlungen gegen die PrivatBank eingeleitet, wie Johnson's Russia List unter Berufung auf die ukrainische Medien berichtet.

„Wir sind uns der Existenz eines Strafverfahrens bewusst. PrivatBank arbeitet bedingungslos mit den Ermittlern zusammen und wird alle Informationen und Dokumente bereitstellen, um die Wahrheit in diesem Fall einwandfrei festzustellen“ zitiert Interfax Ukraine eine Sprecher der PrivatBank.

Die Ukraine hat unterdessen einen Schuldenschnitt mit ihren Gläubigern vereinbart. Die westlichen Gläubiger verzichteten auf Druck des IWF auf 20 Prozent ihrer Forderungen. Dies entspricht einem Schuldenerlass von insgesamt etwa 3,6 Milliarden Dollar. Angesichts der jüngsten „Raubzüge“ Kolomoiskis auf Kosten der ukrainischen Wirtschaft, ist es dabei nicht verwunderlich, dass Russland sich nicht an einem Schuldenschnitt in der Ukraine beteiligen wird. Russland ermittelt gegen den Oligarchen unter anderem wegen organisierter Verbrechen, Mordes und des Einsatzes unerlaubter Waffen im Kriegsgebiet Donbass. Aus russischer Sicht gilt Kolomoiski als Gefahr für den Friedensprozess in der Ostukraine.


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