Politik

Gefährliches Chaos: USA warnt vor Konfrontation mit Russland in Syrien

Die US-Regierung fürchtet den Verlust der Kontrolle im Konflikt in Syrien: Außenminister John Kerry hat Russland gewarnt, sich stärker zu engagieren. Ein Einsatz der Russen könnte dazu führen, dass die beiden Großmächte rivalisierende Gruppen unterstützen - und der Konflikt damit zum Stellvertreter-Krieg ausartet.
06.09.2015 12:01
Lesezeit: 3 min

Die US-Regierung will im Kampf gegen den IS in Syrien die Oberhand behalten und versucht, das geplante Engagement der Russen in Syrien unter ihre Kontrolle zu bringen. Zwar haben die Amerikaner immer betont, sie wollen mit den Russen gemeinsam gegen den IS kämpfen. Es ist jedoch unklar, in welchem Ausmass eine mögliche russische Intervention in Syrien mit den USA abgesprochen ist. Beide Großmächte haben sich den Kampf gegen den IS auf die Fahnen geschrieben und im Zusammenhang mit Syrien mehrfach betont, dass Russland und die USA gemeinsam gegen den «islamistischen Terror» kämpfen sollten.

Für die US-Regierung ist der Einsatz Russlands in Syrien ein altes Trauma: Als die US-Generäle zu Beginn der Krise US-Präsident Obama die Gefolgschaft verweigerten und einen Krieg ablehnten, konnte Russland punkten und sich als Broker bei der Vernichtung der Chemiewaffen Syriens nachhaltig profilieren.

In einem Telefonat mit seinem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow äußerte sich US-Außenminister John Kerry besorgt über eine Militär-Aktion der Russen in Syrien. Ein solcher Schritt könne den Konflikt im Land weiter eskalieren, sagte Kerry nach Angaben des US-Außenamts vom Samstag.

Die USA sind noch die unbestrittene Führungsmacht im Kampf gegen den IS. Zuletzt hat Frankreich angekündigt, ebenfalls Bomben abwerfen zu wollen. Die Franzosen sind jedoch Teil der Nato - daher kann ihr Einsatz von den USA kontrolliert werden. Die Russen dagegen wollen selbständig agieren, weshalb die US-Regierung nun vor einer möglichen, unabsichtlichen Konfrontation warnt: Ein verstärktes Moskauer Militärengagement zugunsten des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad könnte bedeuten, dass Russland Rebellen-Gruppen angreift, die von den USA als Verbündete im Kampf gegen den IS betrachtet werden.

Wer welche Gruppen genau unterstützt, ist mittlerweile ohnehin schwer zu sagen: Die Türkei etwa führt ihren eigenen Krieg gegen die PKK in Syrien und behauptet, gegen die IS zu kämpfen. Die New York Times berichtet von anonymen Offiziellen, die sich vor dem völligen Chaos im Nahen Osten fürchten. Zudem bestünde das Risiko einer Konfrontation mit der internationalen Koalition im Kampf gegen den IS.

Kerry habe in seinem Telefonat mit Lawrow «US-Besorgnisse» über Berichte angesprochen, «die auf einen dortigen unmittelbaren erhöhten russischen Militäraufbau hindeuten», teilte das US-Ministerium im Einzelnen mit. Kerry habe klar gemacht, «dass diese Aktionen, sollten solche Berichte akkurat sein, den Konflikt weiter eskalieren, zu einem größeren Verlust unschuldiger Menschenleben führen und die Flüchtlingsströme vergrößern könnten».

Diese Anmerkung zielt darauf ab, die EU gegen Russland zu mobilisieren. Russlands Präsident Putin hatte am Freitag gesagt, die US-Politik in Syrien habe den Flüchtlingsstrom nach Europa ausgelöst. Die EU hat bisher in Syrien keine eigene außenpolitische Rolle gespielt. Der EU obliegt jedoch aus Sicht der US-Regierung die Aufnahme der Flüchtlinge aus der Region. Ein lautstarker Protest der Bundesregierung gegen diese geopolitische Strategie ist bisher nicht erfolgt. 

Der Sprecher des US-Außenministeriums, John Kirby, sagte ergänzend, wenn sich die Berichte bestätigten, «würde dies eine sehr ernste Verschiebung in der Bewegungsbahn des syrischen Konflikts bedeuten». Es würde infrage gestellt, inwieweit Russland wirklich einer friedlichen Lösung in Syrien verpflichtet sei. «Wir beobachten ihre Handlungen sehr sorgfältig.»

Der New York Times zufolge hat Russland eine militärische Vorhut nach Syrien entsandt. Außerdem seien auf einem Flugfeld nahe Latakia vorgefertigte Unterkünfte für Hunderte Menschen und eine mobile Flugkontrollstation angeliefert worden. Die Zeitung berief sich dabei auf US-Geheimdienstanalysten. Russland habe zudem für den Monat September militärische Überflugrechte beantragt.

US-Offizielle seien sich nach eigenen Angaben über die Moskauer Absichten nicht im Klaren, schrieb die NYT. Nach Einschätzung der ungenannten Experten könnte das Flugfeld aber für den Transport militärischer Güter für das Assad-Regime oder auch als Ausgangspunkt für russische Luftangriffe zur Unterstützung syrische Regierungstruppen dienen. Die vorgefertigten Unterkünfte könnten Raum für bis 1000 russische Militärberater und anderes Personal bieten.

Erst vor wenigen Tagen war durch einen Bericht von Ynet bekanntgeworden, dass Russland plane, Militärflugzeuge zum Einsatz gegen den IS nach Syrien zu schicken. Der russische Präsident Wladimir Putin sagte dazu, Russland seit bereit, den USA zu helfen, es sei jedoch noch «verfrüht», über eine Beteiligung russischer Soldaten am Kampf in Syrien zu sprechen.

Allerdings bemühen sich die Russen neben dem militärischen Engagement seit einiger Zeit auch eine Verhandlungslösung, etwa mit der syrischen Opposition. Moskau will zwar nicht grundsätzlich an Präsident Assad festhalten, lehnt jedoch seinen Sturz von außen grundsätzlich ab. Die Berichterstattung der NYT ist in diesem Zusammenhang nicht objektiv: Die Zeitung zitiert die absurde Warnung von US-Offiziellen, dass ein Engagement Russlands eine friedliche Lösung in Syrien erschweren könnte. Tatsächlich hat die massive Militäraktion der USA und des Westens dazu geführt, dass das Land im Bürgerkrieg versinkt. Die Russen haben sich eher zurückgehalten. Allerdings haben die Russen auch keine lupenreine Rolle gespielt: Putin wies am Freitag mit Stolz darauf hin, dass man Assad seit langem mit Waffen beliefere.

Beide Seiten haben vereinbart, ihr Gespräch gegen Ende des Monats am Rande der UN-Vollversammlung in New York fortzusetzen.

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