Politik

Schlepper und Terror-Miliz IS wollen über Libyen nach Europa

Nach der Schließung der Balkan-Route wollen Schlepper ab April neue Routen für Flüchtlinge und Migranten über Libyen eröffnen. Diese Entwicklung ist nach Ansicht von Sicherheitsexperten besonders bedenklich: In Libyen kontrolliert die Terror-Miliz IS die Schlepper-Branche.
28.03.2016 02:39
Lesezeit: 2 min

Die libysche Küstenwache hat am Sonntag drei Boote mit etwa 600 Migranten auf dem Weg nach Europa abgefangen. Die drei großen Schlauchboote seien an der Küste vor Sabratha, rund 70 Kilometer westlich der libyschen Hauptstadt Tripolis gestoppt worden, teilte Marinesprecher Ajub Kassem mit. Alle Menschen an Bord seien Afrikaner gewesen.

Zu den Bootsinsassen zählten dem Sprecher zufolge 80 Frauen, von denen einige schwanger gewesen seien. Der Sprecher wies zugleich eine Äußerung von Frankreichs Verteidigungsminister Jean-Yves Le Drian als „übertrieben“ zurück, wonach in Libyen rund 800.000 Migranten auf eine Überfahrt nach Europa hofften. Auf das Jahr gerechnet würden dann täglich 2.000 Menschen von der libyschen Küste starten, sagte Kassem.

Italien hat am Montag eine deutliche Zunahme der im Mittelmeer aufgegriffenen Migranten und Flüchtlinge registriert: Laut EU-Observer sind über den Zeitraum Sonntag bis Montag insgesamt 1.482 Migranten gerettet worden.

Sicherheits-Experten warnen schon lange vor einem mit Libyen verbundenen Risiko, weil der IS in Libyen nach dem durch den Westen ausgelösten Chaos in dem Land eine führende Rolle übernommen hat. Der IS könnte die Flüchtlinge missbrauchen, um Terroristen nach Europa zu schleusen.

So schrieb der frühere Chef des österreichischen Verfassungsschutzes, Gert Polli, bereits im September 2015 auf den DWN:

Das größte Sicherheitsrisiko für Europa bringt die Entwicklung in Libyen mit sich. In Libyen kontrolliert die IS inzwischen drei Küstenregionen und hat sich jetzt auch in Sirte festgesetzt.

Der IS in Libyen überwacht nach Informationen der Sicherheitsbehörden den Menschenschmuggel nach Europa. Schiffsbesitzer werden gezwungen bis zu 50 Prozent der Gelder aus dem Schlepperwesen an die IS abzuliefern. Viel alarmierender ist jedoch die BBC-Meldung vom 15. Mai diesen Jahres, die sich auf Informanten vor Ort beruft, wonach der IS die Menschenschmuggler auch dazu zwingen soll, IS-Kämpfer nach Europa überzusetzen. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen haben alleine dieses Jahr mehr als 400.000 Flüchtlinge Europa über den Seeweg erreicht.“

Seit Anfang 2014 sind in Italien etwa 330.000 Migranten und Flüchtlinge eingetroffen, die von Libyen aus das Mittelmeer überquerten. In Libyen hat sich seit dem vor allem von Frankreich betriebenen Sturz des langjährigen Machthabers Muammar al-Gaddafi 2011 Chaos breit gemacht. Die Russen hatten damals eindringlich davor gewarnt, Gaddafi zu stürzen. Seit Mitte 2014 gibt es zwei rivalisierende Regierungen. Das Land wird von dutzenden bewaffneten Milizen beherrscht, die neben den beiden rivalisierenden Regierungen und Parlamenten um die Macht ringen.

Diese unübersichtliche Lage nutzen auch Schlepperbanden für ihre Geschäfte. Nach der Schließung der sogenannten Balkanroute und der Einigung mit der Türkei auf eine Rückführungsvereinbarung wird in der EU befürchtet, dass Libyen wieder verstärkt für die Flucht nach Europa genutzt werden könnte.

Nach Schließung der Balkanroute für Flüchtlinge bereiten Schlepper nach einem Zeitungsbericht nun konkret neue Routen über das Mittelmeer nach Italien vor. Wie Recherchen der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung ergaben, soll das Geschäft in der ersten Aprilwoche in großem Stil beginnen. Ausgangspunkte für Überfahrten mit Fischkuttern und kleinen Handelsschiffen sollen der türkische Badeort Antalya, die türkische Stadt Mersin nahe der syrischen Grenze und die griechische Hauptstadt Athen sein.

Die Flüchtlinge und Migranten würden angewiesen, unter Deck zu bleiben, bis die Schiffe internationale Gewässer erreichten, heißt es unter Berufung auf Schleuser, deren Handynummern bei Facebook stünden. Eine Fahrt koste zwischen 3000 und 5000 Euro. Manche Schlepper wollten zwei Fahrten wöchentlich anbieten, einer habe vor, bis zu 200 Personen in ein Schiff zu zwängen. Die Fahrt sei deutlich teurer, als von der Türkei aus auf die griechischen Inseln in der Ägäis überzusetzen. Aber wer jetzt noch auf den griechischen Inseln ankommt, wird wieder in die Türkei zurückgeschickt. Die Nachfrage nach neuen Routen steige seit Wochen, heißt es.

Die Aktivitäten des IS könnten nach der sich abzeichnenden Niederlage in Syrien auf Libyen konzentrieren. Die Amerikaner fürchten offenbar, dass der IS auch stärker in das benachbarte Tunesien eindringen könnte. Daher haben die Amerikaner damit begonnen, die Grenze zwischen Libyen und Tunesien mit Überwachungselektronik zu sichern. 

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Technologie
Technologie Das Ende von Google? Warum SEO dennoch überleben wird
12.05.2025

Künstliche Intelligenz verändert die Online-Suche radikal – doch wer jetzt SEO aufgibt, riskiert digitalen Selbstmord.

DWN
Politik
Politik Großbritanniens leiser EU-Kurs: Rückkehr durch die Hintertür?
12.05.2025

Offiziell betont die britische Regierung unter Premierminister Keir Starmer weiterhin die Eigenständigkeit Großbritanniens nach dem...

DWN
Politik
Politik Frühere AfD-Chefin: Frauke Petry kündigt Gründung neuer Partei an - Alternative für die FDP?
11.05.2025

Die frühere Vorsitzende der AfD will vom kommenden Jahr an mit einer neuen Partei bei Wahlen antreten. Ziel der Partei soll sein, dass...

DWN
Immobilien
Immobilien Deutschlands Zukunft? Wohnquartiere als soziale Brennpunkte: Armut, Migration und Überalterung
11.05.2025

Armut, Migration, Wohnungsmangel, Überalterung und Einsamkeit: Immer mehr Wohnquartiere in Deutschland sind überfordert. Eine neue Studie...

DWN
Finanzen
Finanzen Ölpreis: OPEC-Konflikt eskaliert – Saudi-Arabien warnt vor Marktchaos
11.05.2025

Ein gefährlicher Riss geht durch die mächtige Allianz der OPEC-Plus-Staaten. Statt mit geschlossener Strategie die Preise zu...

DWN
Politik
Politik Kann Deutschland Europa retten? Der neue Koalitionsvertrag offenbart alte Schwächen
11.05.2025

Zum Europatag 2025 richtet sich der Blick erneut nach Berlin. Die Erwartungen an Deutschland sind hoch – nicht nur innerhalb der Union,...

DWN
Finanzen
Finanzen Börsenkrisen: Warum Volatilität kein Risiko ist
11.05.2025

Wenn die Börsen Achterbahn fahren, zittern viele Anleger. Doch Panik ist oft der schlechteste Berater – denn was aussieht wie ein...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Strategien für Krisenzeiten: Wie Sie jetzt Ihre Unternehmensleistung steigern
11.05.2025

Steigende Kosten, Fachkräftemangel, Finanzierungsdruck – viele KMU kämpfen ums Überleben. Doch mit den richtigen Strategien lässt...