Finanzen

EU-Recht: Einleger und Käufer von Bankanleihen müssen um ihr Geld fürchten

Lesezeit: 4 min
11.01.2016 02:01
Die neue EU-Rechtslage bei Banken-Crashs ist für Einleger äußerst gefährlich. So können Unternehmen, die mehr als 100.000 Euro als Liquidität benötigen, von einem Tag auf dem anderen in existentielle Schwierigkeiten geraten. Die wirklich großen Risiken der Banken, etwa aus dem Derivate-Handel, tragen weiterhin die Steuerzahler.
EU-Recht: Einleger und Käufer von Bankanleihen müssen um ihr Geld fürchten

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Seit dem 1. Januar ist der „Einheitliche Abwicklungsmechanismus“ der EU voll funktionsfähig: Der Mechanismus besagt, dass Einleger und Käufer von Bankanleihen zur Kasse gebeten werden, wenn eine Bank in Schwierigkeiten gerät. Man spricht von einem „Bail-in“. Diese Einrichtung wurde geschaffen, um zu verhindern, dass der Staat und somit die Steuerzahler Banken retten müssen.

Die Neuerung bedeutet die Abkehr von dem lange als selbstverständlich gelebten Prinzip, dass die Gelder der Bankkunden so gut wie nur irgend möglich zu schützen sind. Nun gilt das Gegenteil. Proteste werden mit einer eigenartigen Antwort bedacht: „Die Kunden müssen sich anschauen, welcher Bank sie ihr Geld anvertrauen.“ Diese Aufforderung ist frivol. Kein Kunde bekommt Einblick in die Geschäfte einer Bank. Bei den großen Pleiten hat sich gezeigt, dass nicht einmal die Finanzmarktaufsicht, die alle Informationen erhält, immer die Gefahren erkennt.

Die Generalformel wird durch den Umstand gemildert, dass sich zwar die Staaten zurückziehen, aber in etwa 100.000 Euro durch verschiedene, nationale und regionale Sicherungssysteme der Banken geschützt sind. Allerdings gilt dies vor allem für Privatpersonen und nicht überall und unbedingt für Unternehmen, die zudem weit größere Beträge bewegen: Selbst viele kleinere Unternehmen müssen weit mehr als 100.000 Euro im Monat für Löhne, Lieferantenrechnungen und Abgaben parat haben und sind insolvent, wenn der Zugriff auf die Bankkonten nicht möglich ist.

Die Lähmung des Bankgeschäfts

Der „Einheitliche Abwicklungsmechanismus“, englisch „Single Resolution Mechanism“ beruht auf einer EU-Verordnung und wird von einem in Brüssel ansässigen „Single Resolution Board“ verwaltet. Die Einrichtung hat dafür zu sorgen, dass alle großen und alle grenzüberschreitend tätigen Banken der EU jederzeit problemlos abgewickelt werden können. Diese Vorgabe gilt auch für die kleineren Banken, doch werden die entsprechenden Maßnahmen von den nationalen Aufsichtsbehörden in Zusammenarbeit mit der Stelle in Brüssel gesetzt.

Der Satz, eine „Bank muss jederzeit problemlos abgewickelt werden können“, klingt harmlos. Tatsächlich bedeutet diese Auflage, dass das Bankgeschäft gelähmt wird. Die Hauptaufgabe eines Kreditinstituts besteht in der Fristentransformation, mit kurzfristig abrufbaren Einlagen werden langfristige Ausleihungen refinanziert. Jede Finanzierung, wie auch immer sie technisch gestaltet wird, enthält das Risiko, dass die erwarteten Erträge nicht verdient werden, immer wird ein Wechsel auf die Zukunft gezogen. Die Übernahme zumindest eines Teils dieses Risikos durch Banken ist deren Aufgabe und für eine funktionierende Wirtschaft unverzichtbar, steht aber im genauen Gegensatz zur Forderung „jederzeit abwickelbar“.

Nun müssen in allen Banken Abwicklungspläne erstellt, gleichsam „Testamente“ geschrieben werden. Die Aufsichtsbehörden prüfen die Plausibilität und verlangen bei Bedarf Verbesserungen. Für die Banken gilt also nicht mehr der Blick in die Zukunft als Grundsatz, sondern eine Art „Sein zum Tode“.

Kredite werden behindert, die großen Risiken nicht bekämpft

Mit dieser Politik wird ein Effekt verschärft, der sich schon bei der Umsetzung des Regelwerks „Basel III“ mit der Richtlinie CRD IV und der Verordnung CRR gezeigt hat. Kredite sind leicht fassbar, die aushaftende Summe ist bekannt, der Schuldner kann bewertet werden, also ist das Risiko rasch geortet. Die Folge: Die in Basel III und in den Vorgaben der Aufsichtsbehörden enthaltenen Regeln sorgen dafür, dass Kredite reduziert, nicht oder nur zögerlich gegeben werden.

Nicht so einfach ist das Risiko von Derivaten zu erkennen. Entscheidend für das Ergebnis ist der Kurs einer Aktie an einem bestimmten Tag in der Zukunft, die Höhe der Zinsen am vereinbarten Termin oder der Ölpreis am Tag X. Wenn der Ölpreis zwischen 140 Dollar je Fass und 40 Dollar schwankt, wenn Aktien wie Apple oder VW Kurssprünge von 30 und mehr Prozent verzeichnen und niemand weiß, wann die Zentralbanken in den USA, Europa oder Japan die Zinsen korrigieren, leben die Akteure im Wechselbad zwischen Gewinnen oder Verlusten in Milliardenhöhe.

Somit wäre es notwendig, Banken, die Einlagen von Kunden verwalten, derartige Geschäfte generell zu verbieten. Diese Maßnahme hat aber die Politik trotz einer fast unüberschaubaren Fülle von Eingriffen nicht gesetzt, das „Trennbankensystem“, also die Trennung von Kommerz- und Risikobanken, ist bislang nicht realisiert. Somit können auch die tatsächlichen Gefahren in den „Testamenten“ der Banken nicht den entsprechenden Niederschlag finden.

Ein Fonds, der nicht ausreicht und den Staaten nützt

Im Aufbau befindet sich ein von allen Banken zu dotierender Fonds, der für die Finanzierung von Abwicklungen heranzuziehen ist, wenn die Vermögen der Institute, die Beiträge der Einlagensicherungssysteme und die Gelder der Einleger und Käufer von Anleihen nicht reichen. Dieser Fonds soll bis 2024 auf 55 Milliarden Euro anwachsen. Bis dahin müssen weiterhin die Staaten bei Bankenkrisen einspringen. Zudem ist die Summe von 55 Milliarden Euro nicht überzeugend, wenn man an die gigantischen Summen denkt, die einzelne Pleite-Banken bereits verschlungen haben. Die Steuerzahler werden also auch nach 2024 für Pleite-Banken zahlen.

Zudem stellt sich die Frage, wo denn die Mittel dieses Fonds veranlagt werden. In den Bestimmungen wird selbstverständlich eine maximale Sicherheit vorgegeben, die aber nach den EU-Regeln nur bei Staaten gegeben ist. Also werden auch diese Mittel zu den öffentlichen Stellen gelenkt, wie auch das Regelwerk für Banken, Basel III, und die entsprechenden Vorschriften für Versicherungen, Solvency II, die Finanzierung der Staaten gegenüber allen anderen Aktivitäten extrem begünstigen.

Eine Einlagensicherung, die gesunde Banken gefährdet

Der „Einheitliche Abwicklungsmechanismus“ ist die zweite Säule der im Aufbau befindlichen Europäischen Bankenunion. Die erste Säule bildet die bei der Europäischen Zentralbank bereits seit 2014 existierende Aufsicht für die großen Institute. Die dritte Säule soll in einer Europäischen Einlagensicherung bestehen, bei der alle Banken für alle Banken haften würden. Mit diesem Instrument soll die Gefahr für die Einleger, bei einer Krise ihr Geld zu verlieren, verringert werden.

Dies würde allerdings dazu führen, dass solide und vorsichtig agierende Institute zahlen müssten, wenn Hasardeure irgendwo in Europa Milliarden vernichten. Bislang konnte man sich zu diesem Schritt noch nicht entscheiden. Viele Politiker sehen aber „die Banken“ als eine „Einheit“, die die Finanzkrise 2008 verursacht hat und künftige Probleme „selbst“ lösen muss.

Ronald Barazon war viele Jahre Chefredakteur der Salzburger Nachrichten. Er ist einer der angesehensten Wirtschaftsjournalisten in Europa und heute Chefredakteur der Zeitschrift „Der Volkswirt“ sowie Moderator beim ORF. 

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Ronald Barazon war viele Jahre Chefredakteur der Salzburger Nachrichten. Er ist einer der angesehensten Wirtschaftsjournalisten in Europa und heute Chefredakteur der Zeitschrift „Der Volkswirt“ sowie Moderator beim ORF.


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