Nach Polizeiangaben kamen bis zum Morgen etwa 2000 Menschen an. Die Zahl könne sich aber im Laufe des Tages mehr als verdoppeln. Im Grenzort Nickelsdorf wurden zwei Sonderzüge bereitgestellt, um die Flüchtlinge nach Wien zu bringen. Viele von ihnen wollen nach Deutschland weiterreisen.
In Ungarn herrschten tagelang chaotische Zustände, weil sich viele Flüchtlinge weigerten, sich von den Behörden registrieren zu lassen. Nach EU-Regeln ist das Land für Neuankömmlinge zuständig, in dem sie zuerst den Boden der Gemeinschaft betreten. Die Regierung in Budapest wollte zunächst die Flüchtlinge aufhalten. Mit der Bereitstellung von Bussen gestand sie aber faktisch ein, die Kontrolle verloren zu haben. Die Lage war eskaliert, als am Freitag mehr als 1000 Flüchtlinge von Budapest aus zu einem Fußmarsch auf der Autobahn ins knapp 200 Kilometer entfernte Österreich aufbrachen.
Ihre Entscheidung, die Menschen doch ausreisen zu lassen, begründeten die ungarischen Behörden mit der Verkehrssicherheit. Der österreichische Bundeskanzler Werner Faymann erklärte indes auf Facebook: "Aufgrund der heutigen Notlage an der ungarischen Grenze stimmen Österreich und Deutschland in diesem Fall einer Weiterreise der Flüchtlinge in ihre Länder zu." Ein deutscher Regierungssprecher bestätigte die Übereinkunft. Wie viele Flüchtlinge von der Entscheidung betroffen sind und wie lange diese gilt, ist unklar.
Der Budapester Ostbahnhof, wo Flüchtlinge seit Tagen ausharrten, leerte sich rasch. Lächelnd bestiegen die Menschen die Busse Richtung Westen. Zurück blieben Schuhe, Kleidungsstücke und Matratzen. Das österreichische Rote Kreuz erklärte, in Nickelsdorf auch Betten bereitzuhalten und die Flüchtlinge medizinisch zu betreuen.
Die ungarische Regierung unter dem konservativen Ministerpräsidenten Viktor Orban hat Deutschland für die chaotische Lage in seinem Land verantwortlich gemacht. Hintergrund ist die Zusage der Bundesrepublik, Syrer nicht in andere EU-Staaten zurückzuschicken. Auch deswegen wollen viele Flüchtlinge von Österreich aus weiterreisen. "Wir sind glücklich. Wir werden nach Deutschland gehen", sagte etwa ein Syrer am Morgen bei der Ankunft an der Grenze. Beim Fußmarsch auf der Autobahn hatten Flüchtlinge am Freitag Bilder von Kanzlerin Angela Merkel gezeigt.
Die Bundesregierung hat die Kritik aus Ungarn zurückgewiesen. Sie fordert wie etwa Frankreich eine verbindliche Quote zur Verteilung von Flüchtlingen in der EU. Eine Einigung ist wegen des Widerstandes vor allem osteuropäischer Länder nicht in Sicht. Die Bundesregierung erwartet in diesem Jahr nach eigenen Angaben 800.000 Neuankömmlinge. Manche Landespolitiker gehen von einer Million aus. Viele von ihnen kommen aus Balkenstaaten und haben praktisch keine Chance auf Asyl.
Deutschland nimmt in Europa mit Abstand die meisten Flüchtlinge auf. Am Sonntag trifft sich die große Koalition in Berlin, um die Krise zu beraten. Viele Gemeinden sind überfordert und müssen Flüchtlinge in Zeltstädten unterbringen oder Sporthallen umfunktionieren. Merkel hatte am Montag erklärt: "Deutschland ist ein starkes Land. Wir haben so vieles geschafft, wir schaffen das." Steuererhöhungen schloss sie nun trotz der Milliardenkosten aus. "Wir werden keine Steuern erhöhen", sagte sie in einem Interview der Funke-Mediengruppe auf eine entsprechende Frage. Die Regierung habe dennoch weiter das Ziel, einen ausgeglichenen Haushalt aufzustellen.