Politik

Eine Schande: Reiche Staaten lassen Flüchtlinge im Nahen Osten im Stich

Die reichen Staaten der Welt legen gegenüber den Flüchtlingen im Nahen Osten eine beispiellose Ignoranz an den Tag: Weder das Welternährungsprogramm noch UNHCR sind ausreichend finanziert. Statt hier zu helfen werden Milliarden in immer neue Bomben gesteckt oder in die Türkei transferiert. Wer wundert sich, dass die Flüchtlinge um jeden Preis nach Europa wollen?
09.12.2015 00:49
Lesezeit: 2 min

Die Versorgung syrischer Flüchtlinge in der Nahostregion ist nach Angaben des Welternährungsprogramms (WFP) für 2016 nicht gesichert. Bis Mai kommenden Jahres fehlten noch Zusagen im Umfang von 390 Millionen Dollar, sagte eine Sprecherin des WFP am Dienstag der Nachrichtenagentur Reuters in Berlin. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte bereits angekündigt, dass deshalb eine Geberkonferenz in London stattfinden soll, um eine weitere Flüchtlingswelle Richtung Europa zu verhindern. Das ist ja eine lobenswerte Idee - doch warum ist es im reichen Westen nicht möglich, diese vergleichsweise geringe Summe einfach unbürokratisch zu bezahlen?

Statt dessen werden dubiose Deals mit dem türkischen Präsidenten Erdogan gemacht - hier spielt Geld ja offenbar gar keine Rolle. So sagte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble am Dienstag in Brüssel nach Beratungen mit seinen europäischen Kollegen über die geplante EU-Milliardenhilfe an die Türkei, damit Flüchtlinge im Land besser versorgt werden können: "Was gar nicht geht, dass wir mit der Türkei nicht zu Potte kommen, weil wir die zweieinhalb Milliarden nicht auftreiben können. Darüber waren sich (...) alle einig."

Zugleich fließen hunderte Millionen in den Bombehagel über Syrien, von dem kein Mensch weiß, wozu er dient, der aber eines sicher bewirken wird: noch mehr Flüchtlinge, noch mehr Elend, eine noch größere Katastrophe.

Das WFP habe für 2015 bis zum 8. Dezember Zuwendungen von 850 Millionen Dollar bekommen, teilte eine WFP-Sprecherin mit. "Das entspricht 58 Prozent des notwendigen Bedarfs, um derzeit mehr als vier Millionen Syrer im Land und rund 1,4 Millionen Flüchtlinge in den Nachbarländern mit Notrationen und Ernährungshilfen über elektronische Gutscheinkarten zu unterstützen." Die USA und Deutschland hätten zusammen 50 Prozent der Summe beigesteuert. Frankreich hat danach nicht einmal ein Fünftel der Zahlungen Deutschlands geleistet - allerdings engagiert sich das Land dafür stärker bei der Versorgung von Flüchtlingen in anderen Teilen der Welt.

Die 2015 nötig gewordene Kürzung der WFP-Essensrationen für syrische Flüchtlinge vor allem im Libanon und in Jordanien wird als ein Grund dafür angesehen, dass die Zahl der in die EU strebenden Syrer stark zugenommen hatte. Im Oktober habe der monatliche Satz für die Versorgung der Flüchtlinge in beiden Ländern wieder auf 21 Dollar pro Monat angehoben werden können - das entspricht aber immer noch nur 80 Prozent des Regelsatzes. Außerdem kann das WFP nur einen Teil der syrischen Flüchtlinge versorgen. Wegen der finanziellen Unterversorgung habe das WFP Anfang 2015 etwa die Versorgung von neun Flüchtlingslagern in der Türkei aufgeben müssen, sagte die Sprecherin.

Ähnlich sieht es beim UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR aus, das etwa die Unterkünfte finanziert. Für die Versorgung der Flüchtlinge in Syrien seien bis zum 8. Dezember 2015 nur 43 Prozent der benötigten Mittel der internationalen Gemeinschaft eingegangen, teilte die Organisation auf Anfrage mit. Für die Versorgung der Menschen in den Nachbarländern Syriens habe das UNHCR bisher gut die Hälfte der benötigten Mittel (58 Prozent) erhalten.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Technologie
Technologie Aus Müll wird Luxus: Pilzleder soll Tierhaut und Plastik ersetzen
12.06.2025

Tierhaut ist grausam, Kunstleder giftig – jetzt soll Abfall die Rettung bringen: Schwedische Forscher züchten edles Leder aus Pilzen,...

DWN
Politik
Politik Fall Gelbhaar: Grüne gestehen Fehler ein
12.06.2025

Erst lösten die Vorwürfe gegen den damaligen Grünen-Bundestagsabgeordneten Stefan Gelbhaar Aufregung aus – dann kamen Zweifel an ihrer...

DWN
Technologie
Technologie Wenn Klimarettung zur Illusion wird: Die Selbsttäuschung der Tech-Eliten
12.06.2025

Sie predigen Nachhaltigkeit, verbrauchen aber gigantische Energiemengen: Während Tech-Milliardäre den Planeten retten wollen, heizen ihre...

DWN
Politik
Politik Trump spielt mit dem Welthandel – und riskiert den Crash
12.06.2025

Ex-Handelsminister Wilbur Ross warnt: Trump führt einen Wirtschaftskrieg gegen die ganze Welt – kalkuliert, aggressiv und ohne...

DWN
Technologie
Technologie Mittelstand: mehr als 100.000 Euro jährlich durch Solaranlage und E-Autos sparen
12.06.2025

Solaranlagen und E-Autos sind für Unternehmen längst mehr als Prestigeprojekte. Eine neue Analyse zeigt anhand konkreter Lastgänge und...

DWN
Finanzen
Finanzen Goldpreis treibt Zentralbanken: Gold überholt den Euro
12.06.2025

Rekord beim Goldpreis: Gold wird zur zweitgrößten Reserve nach dem Dollar. Die EZB zeigt, warum Zentralbanken den Euro zunehmend...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Biontech Curevac Übernahme: Milliarden-Deal für mRNA-Krebstherapien
12.06.2025

Biontech greift nach Curevac – und verfolgt damit ehrgeizige Pläne in der Krebsmedizin. Der milliardenschwere Deal soll Know-how...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Ohne VW, BMW & Mercedes-Benz: Das neue Playbook für Automotive-Investments
12.06.2025

Trumps Zölle, Chinas Plattformstrategie und strukturelle Schwächen bei Software und Skalierung zwingen deutsche OEMs zum Umdenken. Für...