Politik

Wetten: Chancen auf Verbleib Großbritanniens steigen deutlich

Lesezeit: 2 min
17.06.2016 13:50
Die Buchmacher sehen nach dem Attentat an Jo Cox wieder einen Anstieg der EU-Befürworter in Großbritannien. Seit Wochen besteht für die Wettbüros kein Zweifel daran, dass Großbritannien in der EU bleiben wird. Von politischer Seite wird das Attentat des offensichtlich psychisch kranken Täters dennoch zum Anlass genommen, um einige politische Botschaften unters Volk zu bringen.
Wetten: Chancen auf Verbleib Großbritanniens steigen deutlich

Britische Buchmacher gehen weiterhin klar von einem Verbleib Großbritanniens in der EU aus. Die Quoten einschlägiger Wettanbieter sehen derzeit mit etwa 65-prozentiger Wahrscheinlichkeit einen Sieg der EU-Befürworter bei dem Referendum am 23. Juni voraus.

Der Online-Wettanbieter Betfair beziffert die Wahrscheinlichkeit eines Verbleibs derzeit mit 67 Prozent. Vor zwei Tagen betrug die Wahrscheinlichkeit noch 60 Prozent – unklar bleibt, ob das Attentat auf die Labour-Abgeordnete Jo Cox mit dem Anstieg in Verbindung steht. Am 9. Juni signalisierte Betfair noch eine Wahrscheinlichkeit von fast 76 Prozent, dass die Briten am 23. Juni für einen Verbleib in der Europäischen Union plädieren werden.

Der Buchmacher Ladbrokes stuft die Wahrscheinlichkeit eines Verbleibs Großbritanniens in der EU mit 66 Prozent ein – 34 Prozent der Briten würden demnach für einen Austritt votieren. Auch Ladbrokes verzeichnete in den vergangenen Wochen einen Anstieg der EU-Skeptiker und neuerdings einen leichten Dämpfer.

Die Buchmacher von William Hill zahlen für jedes Pfund, dass auf einen Verbleib gewettet wird, 1,44 Pfund aus – für ein auf einen Austritt gesetztes Pfund gibt es derzeit 2,75 Pfund. Interessant ist die Aufgliederung nach einzelnen Regionen: In Schottland wird demnach mit einem deutlichen Sieg der EU-Befürworter gerechnet – für ein in Schottland gesetztes Pfund auf den Brexit würden mehr als 11 Pfund ausgezahlt. In Wales und England hingegen scheint der Wahlausgang umstrittener zu sein.

 

Nach Angaben von Paddy Power werden zwar 60 Prozent der einzelnen Wetten auf einen Brexit gesetzt. Die Summe macht allerdings nur 14 Prozent des gesamten Betrages dieser Wetten aus. Vor wenigen Tagen lag die durchschnittlich gesetzte Summe für eine Brexit-Wette bei 36 Pfund, der für einen Verbleib dagegen bei 333 Pfund – das ist fast das Zehnfache. Offenbar rechnen die Brexit-Wetter selbst nicht so recht mit einem Erfolg, sonst würden sie höhere Summen setzen.

Der Mord an Cox hat allem Anschein nach zwar nichts mit dem Brexit zu tun, sondern wurde von einem psychisch kranken Mann verübt. Trotzdem könnte sich das Ereignis auf das Abstimmungsverhalten auswirken. Folker Hellmeyer von der Bremer Landesbank schreibt in einer Einschätzung: "Volksbefragungen haben immer eine starke emotionale Komponente und in der Tat ist es nicht abwegig, dass dieser Mord eine Rolle spielen kann. Sollte sich jedoch herausstellen, dass dieser Mord keine innenpolitischen Hintergründe hat, besteht auch die Möglichkeit, dass die Auswirkungen auf ein Brexit-Votum vernachlässigbar sein werden."

Die Buchmacher sehen seit Wochen einen klaren Vorsprung der EU-Befürworter. Umfragen dagegen schwanken traditionell. Schon bei den britischen Parlamentswahlen lagen die Umfragen komplett daneben: Sie sagte ein Kopf-an-Kopf-Rennen voraus, das sich in der Realität als klarer Sieg für David Cameron zeigte.

Politiker und Lobbyisten aller Couleur nützen jeden Twist der Brexit-Debatte zu neuen Sprechblasen. Die meisten Inhalte sind apokalyptischer Natur. Wie im Fall Cox werden Ereignisse aber auch genutzt, um nicht miteinander zusammenhängende Ereignisse politisch zu instrumentalisieren. So schrieb der Spectator, dass Nigel Farage zwar nicht schuld an dem Mord sei, doch seine radikalen Parolen dazu führen, dass Menschen auch radikale Taten begehen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel wiederum sagte: "Ich glaube, dass die Lehre daraus ganz allgemein sein muss, dass wir einander mit Respekt begegnen müssen, auch wenn wir unterschiedliche politische Auffassungen haben", sagte Merkel am Freitag in Berlin. Sie kritisierte eine "Überhöhung" und "Radikalisierung" der Sprache, die oft die Auseinandersetzung noch anheize. "Deshalb sind wir alle, die wir demokratische Spielregeln schätzen und wissen, wie wichtig das ist, auch in der Wahl der Sprache, auch in der Wahl der Argumente .... Grenzen zu ziehen und mit Respekt anders Denkenden gegenüberzustehen, auch anders Glaubenden, anders Lebenden, anders Liebenden". Sonst werde die Radikalisierung kaum aufzuhalten zu sein.

Das ist alles durchaus zutreffend und sollte im allgemeinen politischen Diskurs unbedingt berücksichtigt werden. Es hat jedoch unmittelbar nichts mit dem konkreten Fall eines psychisch kranken Mörders zu tun. Solche Ereignisse gibt es, seit es Menschen und Politik gibt: In Deutschland waren unter anderem Wolfgang Schäuble und Oskar Lafontaine Opfer solcher Attentate geworden.

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

DWN
Politik
Politik Verfassungsgericht stärken: Mehrheit der Parteien auf dem Weg zur Einigung?
28.03.2024

Das Verfassungsgericht soll gestärkt werden - gegen etwaige knappe Mehrheiten im Bundestag in aller Zukunft. Eine Einigung zeichnet sich...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Deutschlands maue Wirtschaftslage verhärtet sich
28.03.2024

Das DIW-Konjunkturbarometer enttäuscht und signalisiert dauerhafte wirtschaftliche Stagnation. Unterdessen blieb der erhoffte...

DWN
Politik
Politik Corona-Aufarbeitung: Lauterbach will RKI-Protokolle weitgehend entschwärzen
28.03.2024

Gesundheitsminister Karl Lauterbach hat angekündigt, dass einige der geschwärzten Stellen in den Corona-Protokollen des RKI aus der...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Brückeneinsturz in Baltimore trifft Importgeschäft der deutschen Autobauer
28.03.2024

Baltimore ist eine wichtige Drehscheibe für die deutschen Autobauer. Der Brückeneinsturz in einem der wichtigsten Häfen der...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Osterfreude und EM-Fieber: Hoffnungsschimmer für Einzelhandel
28.03.2024

Das Ostergeschäft verspricht eine Wende für den deutschen Einzelhandel - nach einem düsteren Februar. Wird die Frühlingshoffnung die...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft „Made in Germany“ ist wieder gefragt - deutsche Exporte steigen deutlich
28.03.2024

Der Außenhandel in Deutschland hat wider Erwarten zu Jahresbeginn deutlich Fahrt aufgenommen. Insgesamt verließen Waren im Wert von 135,6...

DWN
Immobilien
Immobilien Immobilienkrise für Banken noch nicht überwunden
28.03.2024

Die deutschen (Pfandbrief-)Banken sind stark im Gewerbeimmobilien-Geschäft engagiert. Das macht sie anfällig für Preisrückgänge in dem...

DWN
Finanzen
Finanzen Der Ukraine-Krieg macht's möglich: Euro-Bonds durch die Hintertür
28.03.2024

Die EU-Kommission versucht, mehr Macht an sich zu ziehen. Das Mittel der Wahl hierfür könnten gemeinsame Anleihen, sogenannte Euro-Bonds,...