Das Vereinigte Königreich hat eine „spezielle Beziehung“ mit den USA. Doch angesichts des möglichen EU-Austritts der Briten aus der EU buhlt insbesondere China um die Gunst des Königreichs. China intensiviert seit geraumer Zeit seine finanziellen Beziehungen mit Großbritannien. Dieser Prozess erlitt unabhängig vom Brexit-Votum bisher keinen Abbruch. China gehört zu den größten Investoren auf dem Finanzmarktplatz und Immobilienmarkt Londons. Mehrere chinesische Banken, darunter die chinesische Investitionsbank AIIB und die Bank of China, haben London als europäisches Finanzzentrum angenommen.
„Die Briten sind am ehesten dazu geneigt, optimistisch zu sein, da sie China wirtschaftliche und finanzielle Anreize bieten, die weitaus stärker sind als in allen anderen EU-Staaten“, zitiert CNBC Jennifer Harris, ehemalige Pentagon-Mitarbeiterin und Mitglied im Council on Foreign Relations. Als China im vergangenen Jahr die AIIB gründete, war Großbritannien das erste westliche Land, das eine Mitgliedschaft beantragte. Die USA waren unzufrieden mit diesem Schritt, da die AIIB als Konkurrent der Weltbank eingestuft wird, die weitgehend von den US-Amerikanern kontrolliert wird. „Die Entscheidung Großbritanniens, der AIB beizutreten sorgte vor allem in Washington für Aufregung, doch China freute sich darüber“, sagt Philippe Le Corre von der Brookings Institution, der auch Autor des Buchs „Chinas Offensive auf Europa“ ist.
Charles Lichfield von der Eurasia Group sagt, dass China sehr daran interessiert sei, in britische Prestige-Projekte zu investieren – insbesondere in den Bereichen der Energie und Infrastruktur. Dadurch hätte China die Möglichkeit „sein politisches Profil anzuheben“, so Lichfield. Während ein EU-Austritt Großbritanniens zu einem Rückgang von internationalen Investitionen im Königreich zurückgehen könnte, wird London alles unternehmen, um chinesische Kapitalzuflüsse beizubehalten und zu fördern. Dabei würden attraktive Bewertungen von Vermögenswerten ausreichen, um mehr chinesisches Geld nach Großbritannien zu ziehen. Die Chinesen werden nicht zögern, den Vorteil der Tatsache, dass Großbritannien nicht mehr im Verbund mit seinen EU-Partnern steht, ergreifen, meint der Komplementär von Venture Capital, Paul Holland.
Nach aktuellen Daten der Finanzdatenfirma Lipper hat China bereits Beteiligungen an 17 britischen Unternehmen erworben. Die Beteiligungen haben einen Wert von etwa 2,3 Milliarden Dollar. „China ist bereit, seine Präsenz in Europa zu erhöhen und das ist eine gute Gelegenheit (…) Chinesen könnten Immobilien und Anteile an Unternehmen aufgrund des Pfunds billiger erwerben“, Le Corre.
Nach Angaben von Green Street Advisors gingen im Vorfeld des Brexit-Votums die Investitionen in britische Immobilien etwa um die Hälfte zurück. Folglich stiegen die Leerstände und die Kaufpreise sanken, berichtet Bloomberg. Von Januar bis Mai 2016 wurden insgesamt 16,9 Milliarden Pfund in britische Immobilien investiert. Im Vorjahreszeitraum lag die Investitionssumme noch bei 33 Milliarden Pfund. In den kommenden drei Jahren sollen die Kaufpreise für Londoner Büros um 20 Prozent sinken.