Politik

Syrien: Bundesregierung schweigt zur Verwendung von Tornado-Daten

Lesezeit: 2 min
21.03.2016 18:14
Deutsche Aufklärungs-Tornados liefern Daten für Luftangriffe gegen die Terror-Miliz IS in Syrien und im Irak. Doch eine genaue Auskunft über die Daten und ihren Einsatz will die Bundesregierung der Öffentlichkeit nicht geben. Ihr liegen hierüber „keine eigenen Erkenntnisse vor“.

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Die Bundeswehr hat den Kampf gegen die Terror-Miliz IS  im Januar und Februar mit 134 Tornado-Aufklärungsflügen unterstützt. Für wie viele Bombardements in Syrien und im Irak die gewonnenen Daten genutzt wurden und wie viele Kämpfer und Zivilisten dabei ums Leben kamen, lässt sie aber im Dunkeln. „Der Bundesregierung liegen hierüber keine eigenen Erkenntnisse vor“, teilte das Verteidigungsministerium in einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der Linksfraktion.

Der Tornado-Einsatz hatte am 8. Januar begonnen. Inzwischen sind sechs der Aufklärungsjets im türkischen Incirlik stationiert. Die Einsätze dauerten zusammen 402 Stunden. 40 Prozent der Aufklärungsziele lagen in Syrien, 60 Prozent im Irak. Die Daten werden 19 Staaten der Anti-IS-Koalition zur Verfügung gestellt. Darunter sind nicht nur Nato-Partner sondern auch arabische Länder wie Saudi-Arabien, Katar und die Vereinigten Arabischen Emirate. Die Daten werden auch von der Türkei genutzt, die in Syrien nicht nur den IS, sondern auch die Kurden-Miliz YPG bekämpft. Die YPG ist der bewaffnete syrische Ableger der Terror-Organisation PKK.

Auf die Frage, ob eine Verwendung der Tornado-Daten für solche Angriffe ausgeschlossen werden kann, antwortete das Verteidigungsministerium: „Die Aufklärungsergebnisse werden mit dem Freigabevermerk ,For Counter-Daesh Operation only‘ (Nur für die Anti-IS-Operaion) versehen. (...) Grundsätzlich wird im vertrauensvollen Miteinander mit den Partnernationen davon ausgegangen, dass diese sich an diese zweckgebundene Verwendung der Aufklärungsergebnisse halten.“

Dass die Bundeswehr „keine eigenen Erkenntnisse“ über die Bombardements hat, bedeutet nicht, dass sie nichts weiß. Im Hauptquartier der Anti-IS-Koalition in Katar sind fünf deutsche Offiziere stationiert, die auch Einblick in die Operationsführung erhalten, „um den Einsatz der eigenen deutschen Kräfte im Rahmen des Mandats des Deutschen Bundestags auszuführen“, wie das Verteidigungsministerium auf eine weitere Anfrage der Grünen antwortete.

Die Bomben-Angriffe in Syrien und im Irak wurden in den vergangenen Wochen von Kampfjets der USA, Großbritanniens, Frankreichs, Jordaniens und anderer Länder geflogen. Die Bundesregierung hatte darauf verzichtet selbst Jagdbomber zu schicken. Neben Tornados ist sie mit Tankflugzeugen an dem Einsatz beteiligt.

Nach den Recherchen von Airwars.org, einem Projekt von Journalisten, sollen seit August vergangenen Jahres zwischen 2316 und 3046 Zivilisten bei 357 Bombardements der Koalition getötet worden sein. Die Koalition habe den Tod von Zivilisten nur für sieben dieser Bombardements selbst eingeräumt, heißt es auf der Internetseite.

Die Opposition protestierte gegen die Informationspolitik des Verteidigungsministeriums. „Wenn die Bundesregierung ihre fünf Bundeswehroffiziere nur abstellt, um Daten zu liefern, ohne wissen zu wollen, was mit ihnen im Krieg geschieht, handelt sie in höchster Weise unverantwortlich“, sagt Grünen-Fraktionsgeschäftsführerin Katja Keul. „Wegschauen entbindet die Bundesregierung nicht von ihrer Mitverantwortung, sollten die durch deutsche Tornados gewonnenen Daten missbräuchlich eingesetzt werden.“

Die Linke hält vor allem die Informationsweitergabe an die Türkei für problematisch. „Es ist total naiv und verantwortungslos, jetzt immer noch der Erdogan-Regierung zu vertrauen, angesichts des schmutzigen Krieges, den sie gegen die Kurden auch in Syrien führt“, sagt Außenexperte Jan van Aken. „Ich befürchte, dass die Bundeswehr hier Beihilfe leistet für den Krieg der türkischen Regierung gegen die Kurden.“ Dafür gebe es aber kein Mandat des Bundestags.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Zu Weihnachten Zukunft schenken

Gerade zu Weihnachten wünschen sich viele Menschen, etwas von ihrem Glück zu teilen und sich für diejenigen zu engagieren, die es nicht...

DWN
Politik
Politik Ist Amerika die nächste Sowjetunion? Ein Blick auf Parallelen und Unterschiede
08.12.2024

Im Jahr 1987 veröffentlichte der Historiker Paul Kennedy seinen einflussreichen Bestseller Aufstieg und Fall der großen Mächte, der sich...

DWN
Panorama
Panorama Der Trump-Clan: Von Kai bis Kimberly - wer im Trump-Universum welche Rolle spielt
08.12.2024

Donald Trump steht kurz vor seiner Rückkehr ins Weiße Haus, doch anders als in seiner ersten Amtszeit wird es keine offiziellen...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Überstundenzuschläge für Teilzeit: Gericht stärkt Arbeitnehmerrechte
08.12.2024

Ein neues Grundsatzurteil des Bundesarbeitsgerichts setzt ein wichtiges Zeichen für Arbeitnehmer in Teilzeit: Überstundenzuschläge...

DWN
Finanzen
Finanzen DWN-Sonntagskolumne: Der Kunstinvestor - wie Sie erfolgreich in Kunst investieren
08.12.2024

Kunst kann vieles sein: berührend, provokativ, dekorativ. Oder eben eine Banane, die alle drei Tage verfault. 6,2 Millionen Dollar – ein...

DWN
Finanzen
Finanzen Der DWN-Marktreport: US-Börsen in Kauflaune - Gold erhält Support von Zentralbank
08.12.2024

Noch ist Donald Trump nicht in politischer Verantwortung, aber die Pläne zur bevorstehenden ersten Zollrunde liegen bereits auf dem Tisch....

DWN
Technologie
Technologie Autonomes Fahren in Deutschland: Bundesregierung plant flächendeckenden Regelbetrieb
08.12.2024

Die Bundesregierung treibt die Umsetzung des autonomen Fahrens in Deutschland voran: Bis 2028 soll der weltweit größte Betriebsbereich...

DWN
Panorama
Panorama Künstlicher Weihnachtsbaum oder Natur? Die überraschenden Zahlen einer YouGov-Studie
08.12.2024

Der Weihnachtsbaum ist ein Symbol der Weihnachtszeit - und in vielen Haushalten liegen auch in diesem Jahr die Geschenke darunter. Eine...

DWN
Finanzen
Finanzen Steuerfreie Einkünfte: Das Ausschöpfen des Sparerfreibetrags macht mehr denn je Sinn
08.12.2024

In Kürze dürften „Vorsätze für das neue Jahr“ wieder Hochkonjunktur haben. Unter steuerlichen Aspekten bietet sich mit Blick auf...