Deutschlands drittgrößter Stromversorger Energie Baden-Württemberg (EnBW) greift Insidern zufolge nach dem ostdeutschen Gaslieferanten VNG Verbundnetz Gas. Das Karlsruher Unternehmen wolle den milliardenschweren Anteil des Oldenburger Regionalversorgers EWE von 74,2 Prozent an der VNG übernehmen, sagten drei mit den Plänen vertraute Personen am Freitag der Nachrichtenagentur Reuters. Im Gegenzug will EnBW seine 26-Prozent-Beteiligung an der EWE zurückgeben. EnBW-Vorstandschef Frank Mastiaux könnte damit einen seit Jahren brodelnden Konfliktherd löschen, denn die drei Unternehmen hatten sich nach dem Einstieg der EnBW bei EWE vor sechs Jahren zerstritten.
„Mastiaux will den Knoten durchschlagen“, sagte einer der Insider. Der EnBW-Chef baut den Versorger aus dem Südwesten, der traditionell stark auf Atomkraft gesetzt hatte, mit Blick auf die Energiewende um. Er habe seit einem Jahr an dem Deal gearbeitet. Der Beteiligungstausch wäre ein Baustein seiner Strategie, unter anderem das Erdgas-Geschäft auszubauen. 2014 hatte er bereits das vorher zusammen mit der italienischen ENI betriebene Fernleitungsnetz Terranets BW komplett erworben. Die VNG ist mit einem Umsatz von mehr als zehn Milliarden Euro einer der drei größten Importeure von Erdgas nach Deutschland und verteilt es an andere Versorger und Stadtwerke weiter.
Die EnBW hat sich im Ringen um die VNG offenbar gegen den Leipziger Regionalversorger LVV durchgesetzt, der bereits 7,5 Prozent an VNG hält. Er hatte mit finanzieller Unterstützung des australischen Infrastruktur-Investors Macquarie 1,1 Milliarden Euro geboten. Bei dem Anteilstausch mit EWE wird das VNG-Paket zwei Insidern zufolge mit rund 1,5 Milliarden Euro bewertet. "Das rechnet sich in etwa auf. Viel Geld wird bei der komplexen Transaktion nicht fließen", sagte einer von ihnen. EnBW hatte 2009 zwei Milliarden Euro für die Sperrminorität an EWE bezahlt. Der Oldenburger Konzern, ebenfalls überwiegend in kommunalem Besitz, ist mit acht Milliarden Euro Umsatz einer der fünf größten deutschen Versorger.
Der Beteiligungstausch könnte noch am Freitag bekanntgegeben werden, sagten zwei Insider. Vorher müssten aber mehrere Gremien der Transaktion zustimmen. Mehrere ostdeutsche Kommunen, darunter die LVV, bleiben an der Leipziger VNG mit 25,8 Prozent beteiligt. EnBW, EWE und VNG wollten sich zu den Informationen nicht äußern.
Die ursprünglich mit knapp 48 Prozent an der VNG beteiligte EWE hatte seit dem vergangenen Jahr die Anteile der BASF-Tochter Wintershall und der russischen Gazprom dazu erworben und sich damit eine bessere Verhandlungsposition verschafft. EWE hatte mit der EnBW bereits 2009 einen Verkauf der damaligen Beteiligung an den neuen Großaktionär vereinbart. Doch die kommunalen VNG-Miteigentümer sperrten sich gegen die 1,2 Milliarden Euro schwere Transaktion.