Die aktuellen Flüchtlingswellen, die sich von Jordanien, dem Irak und Syrien über die Türkei erstrecken und sich gen Europa richten, könnten sich in den kommenden Monaten vergrößern. Je länger die Syrien-Krise andauert, desto schlechter wird die soziale und gesundheitliche Situation der Menschen, weshalb sie ihr Glück in Europa suchen müssen. Die EU erwartet fünf Millionen Flüchtlinge in den kommenden drei Jahren, berichtet das Magazin „Politico“. EU-Präsident Donald Tusk sagte in Brüssel, dass die nächste große Fluchtlingswelle erst noch bevorstehe.
Der UNHCR-Sprecher Martin Rentsch sagte den „Deutschen Wirtschafts Nachrichten“: „Es gibt zwei Hauptgründe für die aktuelle Flüchtlingswelle gen Europa. Zum einen hat sich die Situation in Syrien weiter zugespitzt. Die Menschen geraten zwischen die Fronten der Kriegsparteien und es gibt kaum medizinische Versorgung. Die Lage ist verheerend. Zum anderen gehen den syrischen Flüchtlingen in Jordanien, im Irak und im Libanon ihre Ersparnisse aus. Viele haben immer noch Hoffnung in ihre Heimat zurückkehren zu können, doch die Ersparnisse sind aufgebraucht und viele Flüchtlinge wissen nicht, wie sie die nächsten Monate überstehen sollen. Die Menschen rutschen in die Armut ab, was besonders für die Familien dramatisch ist, denn rund 700.000 syrische Flüchtlingskinder konnten letztes Jahr nicht zur Schule gehen. Es besteht die Gefahr, dass so eine verlorene Generation entsteht.“
Rentsch weiter: „In der Türkei sind aktuell 1,9 Millionen Flüchtlinge registriert. Im gesamten Nahen Osten sind es um die vier Millionen syrische Flüchtlinge. Die Türkei ist weltweit das Hauptaufnahmeland für Flüchtlinge. Die türkischen Behörden haben die Flüchtlingslager in der Türkei mit hohem Aufwand errichtet und einen großen Beitrag zur Aufnahme der syrischen Flüchtlinge geleistet. Trotzdem leben die Menschen dort unter schwierigen Bedingungen. Die meisten der syrischen Flüchtlinge in der Türkei leben ohnehin außerhalb der Flüchtlingslager.“
Nach Informationen des UNHCR gab es im gesamten Nahen Osten im Januar 2015 etwa 3,7 Millionen syrische Flüchtlinge. Diese Zahl ist bis zum September auf insgesamt 4,1 Millionen angestiegen. Der Anteil der Flüchtlinge, die sich aktuell im EU-Raum befinden und nach Westeuropa vorstoßen wollen, macht zehn Prozent des Gesamtanteils der syrischen Flüchtlinge aus, berichtet „The Globe and Mail“.
Am EU-Sondergipfel am Mittwoch in Brüssel sollten zusätzliche Milliardenhilfen sowohl aus dem EU-Etat als auch aus nationalen Budgets zur Unterstützung der syrischen Flüchtlinge beschlossen werden. Bundeskanzlerin Angela Merkel kündigte an, dass Europa sich stärker um die Lösung der Syrien-Krise und die Bekämpfung der Fluchtursachen kümmern werde.
Zudem müsse die EU den besseren Schutz ihrer Außengrenzen und eine faire Verteilung der Flüchtlinge organisieren. Sie sagte zudem, dass zu spät erkannt worden sei, wie stark die internationale Hilfe zusammengestrichen wurde.
Den EU-Innenministern war es am Dienstagabend nicht gelungen, sich einstimmig auf die Verteilung von 120.000 Flüchtlingen zu einigen. Der Beschluss kam nur durch eine qualifizierte Mehrheit und unter scharfem Protest der überstimmten Staaten zustande.