Unternehmen

Schnelles Internet: Konkurrenten fürchten Telekom-Monopol

Bundeswirtschaftsminister Gabriel hat in der Debatte um den Netzausbau in Deutschland eine Öffnung der europäischen Kommunikationsbranche gefordert. Das würde an der Monopolstellung der Telekom kratzen. Diese versucht durch den Ausbau der Vectoring-Technologie derzeit, nationalen Konkurrenten Marktanteile wegzunehmen.
26.04.2016 00:47
Lesezeit: 3 min

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) hat inmitten der anziehenden Diskussion über den richtigen Weg zu schnelleren Internet-Anschlüssen in Deutschland einen zügigen Glasfaser-Ausbau gefordert. „Unser Ziel muss es sein, spätestens 2025 mit Gigabitnetzen die beste digitale Infrastruktur der Welt zu haben“, sagte Gabriel dem Handelsblatt. Für den Glasfaserausbau soll der 300 Milliarden Euro schwere Europäische Fonds für strategische Investitionen, der sogenannten „Juncker-Fonds“, angezapft werden. Gabriel sprach sich außerdem für eine Lockerung der Wettbewerbs-Maßstäbe in der Branche aus. „Wir müssen europäische Champions zulassen“, sagte er. „Unser Problem besteht doch nicht darin, dass wir zu große europäische Player haben, sondern dass die Internet-Giganten aus den USA uns immer mehr in ihre Abhängigkeit zwingen.“ Die EU-Regulierer achten nach wie vor auch auf die Zahl der Netzbetreiber in einzelnen Ländern, während die Branche sich eine Betrachtung auf europäischen Ebene wünscht. Das hat der Telekom bisher geholfen.

Doch Mitbewerber und Wirtschaftsverbände wollen dem entgegenwirken. In einem Brief hatten sich 25 deutsche und europäische Wirtschaftsverbände an die EU-Kommission gewandt, um die Telekom-Pläne zum Ausbau der Vectoring-Technologie zu stoppen. Der Ausbau Auf Basis der Kupferleitungen gefährde den notwendigen Ausbau des Glasfasernetzes und schaffe ein neues Monopol für die Telekom, so die Verbände. Letzteres wird von der Telekom bestätigt. „Vectoring ermöglicht durch den Ausgleich von elektromagnetischen Störungen zwischen den Leitungen eine Verdoppelung der Bandbreite“, heißt es auf der Seite der Telekom. „Um diesen Ausgleich zu ermöglichen, muss der Betreiber allerdings die Kontrolle über sämtliche Leitungen am Kabelverzweiger haben. Das bedeute, „andere Betreiber können dort keine eigene Technik installieren“. Die Telekom besitzt nach eigenen Angaben insgesamt rund 330.000 Kabelverzweiger, andere Wettbewerber „haben davon circa 8.200 mit eigenen Leitungen angebunden (2,3 Prozent)“.

Zuvor hatte sich bereits eine Gruppe von Europaparlamentariern an den Digital-Kommissar Günther Oettinger gewendet. Die von der Telekom favorisierte sogenannte Vectoring-Technologie werde wegen der rasant steigenden Datenmengen schon in kurzer Zeit nicht mehr ausreichen, so die SPD-Europaabgeordnete Petra Kammerevert. Oettinger muss als zuständiges Kommissionsmitglied bis Mitte Mai die Telekom-Pläne durchleuchten. Die deutsche Telefonregulierungsbehörde Bundesnetzagentur hat die Pläne gebilligt.

Ob Vectoring aber generell nicht so effektiv wie Glasfaser ist, ist umstritten. Bereits im Februar 2014 hatte das Bonner WIK (Wissenschaftliches Institut für Infrastruktur und Kommunikationsdienste) auf die Chancen des Vectoring hingewiesen. „VDSL Vectoring ermöglicht Bandbreiten von 50 Mbps und mehr bei rund einem Viertel des Investitionsvolumens reiner Glasfaseranschlussnetze“, sagt Karl-Heinz Neumann. Eine Vectoring-Strategie könne sowohl für die Telekom als auch für alternative Netzbetreiber hochattraktiv sein, wenn sich die Erwartungen an die technische Leistungsfähigkeit dieser Technik im Betrieb erfüllen. „Vectoring kann zumindest für die nähere Zukunft die Bandbreitenerwartungen der meisten Kunden gut erfüllen“, so Neumann. Allerdings seien langfristig nur Glasfaseranschlussnetze zukunftssicher. Dann müssten die Betreiber später ihr Vectoring-Netz zu einem Glasfaseranschlussnetz weiterentwickeln.

Bis 2018 will die Telekom für sechs Millionen Haushalte in deutschen Innenstädten superschnelle Internet-Zugänge bauen. Zum Einsatz soll dabei die Vectoring-Technologie kommen, mit der sich die Datengeschwindigkeit auf 100 Megabit pro Sekunde (MBit/s) verdoppelt. Die Expansion kostet voraussichtlich eine Milliarde Euro. Kritiker wie Vodafone oder United Internet („1&1“) argumentieren, dass das Geld besser in den Ausbau eines zukunftssicheren Glasfasernetzes fließen solle und dass der Konzern damit Rivalen aus dem Markt dränge.

Um am digitalen Markt die eigene Präsenz noch weiter zu erhöhen, plant die Telekom zudem neue Angebote wie smarte T-Shirts und Starter Sets für das Internet der Dinge. „Wir wollen als Telefonkonzern deutlich mehr mit Mode- und auch Sportartikelherstellern kooperieren, damit wir vom Trend hin zu intelligenter Kleidung profitieren“, sagte Claudia Nemat, Technik-Chefin im Vorstand des Bonner Konzerns, der Rheinischen Post. Ziel sei es, die Telekom zu einem „digitalen Lifestyle-Konzern“ umzubauen, sagte sie. Denkbar sei etwa, dass in den T-Shops künftig auch ein Bereich für mit Digital-Technik ausgestattete Kleidung eingerichtet werde. Neben Sportbekleidung und Uhren könnten das etwa Jacken sein, die im Winter auf eine bessere Wärmedämmung umschalten. Zusammen mit anderen Partnern habe die Telekom einen internationalen Wettbewerb für Designer und Start-up-Firmen ausgeschrieben. Die Preisträger sollen bei der Entwicklung der eingereichten Ideen für neue Kleidungsstücke oder Accessoires Unterstützung von Telekom-Ingenieuren bekommen. Anschließend sei geplant, die Neuentwicklungen auf der Modemesse Fashion Week 2017 in Berlin vorzustellen, kündigte Nemat an.

In Sachen Internet der Dinge will Deutsche Telekom Pakete enthalten Sensoren sowie eine kleine Box mit Mobilfunk-Anschluss, die die Daten sammelt und an die Cloud weiterleitet. Teil des Angebots ist auch der Zugang zu Diensten für Daten-Aufbereitung. Die Sensoren können neben Orts- und Bewegungsinformationen auch Temperatur und Feuchtigkeit messen sowie Aktionen wie das Öffnen und Schließen von Türen oder Fenstern erkennen. Damit sollen sie zum Beispiel zur Transportüberwachung sowie der Sicherung von Imbisswagen oder Baumaschinen verwendet werden. An eine Gateway-Box können auf einer Entfernung von maximal 30 Meter bis zu 200 Sensor-Bausteine angeschlossen werden. Vorgesehen sind wie bei Mobilfunk-Verträgen S-, M- oder L-Tarife mit unterschiedlichen Mengen an Sensoren und Datenvolumen.

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