Der Kärntner Landeshauptmann (Ministerpräsident) Peter Kaiser arbeitet an einer Vermögensaufstellung des bei vielen Deutschen beliebten, österreichischen Bundeslandes. Seine Hauptaufgabe liegt darin, das Erbe seines Vorgängers Jörg Haider (FPÖ) „abzuwickeln“. Dieses von Haider seinerzeit als größtes Glück angepriesene Erbe besteht in offenen Haftungen in Höhe von heute noch mehr als 10 Milliarden Euro für die Pleitebank Hypo Alpe-Adria beziehungsweise der Abwicklungsgesellschaft Heta.
Deutsche Banken und Investoren wollen vor allem wissen, ob und wie sie zu ihren 7 Milliarden kommen, die sie noch im Feuer haben. Was Kärntens Anteil betrifft, ist Kaisers Aussage nicht gerade vielversprechend. „Wir spielen dabei nur eine kleine Rolle.“ Demnächst will Kärnten offenlegen, wie groß sein Vermögen ist und was davon im Falle einer Insolvenz verwertbar ist. „Daraus mögen dann die Gläubiger ihre Konsequenzen ziehen. Sollten sie Kärnten tatsächlich in die Insolvenz schicken, würde das ihren Spielraum entscheidend einengen, weil dann die größten Gläubiger wie der Bund oder eben die deutschen Banken gleich behandelt würden wie ein Papierlieferant“, so Kaiser im Interview mit den Deutschen Wirtschafts Nachrichten.
Kärnten, das die Haftungen in Höhe seines fünffachen Jahresbudget nicht allein stemmen kann, setzt auf zweifache Unterstützung: einen Schuldenschnitt unter Mitwirkung der Gläubiger und die finanzielle Bereitschaft der Bundesregierung, sich an der Krisenbewältigung zu beteiligen. Immerhin seien beide Seiten nicht ganz unschuldig, dass es so weit gekommen ist. „Gläubiger, die akzeptieren, dass Kärnten mit damals 25 Milliarden Euro haftet, sind mindestens so sehr mitschuldig wie der damalige Landeshauptmann, der die Haftungen damals auf die Spitze getrieben hat.“ Und die Bundesregierung? Die habe das Gesetz seinerzeit durch Finanz- und Justizministerium prüfen lassen und war vom Ergebnis so angetan, dass der damalige Bundeskanzler Wolfgang Schüssel dem Landeshauptmann Jörg Haider übermitteln ließ, die Umsetzung können sogar schneller erfolgen, als gesetzlich vorgeschrieben. „Deshalb lassen wir uns nicht den Schwarzen Peter zuschieben. Und deshalb steht auch der Bund in der Verantwortung.“
Der Bund allerdings hat sich mehrfach von Kärnten distanziert. Als Finanzminister Schelling die Haftungsübernahme ablehnte, senkte die Rating Agentur Moody’s Kärntens Bonität zum ersten Mal. Als der Verfassungsgerichtshof den von Österreich zwangsverhängten Schuldenschnitt kippte und Schelling die Haftungsübernahme erneut und explizit ablehnte, senkte Moody’s die Bonität zum zweiten Mal, „auf das Niveau von Staaten wie Moldawien“, wie Kaiser bitter kommentiert. Hinter dem Downgrading wittert er andere Gründe als eine zutreffende Bonitätseinschätzung: „Niemand, auch die Agenturen glauben nicht, dass der Bund Kärnten fallen lässt. Der Imageschaden für Österreich als Wirtschaftsstandort wäre enorm. Deshalb ist die Bonitätssenkung unlogisch. Wir haben eher den Eindruck, dass die Rating Agenturen Druck auf den Bund ausüben wollen – im Interesse der Gläubiger.“
Ob nun die Haftungen zur Entlastung Kärntens zurückgekauft werden, ob der Bund die nach dem Downgrading höheren Zinsen für Kärnten auf dem Kapitalmarkt zumindest teilweise übernimmt oder im Rahmen welcher Gesamtlösung der mit 500 Millionen Euro bestückte Zukunftsfonds des Landes Kärnten, der einzigen verbliebenen Reserve, abgegeben wird: „Am Ende des Tages kann es nur eine gemeinsame Lösung von Land, Bund und Gläubigern geben.“
Trotz der Abhängigkeit von Gläubigern, Bund und Gerichten, die etwa klären könnten, wer denn nun einen Rückkauf der Haftungen zu bezahlen habe, sieht sich Kaiser nicht als einen Kärntner Alexis Tsipras – obwohl beide einem Pleiteland vorstehen. „Erstens ist Kärnten nicht isoliert, sondern Teil einer Republik. Und zweitens ist die Vorgeschichte anders, weil die fahrlässige Politik der Vorgängerregierung an den Kontrollen des Landes vorbei eine Bank forciert und exorbitante Haftungen von 25 Milliarden Euro übernommen hat – unter den Prämissen einer Bank, die helfen will, den Balkan zu erschließen.“ Hier sieht Kaiser auch eine deutliche Mitschuld der Medien: „Die haben die Hypo Alpe Adria damals zur erfolgreichsten Regionalbank Europas hochstilisiert.“
Wie auch immer: Die Folgen sind dramatisch. In Kärnten werden noch Generationen unter den Belastungen „dieser entscheidendsten Phase nach dem 2. Weltkrieg“ leiden. Kaiser bedauert, „dass der Bund uns die Luft beinahe ganz abgedreht hat und wir nur noch flach atmen müssen“. Kärnten kann „nur noch wenige zukunftsorientierte Entscheidungen treffen“, kann keine Zwei- oder Dreijahresverträge mehr schließen, weil die Bundesfinanzagentur jede Kreditierung bestätigen und absichern muss. Kaiser hofft, dass er und seine Sozialdemokratie von den Wählern nicht für „die harten, sehr harten Bedingungen“ abgestraft werden, die sie akzeptieren mussten. Und er kennt die brisante alltägliche Widersprüchlichkeit, „dass die Menschen in Kärnten den Sparkurs einsehen und mittragen, die Akzeptanz aber deutlich sinkt, wenn sie selbst betroffen sind“.
Viel zu hoffen gibt`s derzeit nicht. Höchstens, dass man schon deshalb nach vorn schauen muss, weil man gar nicht anders kann und um die Zukunft positiv mitzugestalten, auch wenn man am Schluss die Krise ohne jedes Mitspracherecht ausbaden muss. Und noch etwas Erfreuliches: „Einige Leute haben sogar schon befürchtet, dass der Wörthersee privatisiert werden muss“. Doch einer der wichtigsten Tourismusmagneten Kärntens gehört zum Glück den Bundesforsten.