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Schweiz droht Deindustrialisierung

Lesezeit: 2 min
01.12.2015 09:47
Die Schweizer Wirtschaft hat im dritten Quartal einen deutlichen Dämpfer erhalten. Die Aufträge waren rückläufig und die Industrie hat ihre Produktion zurückgefahren. Im Baugewerbe etwa ging der Umsatz in den vergangenen drei Monaten sogar im zweistelligen Bereich zurück. Etwa 3.000 Stellen verschwanden dieses Jahr in der Industrie.
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Trotz zahlreicher Sparmaßnahmen, Verlagerungen ins Ausland und neuer Bezugsquellen für Vorleistungsgüter bleibt die Schweizer Industrie schwer angeschlagen. Im dritten Quartal sanken die Bestellungen um 5,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahresquartal, wie das Bundesamt für Statistik mitteilte. Im zweiten Quartal gab es sogar einen Rückgang von 6,3 Prozent.

Die sinkenden Aufträge führten zu einer massiven Reduktion in der Produktion. Diese fiel im entsprechenden Zeitraum um 3,1 Prozent, der Umsatz ging um 6,2 Prozent zurück. Nach einem Produktionsrückgang von 1,4 Prozent im Juli und 6 Prozent im August, drosselten die Unternehmen noch einmal ihre Produktion im September um 2,8 Prozent.

Besonders drastisch zeigte sich diese Entwicklung im Baugewerbe. Der Bauindex Schweiz fiel im dritten Quartal mit 127 Punkten auf den tiefsten Stand seit 2010. „Wir erwarten für das 3. Quartal 2015 einen saisonbereinigten Umsatzrückgang im Bauhauptgewerbe von 1,9 Prozent gegenüber dem Vorquartal und von 10,2 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal.“

Der Trend soll auch in den kommenden Monaten anhalten. Lediglich die tiefen Zinsen und der hohe Anlagedruck haben die Bauwirtschaft noch gestützt. „Gleichzeitig bewirkt der Frankenschock eine Eintrübung der Konjunktur – wir erwarten für 2015 ein reales Wirtschaftswachstum von nur noch 0,8 Prozent“, so der Schweizerische Baumeisterverband. „Angesichts bereits steigender Leerstände bei Wohn- und Büroflächen sehen sich Investoren folglich mit steigenden Risiken konfrontiert.“

Während beim Wirtschaftsbau auf Jahresfrist hinaus aufgrund des bereits übersättigten Marktes für Büroimmobilien kaum mehr Wachstumspotenzial zu sehen sei, rechne man beim Wohnungsbau mit einer leicht positiven Entwicklung des Geschäftsverlaufs. „Längerfristige Risiken für die Baukonjunktur liegen nebst der Zinswende und einer weiteren Verschärfung der Regulierung des Hypothekar- und Immobilienmarkts vor allem in einer Reduktion der Zuwanderung und einer möglichen Kündigung der bilateralen Verträge mit der EU.“

Wie sehr die Frankenaufwertung auch in der Industrie weiterhin nachwirkt, zeigt sich auch in einer aktuellen Deloitte-Studie. Hier gaben kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) gleichermaßen wie Großunternehmen in der überwiegenden Mehrheit an, dass sie damit rechnen würden, dass sich die Frankenstärke gegenüber dem Euro negativ auf ihr Unternehmen auswirke. Die drei wichtigsten Risikofaktoren für die Schweizer Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie (MEM) sind demnach Wechselkursimplikationen, der zunehmende globale Wettbewerb und volatile, globale Wirtschaftsbedingungen.

Wie sehr die Branche belastet ist, macht nun auch der Arbeitgeberverband der KMU in der MEM-Branche, Swissmechanic, deutlich. „Die Kombination aus starkem Franken, schleppender EU-Konjunktur und dem Hochlohnland Schweiz sorgt für eine schleichende Deindustrialisierung“, so der Verband. Diese geschehe fernab der großen Schlagzeilen. Bisher sind in der Branche 3.000 Stellen abgebaut worden. Bis Ende des Jahres könnte sich diese Zahl hinsichtlich der Schätzungen des Verbandes verdoppeln. Schon jetzt rechnen rund 14 Prozent der Unternehmen für die kommenden Monate mit einem weiteren Abbau. Die Mehrheit der KMU bewertet sowohl die Ertragslage als auch den Umsatz als unbefriedigend.

Von einer schleichenden Deindustrialisierung ist auch deshalb die Rede, weil eben nicht nur große Konzerne wie SIA Abrasives, ABB oder Rieter Arbeitnehmer entlassen. „Über den 30-Mann-Betrieb im Hinterland, der zwei Mitarbeitende entlassen muss, über den hört man nichts. Für das betroffene Unternehmen sind solche Maßnahmen aber enorm schmerzhaft“, sagt Oliver Müller, der Direktor von Swissmechanic. So beschäftigen die 1.400 Mitgliedsunternehmen in erster Linie Fachkräfte. Gehe dieses Know-how verloren, würde die gesamte Unternehmung und am Ende auch die Branche geschwächt. Der Aderlass der produzierenden Industrie habe bereits im Sommer begonnen und schlage sich nun in den aktuellen Arbeitslosenzahlen nieder. „Ich höre von Unternehmern, die aufgeben und ihr Unternehmen verkaufen möchten“, umschreibt Müller die Situation. Die Deindustrialisierung treffe vor allem die Zulieferer und somit die KMU in der MEM-Branche. „Unsere Unternehmen kämpfen seit Jahren mit sinkenden Margen. Franken, Konjunktur und Hochlohnland gleichzeitig – das ist für unsere KMU schwer zu verdauen“, betont Oliver Müller.

 


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