Politik

Unabhängigkeit: Spanien droht Präsidenten von Katalonien mit Amtsenthebung

Wegen einer unerlaubten Volksbefragung muss der katalanische Regierungschef Artur Mas vor Gericht. Die Durchführung der Befragung entgegen einer richterlichen Anordnung erfülle laut Anklage der spanischen Staatsanwaltschaft den Tatbestand des schweren Ungehorsams, der Rechtsbeugung, Amtsanmaßung sowie der Veruntreuung öffentlicher Gelder. Bei einer Verurteilung drohen Amtsenthebung und bis zu zehn Jahre Berufsverbot.
29.09.2015 16:53
Lesezeit: 2 min

Der katalanische Präsident Artur Mas wird wegen der Volksbefragung in Katalonien als Angeklagter vor Gericht zitiert. Die spanische Staatsanwaltschaft hatte  den Regierungschef von Katalonien und seine Stellvertreterin kurz nach dem Referendum vom 9. November angeklagt. Die Vorwürfe: Die Durchführung der Volksbefragung entgegen einer richterlichen Anordnung erfülle den Tatbestand des schweren Ungehorsams, der Rechtsbeugung, Amtsanmaßung sowie der Veruntreuung öffentlicher Gelder.

Nach einem Veto des Verfassungsgerichts gegen ein in Katalonien geplantes Unabhängigkeitsreferendum hatte die Regierung der Region im Nordosten Spaniens 2014 eine alternative "unverbindliche" Volks-Befragung anberaumt, die aber ebenfalls gerichtlich verboten worden war. Diese Abstimmung fand dennoch am 9. November statt. Zwei Millionen Menschen – mehr als ein Drittel der stimmberechtigten Katalanen – nahmen teil. Gut 80 Prozent sprachen sich dabei für eine Trennung von Spanien aus.

Das katalanische Gericht hat die Anklage nun, zwei Tage nach den Regionalwahlen, nach vierstündiger Prüfung angenommen und die Angeklagten für den 15. Oktober vor Gericht zitiert, wie die Zeitung El País berichtet,. Alle Anschuldigungen werden im Falle einer einer Verurteilung mit Amtsentzug bestraft. Je nach Vergehen könnte dies bis zu zehn Jahre Berufsverbot für den Regierungschef bedeuten. Die Vorwürfe betreffen auch die Vizepräsidentin Joana Ortega sowie die Bildungsreferentin Irene Rigau.

Die drei Angeklagten selbst hatten weiteren Untersuchungen oder Zeugenaussagen nicht zustimmen wollen, solange sie nicht offiziell als Beschuldigte vorgeladen würden.

Der Sprecher der baskischen Regierung, Erkoreka,  zeigte sich „fasslungslos“ angesichts der Anklage des Gerichts gegen den katalanischen Regierungschef, ausgerechnet zwei Tage nachdem dessen Parteienbündnis die Regionalwahlen klar gewonnen hat. Dies zeige deutlich „die Dialogbereitschaft der spanischen Regierung gegenüber den gewählten Repräsentanten der katalanischen Bevölkerung“, so Erkoreka laut einem Bericht der Zeitung El País. Auch im Baskenland sind ähnlich wie in Katalonien autonome Tendenzen gegen den spanischen Zentralstaat traditionell stark. Für die baskische Regierung zeige die neue Zusammensetzung des neuen Parlaments, das Spanien ein plurinationaler Staat sei und daher politische Lösungen und Formeln gefunden werden müssen.

Die spanische Regierung unter Marioano Rajoy hingegen scheint fest entschlossen, das Problem möglichst juristisch zu beseitigen. Rajoys Parteikollegin und Regierungschefin der Region Madrid, Cifuentes hat Mas bereits aufgefordert, wegen der schwerwiegenden Anklage umgehend zurückzutreten. Allerdings wurde Cifuentes selbst mehrmals verklagt, weil sie bei Protesten gegen die Regierung 2013 hunderte Demonstranten für die Ausübung ihres Demonstrationsrechts mit Geldstrafen belegt hatte.

Der katalanische Politiker Antonio Baños von der linken Partei CUP hatte nach dem Sieg des Parteienbündnisses für eine Unabhängigkeit der Region die katalanische Bevölkerung zu „zivilem Ungehorsam“ gegen die spanische Zentralregierung aufgerufen: Demnach müssen die Katalanen der spanischen Gesetzgebung, die sich gegen Katalonien richtet, nach dem Wahlsieg nicht mehr gehorchen. Die Äußerung richtet sich gegen aktuelle Bemühungen der spanischen Zentralregierung, mit neuen Gesetzen eine Abspaltung der Region zu verbieten.

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