Politik

Nach dem Deal: Erdogan nennt die EU-Politiker Heuchler

Lesezeit: 2 min
22.03.2016 01:43
Der türkische Präsident Erdogan hat die EU-Politiker im Kampf gegen den Terror als Heuchler bezeichnet. Die Anwürfe stellen keine besonders vertrauenerweckende Grundlage für die menschenwürdige Behandlung der von der EU in die Türkei abzuschiebenden Flüchtlinge und Migranten dar.
Nach dem Deal: Erdogan nennt die EU-Politiker Heuchler

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat nach dem vierten Selbstmordanschlag in diesem Jahr einen unerbittlichen Kampf gegen den Terrorismus ausgerufen. Sein Land sehe sich mit "einer der größten und blutigsten Terrorwellen in seiner Geschichte" konfrontiert, sagte Erdogan am Montag in Istanbul. Der Staat setze alle ihm zur Verfügung stehenden Kräfte ein, vom Militär über die Polizei bis hin zu den Geheimdiensten. Nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu fahndeten alle Polizeieinheiten in den Provinzen nach drei mutmaßlichen Mitgliedern der radikalislamischen IS-Miliz, die weitere Anschläge planten. Zuvor war Kritik aufgekommen, Erdogan konzentriere sich zu sehr auf die Bekämpfung der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK und vernachlässige deshalb den Kampf gegen den sogenannten Islamischen Staat.

Die beiden Organisationen sollen für je zwei der Anschläge verantwortlich sein. Dutzende Menschen wurden getötet, darunter auch zwölf deutsche Touristen im Januar im Herzen Istanbuls. Bei dem jüngsten Anschlag am Samstag starben drei Israelis und ein Iraner. Die Regierung hat den Attentäter als ein türkisches IS-Mitglied identifiziert.

Die Angriffe seien das Ergebnis einer widersprüchlichen und abenteuerlichen Nahost-Politik des Präsidenten, sagte der stellvertretende Chef der größten Oppositionspartei CHP. Israels Verteidigungsminister Mosche Jaloon sagte, die Türkei werde vom Terrorismus überflutet. Es müsse sichergestellt werden, dass die Türkei nicht zu einem Ort werde, von dem aus Terror gegen Israel begonnen werde. Erdogan sagte, die PKK und andere Gruppen arbeiteten zusammen mit dem IS. Sie wandten sich gegen die Türkei, weil sie anderswo in der Region ihre Ziele nicht erreicht hätten. Der EU warf er ein "heuchlerisches Verhalten" vor, weil PKK-Sympathisanten am Rande des EU-Türkei-Gipfels in Brüssel vergangene Woche ein Zelt hätten aufschlagen dürfen.

Diese Töne können nach dem Deal nicht gerade als vertrauensbildende Maßnahme gesehen werden. Bereits nach dem Deal war in der Türkei zu erkennen gewesen, dass Ankara beleibe nicht als Sieger der Vereinbarung gesehen wird. Dadurch wird der innenpolitische Druck auf Erdogan steigen. Ob er sich in diesem Umfeld besonders bemüssigt fühlen wird, die Menschenrechte der von der EU abgeschobenen Flüchtlinge und Migranten zu achten, wird von Menschenrechtsorganisationen wie Pro Asyl ohnehin bereits seit langem bezweifelt.

Die prokurdische HDP-Partei rief unterdessen anlässlich des kurdischen Newroz-Festes zur Wiederaufnahme des Friedensprozesses zwischen der Regierung und der PKK auf. Ergebnisse durch Krieg und Gewalt zu erzwingen und Menschen in die Knie zu drücken, werde das Land nur ins Chaos stürzen, sagte HDP-Co-Chef Selahattin Demirtas.

Die türkische Armee geht seit Monaten verschärft gegen Kurden-Rebellen im Südosten des Landes vor. Gleichzeitig ist die Türkei Teil der von den USA geführten Anti-IS-Allianz, die die Miliz in Syrien und im Irak bekämpft. Die USA unterstützen aber auch die Kurden in Syrien, die große Landesteile an der Grenze zur Türkei unter ihre Kontrolle gebracht haben.

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