Gemischtes

Studie: Vernetzung wird Mobilitätsverhalten völlig verändern

Die Art und Weise unserer Fortbewegung wird sich in den nächsten 25 Jahren grundlegend verändern. Geprägt sein wird die Entwicklung des Verkehrssektors vom Verzicht vieler Menschen auf das eigene Auto zugunsten der „Shared Mobility“ mit individualisierten Mobilitätslösungen. Darüber hinaus ist ein endgültiger Abschied des Schienenverkehrs aus dünn besiedelten Regionen zu erwarten.
10.10.2016 07:25
Lesezeit: 2 min
Studie: Vernetzung wird Mobilitätsverhalten völlig verändern
In den letzten Jahrzehnten haben die Passagierströme immer stärker zugenommen. (Graphik: obs/Oliver Wyman) Foto: Oliver Wyman

Aufgezeigt werden diese Entwicklungen im Rahmen einer globalen Studie von Oliver Wyman, zu der neben eigenen Recherchen der Strategieberatung auch 200 Branchenexperten befragt wurden. Das Fazit: Durch die flächendeckende Anwendung intelligenter Technologien könnten neue Akteure optimale Reiseketten zusammenstellen und die traditionellen Verkehrsunternehmen dazu zwingen, ihr Geschäftsmodell zu verändern.

In den kommenden Jahren und Jahrzehnten werden sich immer mehr Menschen individuelle Mobilitätswünsche mit öffentlichen Verkehrsmitteln, Fahrrad oder Mietwagen - vom klassischen Angebot bis zum Car Sharing - ohne eigenes Auto erfüllen. „Die sogenannte Shared Mobility wird in den nach wie vor weiter wachsenden Städten und Ballungsgebieten einen nennenswert größeren Anteil erreichen - nicht nur bei uns in Europa, sondern in der ganzen Welt“, sagt Joris D'Incà, Verkehrsspezialist und Partner der weltweit tätigen Beratungsfirma Oliver Wyman. „Davon sind zwei Drittel der von uns befragten Experten überzeugt.“ Diese Entwicklung habe erhebliche Konsequenzen für die Automobilindustrie, so der Mit-Autor der Studie „Mobility 2040“: Es sei zu erwarten, dass in 25 Jahren private Ausgaben für eigene Autos um 25 bis 30 Prozent zurückgegangen sein würden.

Vor allem in den hoch entwickelten Industrieländern werde dieser Trend spürbar werden, ermittelte die Untersuchung. So würden in Deutschland die Ausgaben für die individuelle Automobilität von derzeit rund 75 Prozent aller Ausgaben für den Personentransport auf 56 Prozent zurückgehen. Ähnliche Entwicklungen seien auch in den anders strukturierten Ländern USA und China zu verzeichnen. Bei der Shared Mobility erwartet die Studie „dramatische Zuwächse“, vor allem mit der weiteren technischen Entwicklung des autonomen Fahrens. Annähernd zwei Drittel der befragten Verkehrsexperten waren einstimmig überzeugt, dass dies die Sharing-Entwicklungen beschleunigen werde.

„Die Möglichkeiten des autonomen Fahrens werden aber auch den öffentlichen Nahverkehr in dünn besiedelten Regionen nicht nur erhalten, sondern verbessern“, sagt Carolin Mentz, Principal bei Oliver Wyman und Mit-Autorin der Studie: „Automatisiert fahrende Elektro-Kleinbusse werden künftig viele regionale Strecken mit geringer Verkehrsnachfrage flexibler und weitaus kundengerechter bedienen können als heute - wenn überhaupt noch fahrende - Nahverkehrszüge.“ Dies betreffe besonders Dörfer und kleine Städte, aber auch Verbindungen, die außerhalb des Pendler-Berufsverkehrs nur wenig ausgelastet sind.

Die Studie erwartet einen weit gehenden Rückzug des Schienenverkehrs aus der Fläche - nicht zuletzt auch wegen der hohen Investitionen in Infrastruktur, Rollmaterial und Kosten des laufenden Betriebs. Bis 2040 würden allein in Deutschland 20 bis 30 Prozent der Ausgaben für Schienen und Züge eingespart werden. Eisenbahnen werden in der Mobilitätswelt der Zukunft jedoch gleichwohl ihre Berechtigung haben, sagt Mentz: „Auf den großen Verkehrsachsen und in den Ballungszentren wird die Arbeitsteilung genau anders herum funktionieren. Hier wird man das Eisenbahnnetz weiter ausbauen müssen.“ Gerade im Hinblick auf die Klimaschutzziele der Pariser Klimakonferenz von 2015 stellten moderne, leistungsfähige und hochwertige Bahnangebote das Rückgrat der Mobilität dar. Sharing-Angebote oder autonome Elektrobusse würden dann häufig die individuelle Zubringer-Funktion zu Mobilitäts-Hubs übernehmen.

Intelligente Lösungen, insbesondere selbstlernende Systeme und vermehrte Vernetzung aller Verkehrsträger, werden der Studie zufolge das Mobilitätsverhalten völlig verändern. Verstärkt würden spezielle Dienstleister für die Kunden über Apps individuelle Pakete zusammenstellen, die das Verkehrsangebot zur kompletten, optimalen Reisekette verbinden, losgelöst von der Verkehrsmittelwahl. Damit rechnet ein Großteil der befragten Experten. Zwei Drittel erwarten zudem eine Zunahme der Mobilität, veranlasst durch bessere, individuellere Angebote. Die Mobilitätsdienstleister könnten nach dem Vorbild der heute bereits existierenden Buchungsportale für Hotels, Flüge und Urlaubsreisen durchaus branchenfremde Newcomer sein. „Die heutigen Player in der Verkehrsbranche“, so D'Incà, „ahnen inzwischen zwar, dass ihre Positionen im Markt gefährdet sind, doch unsere Untersuchung hat gezeigt: Sie sind noch weit davon entfernt, sich strategisch auf die neue Situation einzustellen.“ Besonders deutlich werde das in einem Punkt der Befragung: Zwar hätten 58 Prozent ihre Veränderungsbereitschaft formuliert, doch nur fünf Prozent daraus die dafür nötigen Schlüsse für zukünftige Investitionen oder Geschäftsfelder gezogen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Finanzen
Finanzen Checkliste: So vermeiden Sie unnötige Kreditkarten-Gebühren auf Reisen
12.07.2025

Ob am Strand, in der Stadt oder im Hotel – im Ausland lauern versteckte Kreditkarten-Gebühren. Mit diesen Tricks umgehen Sie...

DWN
Technologie
Technologie Elektrische Kleinwagen: Kompakte Elektroautos für die Innenstadt
12.07.2025

Elektrische Kleinwagen erobern die Straßen – effizient, kompakt und emissionsfrei. Immer mehr Modelle treten an, um Verbrenner zu...

DWN
Finanzen
Finanzen Elterngeld: Warum oft eine Steuernachzahlung droht
12.07.2025

Das Elterngeld soll junge Familien entlasten – doch am Jahresende folgt oft das böse Erwachen. Trotz Steuerfreiheit lauert ein...

DWN
Finanzen
Finanzen Krypto ersetzt Börse: Robinhood bietet Token-Anteile an OpenAI und SpaceX
12.07.2025

Die Handelsplattform Robinhood bringt tokenisierte Beteiligungen an OpenAI und SpaceX auf den Markt. Doch was wie ein Investment klingt,...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Meta-KI: Facebook-Mutter wirbt KI-Top-Talente von OpenAI ab – Altman schlägt Alarm
12.07.2025

Der KI-Krieg spitzt sich zu: Meta kauft sich Top-Talente, OpenAI wehrt sich mit Krisenurlaub – und Europa droht im Wettrennen um die...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Deindustrialisierung: Ostdeutsche Betriebsräte fordern Ende von Habecks Energiewende - Industriestandort gefährdet
11.07.2025

Nach dem Verlust von über 100.000 Industriearbeitsplätzen richten ostdeutsche Betriebsräte einen dramatischen Appell an Kanzler Merz....

DWN
Technologie
Technologie Start-up ATMOS Space Cargo setzt neue Maßstäbe: Deutsche Logistik erobert den Weltraum
11.07.2025

Fracht ins Weltall zu bringen, ist eine Herausforderung. Eine noch größere ist es, sie wieder unversehrt zur Erde zurückzubringen....

DWN
Finanzen
Finanzen JP Morgan-CEO Jamie Dimon rechnet mit Europa ab: „Europa verliert“
11.07.2025

Jamie Dimon, CEO von JP Morgan und einer der mächtigsten Akteure der US-Wirtschaft, warnt europäische Politiker: Der Kontinent droht...